Das ist der Unterschied zwischen Alcaraz und Sinner

Tennis spielt die heute 56-Jährige, die 1985 die beste Juniorenspielerin der Welt war, nicht mehr. Aber der &bdquo;weiße Sport“ hat sie nicht losgelassen. Sie arbeitet als TV-Kommentatorin für den Bezahl-Sender Sky und verfolgt auch die Karriere von Jannik Sinner ganz genau.

Wie sind Sie 2004 nach Bozen gekommen?

Laura Garrone: Der Liebe wegen. Ich komme aus Mailand, habe in Rom gelebt und lange in Florida trainiert und jetzt bin ich glücklich in Bozen.

Sie haben auch beim TC Bozen als Tenniscoach gearbeitet?

Garrone: Stimmt, 5, 6 Jahre lang. Bei den Jugendturnieren war damals auch Jannik Sinner dabei. Schon als ich ihn das erste Mal gesehen habe, habe ich sein Talent bemerkt. Er war mager und schmächtig, aber er hat eine ausgezeichnete Technik gehabt. Man hat von Anfang an gesehen, dass er ein Ausnahmespieler ist.

Jannik Sinner war schon immer ein Ausnahmetalent. © ANSA / BRIAN HIRSCHFELD

Jetzt ist Sinner die Nummer 1 der Welt.

Garrone: Die Jugendzeit ist heikel. Alle haben vorausgesagt, dass er ein sehr starker Spieler werden würde. Er hatte die Qualitäten dazu, aber dazu braucht es auch einen starken Kopf und die körperlichen Voraussetzungen. Am Körperbau hat er viel gearbeitet in den letzten Jahren, mental hat er sich bewährt. Ich glaube, dass er viele Jahre lang die Nummer 1 der Welt sein kann.

Wie viele Grand-Slam-Turniere wird er gewinnen? 2 hat er ja schon.

Garrone: Das ist schwer zu sagen. Er ist ein konstanter Spieler, sehr gut vorbereitet, seriös, engagiert im Training. Mit seiner Einstellung wird er sehr lange oben bleiben.

Sie haben sicher auch die Karrieren von Andreas Seppi und Karin Knapp verfolgt, die es vor Sinner in die Weltklasse geschafft haben.

Garrone: Klar, Andreas hat eine ausgezeichnete Karriere hinter sich, sein wahrer Wert wurde gar nicht erkannt. Wer ihn verfolgt hat, wer seine Turniere gesehen hat, weiß, dass er ein hervorragender Spieler war. Er war sehr solide, hat nicht so auffällig gespielt wie andere, aber er hat großartige Ergebnisse erreicht. Ich habe seine Spiele sehr oft im Fernsehen kommentiert, ich erinnere mich mit Freude an ihn.

Karin Knapps Karriere wurde von körperlichen Problemen gestoppt. © EPA

Und Karin Knapp?

Garrone: Sie hatte großes Pech, weil sie auf dem Höhepunkt ihrer Karriere wegen körperlicher Probleme gestoppt wurde. Sie hat dann weitergespielt, aber sie musste diesen Problemen Tribut zollen und früh aufhören.

Auch Sie haben eine große Karriere hinter sich, waren die Nummer 32 der Welt.

Garrone: Ich war als Kind Kunstturnerin, bin erst mit 11 zum Tennis gekommen. Relativ spät. Aber ich hatte sofort brillante Ergebnisse, mit 14 wurde ich in das Leistungszentrum nach Latina einberufen. Aber meine Eltern ließen mich nicht so früh von zu Hause weg. Ich habe 1985 das Juniorenturnier in Roland Garros und bei den US Open gewonnen, war die Nummer 1 der U18-Weltrangliste. Im Doppel war ich die Nummer 42 der Welt.

Sie haben ihre Karriere 1997 beendet, mit nicht einmal 30 Jahren.

Garrone: Als ich gemerkt habe, ich schaffe es nicht mehr zurück auf Platz 30, habe ich angefangen, alles gelassener zu sehen. Ich habe immer ordentlich trainiert, das ist die Basis des Erfolgs, aber normalerweise reist man von einem Turnier zum nächsten. 1997 habe ich mir die Zeit genommen, mit 2 Freundinnen auch die Städte anzuschauen, in denen ich gespielt habe. Als Profi sieht man wenig von der Welt. Ich habe eine Akademie in Mailand eröffnet, noch Serie A und Bundesliga gespielt, um Spaß zu haben. In den ersten Jahren meiner Karriere hatte ich nichts mitbekommen.

Sie haben 1986 im Achtelfinale der French Open gespielt und gegen eine gewisse Martina Navratilova verloren.

Garrone: Gegen Navratilova habe ich auch in der 3. Runde in Wimbledon verloren. Zu meiner Zeit war es fast unmöglich, eine gesetzte Spielerin zu schlagen. Die Top 15 konnte man fast nie besiegen. Heute ist das ganz anders.

Wer war die beste Spielerin ihrer Zeit?

Garrone: Ich habe gegen alle gespielt, Navratilova, Chris Evert, Steffi Graf, Pam Shriver, Gabriela Sabatini, Arantxa Sanchez. Die Beste war schon Martina, weil sie als Linkshänderin auf schnellen Belägen immer &bdquo;serve and volley“ gespielt hat. Dann kam die Zeit von Steffi Graf, auch sie war unspielbar, dann kam Monica Seles, dann Serena Williams.

Wie hat sich der Tennissport verändert in diesen 3 Jahrzehnten?

Garrone: Das Material hat sich geändert, die Bälle, der Belag Heute rutschen die Spieler auf dem Hartplatz, zu unserer Zeit war das nicht möglich. In Wimbledon mussten wir immer ans Netz, heute wird auch auf Rasen von der Grundlinie gespielt. Return und Aufschlag sind die entscheidenden Schläge geworden. Zu meiner Zeit reichte es, einen ordentlichen Aufschlag und einen annehmbaren Return zu haben, dann hat der Ballwechsel begonnen und du hast versucht, den Punkt aufzubauen. Ohne Service und Return kommst du heute nirgendwo hin.

Sie sind ihrer Sportart immer verbunden geblieben.

Garrone: Ja, ich bin weiter ein großer Fan, manchmal kommentiere ich im Fernsehen, und ich reise auch zu Turnieren mit meinem Mann, die ATP Finals in Turin haben wir noch nie ausgelassen, aber wir fahren auch zu Turnieren, um dann eine Stadt zu erkunden. Ich spiele nicht mehr Tennis, aber ich betreibe viel Sport an der frischen Luft, Mountainbike, Rennrad, Ski alpin, hier in Südtirol fehlt es mir an nichts.

Die ewige Diskussion um den besten Spieler aller Zeiten – wer ist es für Sie: Federer, Nadal oder Djokovic? Garrone: Ich glaube, dass Federer der beste Spieler unserer Zeit war. Er hat mit Trainingsfleiß und Hingabe auch seine Rückhand verbessert. Er hatte eine unfassbare technische Qualität. Jeder der drei ist ein Champion. Die körperliche Präsenz von Nadal, seine mentale Stärke sind legendär. Aber der kompletteste Spieler von allen ist Djokovic. Er hat alle Turniere gewonnen, jetzt auch noch Olympia-Gold. Jetzt bleibt die Frage, ob er weiterkämpfen will und noch Ziele hat. Das Schöne ist, dass alle gedacht haben, nach diesem Trio kommt nichts mehr nach. Aber dem ist nicht so. Jetzt sind die jungen Wilden da.

Jetzt haben wir das Duell zwischen Sinner und Alcaraz. Garrone: Das ist wunderbar, unglaublich interessant, weil sie völlig anders Tennis spielen. Beide spielen sehr spritzig, vielleicht ist Alcaraz explosiver, unterhaltsamer, aber er hat nicht die mentale Konstanz von Sinner. Jannik ist viel konstanter, er kann den Ball unglaublich beschleunigen. Sinner ist technisch nicht so komplett, aber er ist im Kopf viel stärker. Die beiden werden uns in den nächsten Jahren gut unterhalten und eine große Show bieten.

Fragen: Stefan Peer

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