
Laura Dahlmeier ist im Alter von 31 Jahren gestorben. © dpa / Friso Gentsch
Für immer in den Bergen: Nachruf auf Laura Dahlmeier
Unser Kolumnist Sigi Heinrich hat alle Wettkämpfe von Laura Dahlmeier für Eurosport kommentiert und sie als Ausnahmeathletin und besonders sensiblen und freiheitsliebenden Menschen kennengelernt. Ihr Tod macht fassungslos und zutiefst traurig.
30. Juli 2025
Von: sigi heinrich
Irgendetwas muss ich, irgendetwas soll ich schreiben. Sigi, du hast die Laura doch gut gekannt? War das eine Frage der Redaktion oder eine Feststellung? Ich starre auf das Bild auf meinem Laptop. Heute ist ein Lavendelfeld zu sehen. Dazu ein einsames Haus und im Hintergrund eine Hügelkette, umgeben von zartem Orange. Laura Dahlmeier hätte das gefallen. Das weiß ich. Und weiter? Ich will nicht, dass die Finger streiken, aber so flüssig wie sonst schwingen sie nicht über die Tasten. Ich kehre erst einmal meine Terrasse und denke nach.
Zurück mit tausend Fragen und dem immer gleichen Refrain: Warum, warum Laura? Gerade sie, die immer so vorsichtig war. Umsichtig bei ihren Unternehmungen ging sie vor, denn sie war sich der Risiken im hochalpinen Gelände bewusst: Mehr als vermutlich viele andere. Und ja, ich bin erschüttert, irgendwie auch ratlos.
In den Bergen fühlte sich Laura Dahlmeier zu Hause.
Sie hat mich begleitet, viele Jahre oder eher ich sie bei ihren Biathlonwettkämpfen, die sie bekannt gemacht haben. Nein mehr. Berühmt ist sie geworden und das weit über die Grenzen Deutschlands hinaus. Ich habe jeden, wirklich jeden offiziellen ihrer Schritte in den Loipen der vielen Stadien beobachtet und ihre grenzenlose Ruhe, ihr Selbstverständnis am Schießstand bewundert. Das darf man als Reporter in Ausnahmefällen auch tun. Und Laura war eine Ausnahme.
Der Rummel war ihr zu viel
Aber ich habe auch gesehen, wie ihr der Rummel um ihre Person zusetzte. So sehr, dass sie wohl am liebsten auf Siegerehrungen und alles drumherum verzichtet hätte. Aber das ging natürlich nicht, denn viele wollten ein Stück Laura haben. Als könne man sich ein bisschen Laura ins Wohnzimmer stellen. Manchmal legte sie sich nach den Rennen so lange im Zielraum in den Schnee, dass man Angst um sie bekam. Es schien, als habe sie sich übernommen. Es war so, als würde der Körper gegen die folgenden Pressekonferenzen und Interviews aufbegehren. Das klappte zum Teil auch ganz gut und so heimlich lächelte ich dann in mich hinein.Dahlmeier zählt zu den erfolgreichsten Biathletinnen der Geschichte. © AFP / MARCO BERTORELLO
Ihr Erfolgsgeheimnis war ihre Natürlichkeit. Sie stillte Sehnsüchte. Wie Rosi Mittermaier und ja, auch wie Magdalena Neuner. Die sympathischen Mädels aus den Bergen. Naturverbunden, geerdet. Und dann auch noch ungeheuer erfolgreich. Wie sehr Laura Dahlmeier das Gezerre um ihre Person, ja um ihre Persönlichkeit auf die Nerven ging, verdeutlichte der frühe Rücktritt vom Sport. Mit 25 Jahren, wenn viele erst anfangen, Medaillen zu sammeln, hörte sie auf.
Endlich Freiheit
Es ging ein Seufzen durch die Sportwelt. Der Verband verlor eine sichere Medaillenbank, die Zuschauer ihren Publikumsliebling und wir, die Berichterstatter jedweder Couleur aus vielen Nationen, einen Mittelpunkt unserer Arbeit, die Laura uns ja leicht machte. Sie spielte das Spiel mit. Mit wieviel Unbehagen behielt sie für sich.Dahlmeier war auch bei Olympia sehr erfolgreich. © AFP / FRANCK FIFE
Für Laura war das Ende ein Anfang. Endlich konnte sie ihre Liebe zu den Bergen uneingeschränkt ausleben. Sie hatte ja schon als junges Mädel bei der Bergwacht Einsätze absolviert oder auch mal auf der Hütte die Erbsensuppe an die Tische getragen. Es war selbstverständlich für sie. So wurde sie erzogen. Und so begann der neue Lebensabschnitt ohne Termindruck, ohne Trainingslager und Wettkämpfe. Freiheit. Und manchmal hatte man fast den Eindruck, die Medaillenjagd liegt schon unendlich lange zurück. Als wäre sie nur eine kleine, kaum noch erwähnenswerte Episode gewesen.
Lang gehegte Träume verwirklichen
Immerhin brachten diese Jahre wohl eine gewisse finanzielle Unabhängigkeit mit sich, die es nun möglich machte, wohl lang gehegte Pläne zu verwirklichen. Die Berge lockten. Endlich. Dabei wählte sie – typisch Laura – meistens Routen abseits des üblichen alpinen Rummels, den sie zutiefst verabscheute. Sie schleppte auch ihren Rucksack selbst. Sie kletterte im alpinen Stil. Große Expeditionen waren ihr ein Gräuel. Die Biathlonjahre mit all ihren Einschränkungen und Verpflichtungen wirkten nach. Viele Menschen überforderten sie.So kannte man Dahlmeier: Als Strahlefrau im Biathlon. © AFP / MARCO BERTORELLO
Über die sozialen Medien wurde ich über ihre Unternehmungen auch nach der Biathlonzeit stets umfassend informiert, denn auch in ihrem neuen Leben weckte sie bei vielen Menschen Sehnsüchte, denn wer kann schon von sich sagen, dass er einfach nur das tut, was er gerade gerne tun will. Für sie hieß das: Raus an die frische Luft, die Welt von oben betrachten. Aufatmen, durchatmen nach dem Gefängnis Biathlon.
Eine vorsichtige Alpinistin
Ich hatte das große Glück, dass zwischen uns eine stille Verbindung bestand. Ich verstand mich blendend mit Papa Andi und Lauras Tante Regina Stiefl. Die ehemalige Weltklasse-Mountainbikerin war in den Anfangsjahren von Eurosport meine Co-Kommentatorin. Kleine und interessante Informationen habe ich dadurch erhalten, die ich freilich stets für mich behalten habe. Sie dienten mehr dem Verstehen als dem Erzählen. Jetzt gibt es keine Bilder mehr von einer lachenden Laura, die in den Felsen hängt, nach unten schaut oder auch nach oben. Wer weiß.Dahlmeier war Fanliebling der Deutschen. © APA/afp / FRANCK FIFE
Laura Dahlmeier verunglückte nicht, weil sie zu wagemutig war. Sie war sich ja stets möglicher Gefahren bewusst, die sie sorgsam abwägte. Sie kannte die Berge, ihre Schroffheit, aber sie liebte ihren Zauber. Sie war glücklich dort, wo der Mensch sich jeden Schritt und Tritt erkämpfen muss, wo er freilich mit etwas Glück auch Gefühle erleben kann, die uns Talbewohnern für immer verwehrt bleiben. Laura Dahlmeier hat viele Gipfel erklommen. Im alten Leben als Biathletin, im neuen als Alpinistin. Jetzt bleibt nur Unverständnis, Fassungslosigkeit, Trauer, auch Wut irgendwie. Ein Satz von Laura soll und kann uns trösten. Vielleicht. „Wer in die Höhe geht, muss wissen, dass er auch nicht zurückkommen kann.“
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