Von Vorbildern und Tennis-Rüpeln

Heute: Der kleine Erziehungsberater. &bdquo;Mein lieber Sohn, meine liebe Tochter. Das Leben ist geprägt von Respekt voreinander, durch Rücksichtnahme und Fairness im Umgang miteinander. Ihr kennt das ja vom Sportunterricht. Auch wenn es manchmal notwendig ist zu kämpfen, dürft ihr dennoch eine gewisse Grenze nicht überschreiten. Achtet auch Euren Gegner.“ Gemeinsam sitzt die Familie vor dem Fernsehgerät und schaut sich das Tennisspiel zwischen Jannik Sinner aus Südtirol und dem Spanier Carlos Alcaraz an. (Der Papa hat sich jüngst einen Bezahlsender geleistet, den er sich und seiner Familie nach den jüngsten Preissteigerungen vielleicht nicht mehr lange leisten kann).

Die beiden Jungstars – der eine ist 20 Jahre alt, der andere erst 19 Jahre – liefern sich einen herzerfrischenden Fight. Nie mit Worten, immer nur mit großartigen Taten. Jeder versucht, mit seinen herausragenden Fähigkeiten als Tennisspieler den Gegner niederzuringen. Krachende Vorhandschläge wechseln sich ab mit butterweichen Stoppbällen. Knallharten Aufschlägen folgt ein stürmischer Angriff ans Netz, der mit einem platziert gesetzten Volley beendet wird. Es ist schlicht eine Augenweide, auch wenn wir ahnen, dass es ein verbissener Kampf ist. Aber es ist auch ein Spiel zweier Vorbilder, denn obwohl noch so jung an Jahren beweisen uns beide, auf welch hohem auch menschlichen Niveau ein solches Match absolviert werden kann. Jannik Sinner hat gewonnen, Sieger sind beide für alle, die gesehen und erlebt haben, wie eine Auseinandersetzung trotz der hohen psychischen Belastung mit einer erhabenen Leichtigkeit absolviert werden kann. &bdquo;Mein lieber Sohn, meine liebe Tochter. Nehmt euch diese beiden Jungs zum Vorbild.“ Ein Spiel läuft aus dem Ruder Sinner und Alcaraz haben dem Tennis in Wimbledon mehr gegeben, als nur ein tolles Spiel um den Einzug ins Viertelfinale. Sie haben ihrem Sport Würde gegeben zu einem Zeitpunkt, als tags zuvor auf einem anderen Platz der Anlage ein Spiel ausgetragen wurde, das im krassen Gegensatz dazu stand. Der Australier Nick Kyrgios traf auf den Griechen Stefanos Tsitsipas.

Werden wohl keine Freunde mehr: Stefanos Tsitsipas (l.) und Nick Kyrgios (r.). © APA/afp / GLYN KIRK

Beide traten früher übrigens schon mal gemeinsam als Doppel an, was man angesichts der Vorgänge in ihrem Match gar nicht glauben mochte. Wo sich Sinner und Alcaraz auf ihre Kernkompetenz konzentrierten, richtete vor allem der als Rüpel sowieso schon bekannte Australier mächtig Schaden an am Renommee des weißen Sports der Gentleman. Es war schlicht eine Schande, wie er immer und immer wieder mit verbalen Ausrastern versuchte, seinen Gegenspieler aus dem Rhythmus zu bringen. Das führte gar dazu, dass der ansonsten auf dem Platz stets ruhig und besonnen auftretende Tsitsipas die Beherrschung verlor und ungewohnt heftig Bälle ins Publikum drosch und gar ein paar Mal bewusst mit der Filzkugel auf den Körper seines Gegners zielte. Fairplay? Fehlanzeige total.

Beide schlitterten mehr und mehr in einen Abgrund ihrer Persönlichkeit. Die hohe Qualität ihres Spieles war da nur ein schwacher Trost, zumal der zuständige Schiedsrichter überfordert schien und auch der Supervisor nicht eingriff, obwohl klar war, dass Kyrgios sein im Grunde nicht zu tolerierendes Benehmen als taktisches Mittel seines Auftritts verstand. Er wollte Tsitsipas bis aufs Blut reizen und ihn damit aus dem Konzept bringen. Leider ist ihm das gelungen. Die Strafen sind zu gering Noch immer sind die Maßnahmen gegen Spieler wie Kyrgios, die ihre Gegner bewusst mobben, nicht ausreichend und vor allem nicht konsequent genug. Wer wie Alexander Zverev bei einem Turnier in Mexiko sogar den Schiedsrichter mit seinem Schläger attackiert, wird maximal mit einer Geldstrafe belegt, die den Millionären dieser Sportart nicht mehr als ein stilles Lächeln entlockt. Die Älteren unter uns erinnern sich natürlich noch an John McEnroe, der in der ersten Hälfte der Achtzigerjahre das Geschehen auf den Tennisplätzen dieser Welt dominiert hat. Er ist auch noch seiner Wutausbrüche wegen in Erinnerung.

Aber McEnroe hat im Gegensatz zu Kyrgios nie lautstark beim Schiedsrichter eine Strafe für seinen Gegenspieler gefordert. Das hat der Australier sogar mehrmals getan. Damit hat er eine bislang geachtete Grenze überschritten. Wimbledon hat mit diesem Auftritt auch sein unschuldiges Weiß verloren. Die Tradition ist nur noch eine leere Hülle. Und doch sind wir nicht ohne Hoffnung dank Carlos Alcaraz und Jannik Sinner. Beide haben gezeigt, dass die im Erziehungsberater aufgeführten Werte zum Glück noch immer mit Leben erfüllt werden können.

Fußball

Italien

Internationale Ligen

International

Wintersport

Tennis

Weitere Sportarten

Motorsport

Radsport

Wassersport

Events

Favoriten

Von Vorbildern und Tennis-Rüpeln

Empfehlungen

Kommentare (0)