Das laute Schweigen von Naomi Osaka

Wir kennen und sehen die Situation bei fast jeder Veranstaltung. Kaum sind die Athleten innen im Ziel, wird ihnen schon ein Mikrophon unter die tropfende Nase gehalten. Sie haben kaum Zeit, um etwa im Winter nach rasender Schussfahrt zur Ruhe zu kommen, geschweige denn eine schnelle Analyse durchzuführen. Wo die Fehler eventuell lagen oder, besser, der Schlüssel zum Erfolg zu sehen sein könnte, das will man wissen. Sofort. Oft stehen noch Konkurrenten`innen am Start, so dass die Antworten ebenso wie die Fragen im Grunde sinnlos sind. Ich habe das gerade eben erlebt beim Kanu-Weltcup. Nach einem Kilometer paddeln waren die meisten am Ende mit ihren Kräften. Die Interviews der Sieger oder Siegerteams begannen immer so: Gratulation.

Schon das zeigt die absolute Bedeutungslosigkeit des Interviews, denn es ist eigentlich eine klare Vorgabe für Journalisten, dass sie nicht gratulieren, sondern hinterfragen. Geht aber in diesem Fall nicht, weil die Protagonisten zum Teil nicht englisch sprechen oder noch immer damit beschäftigt sind, den Puls wieder auf Normalausschläge zu bringen. Am besten gefiel mir deshalb bei den Kanu-Interviews ein chinesischer Sportler, der für sein Land einen Quotenplatz für die Olympischen Spiele schaffte und anschließend noch das Weltcup-Rennen für sich entschied. Er warf der Kamera nur Kusshände zu, freute sich, jubelte und ließ den Kollegen mit dem Mikrophon einfach stehen. Aber es ist leider überall so Sitte geworden. Auch in der Leichtathletik etwa, wo völlig ausgepumpte Sportler`innen dann im Grunde auch überfordert sind. Die Aussagekraft der Antwort fällt entsprechend dünn aus. Geht es aber um eher nicht so populäre Sportarten wie Kanu, regt sich kaum jemand darüber auf. Schon gar nicht die Aktiven selbst. Osaka verweigert Interviews Aber jetzt ist Feuer und dem Dach und auf dem roten Sand. Denn Naomi Osaka, die japanische Nummer zwei der Tenniswelt, hat einen Presseboykott angekündigt. Sie wird, so ließ sie vernehmen, keine die für alle vorgeschriebenen Pressekonferenzen mehr besuchen und auch die direkt nach dem Spiel vorgesehenen Interviews noch auf dem Spielfeld will sie nicht absolvieren, wobei dort maximal zwei Fragen gestellt werden und auch Osaka schon zur Ruhe gekommen sein sollte. Naomi Osaka droht bei den French Open der Turnierausschluss. © APA/afp / MARTIN BUREAU

Man lässt im Tennis genug Zeit verstreichen, damit sich die Sportler`innen nach ihrem Match sammeln können, sich ein wenig die Haare richten und den Schweiß aus dem Gesicht wischen können. Machbar also und diese Interviews sind zudem nicht nur für die Fernsehanstalten, sondern auch für die Zuschauer auf den Rängen. Und bei den French Open sind ja wieder ein paar Fans zugelassen. Strafen bis zum Ausschluss drohen Was aber führte bei der sonst doch so aktiven Osaka zu dieser Entscheidung? Sie hatte sich bei den Australian Open klar gegen Rassismus positioniert, sie sieht die Austragung der Olympischen Spiele in Tokio kritisch und will nun plötzlich nichts mehr sagen, was ja gegen ihre bisherige Vorgehensweise spricht. Hat ihr Management sie dazu angestachelt, um noch mehr Medieninteresse zu generieren? Oder will sie jetzt plötzlich, nach all den Aktivitäten der Vergangenheit, plötzlich ihre Ruhe haben?

Osaka hat einen Machtkampf losgetreten. Es geht gegen alle Veranstalter im Tennis, die gemeinsam unverhohlen damit drohen, der Japanerin künftig ihre Starts zu verwehren. Osaka wäre damit auf einen Schlag arbeitslos. Ihre Einsätze einzuklagen wäre zudem schwierig, denn die Tennisveranstalter sind private Institutionen. Zudem stößt Osaka auf eine Mauer des Unverständnisses im Kreis der Kollegen`innen. Bis hin zum Sandplatzkönig Raphael Nadal war bislang ausschließlich zu hören, dass die Presse Teil des Systems sei. Schließlich, so Nadal, sorgt sie dafür, &bdquo;dass wir dadurch so bekannt werden, wie wir das jetzt sind.“

Naomi Osaka hat ihre erste Runde wie erwartet überstanden, jetzt aber 20.000 USD weniger auf dem Konto. Das war die Strafe für ihre Verweigerung des Siegerinterviews. Mehr noch als auf das Resultat des nächsten Spieles gegen Anna Bogdan aus Rumänien, warten wir deshalb auf ihre Reaktion nach dem vorhersehbaren Sieg, denn eine neuerliche Weigerung könnte auch einen Turnierausschluss nach sich ziehen. Die Tennis-Veranstalter kennen da keine Gnade und große Namen sind ihnen schnuppe. Jetzt liegt der gelbe Ball bei Osaka.

Update: Mittlerweile ist klar, dass Osaka an Depressionen leidet. Die Japanerin ist aus den French Open ausgestiegen.

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Das laute Schweigen von Naomi Osaka

Tennis-Star Naomi Osaka hat mit ihrem angekündigten Presseboykott bei den French Open für viel Aufsehen gesorgt. Damit hat die Japanerin einen Machtkampf losgetreten.

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