Eine Legende wird arbeitslos

Wieder eine Trainerentlassung. Wahrscheinlich, so ist die erste Reaktion, muss irgendwer bei irgendeinem Fußballverein seine Tätigkeit beenden. Erfolglosigkeit ist dann meist die Begründung. Zu wenig Punkte, Abstiegsgefahr, Zukunftssorgen. Und schon ist sie da, die rote Karte. Und doch, so ist festzustellen, sind die Schleudersitze längst auf viele Sportarten verteilt.

Noch einmal holt uns, nicht nur witterungsbedingt, der Winter ein. In einer Phase, in der anzunehmen ist, dass Ruhe herrscht und Planungen vorangetrieben werden für die nächsten zwei Jahre, weil dann wieder olympische Winterspiele auf dem Programm stehen (Mailand/Cortina), ist einer der prominentesten Trainer im Biathlon von seinen Ämtern entbunden worden. Der slowenische Ski-Verband hat Ricco Groß entlassen. Im Mai vor zwei Jahren hatte er als Cheftrainer für Frauen und Männer seinen Job in Slowenien angetreten. Auf den ersten Blick könnte man annehmen, auch hier sei Erfolglosigkeit im Spiel, weil es ja keine Podestplatzierung gab für Slowenien im vergangenen Winter. Doch davon kann keine Rede sein. Groß, der neunmal Weltmeister war und vier olympische Goldmedaillen gewann, der als Trainer in Deutschland, Österreich und Russland arbeitete, hat aus wenig das Optimale gemacht. Slowenien befand sich im Biathlon auf dem absteigenden Ast. Ricco Groß stoppte die Talfahrt. Jakov Fak ist Sloweniens Bester. © APA/epa / FILIP SINGER

Der 53-jährige schaffte es sogar, mit dem Männerteam um den erfahrenen Jakov Fak von Platz elf auf den neunten Platz in der Nationenwertung zu kommen. Das bedeutet einen Startplatz mehr in der kommenden Saison in den Einzelwettbewerben für Slowenien und ist ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Und bei den Damen hat Anamarija Lampic, eine ehemalige Langläuferin, beständig für die besten Laufzeiten im Biathlon gesorgt. Am Ende belegt sie in ihrer ersten kompletten Weltcupsaison den 17. Platz. Für Slowenien war das mehr als nur ein respektables Resultat. Die Chancen, irgendwann sogar Podestplätze zu erreichen, stehen sogar gut bei ihr, wenn sie ihre Schießergebnisse noch verbessert. Daran hat Groß mir ihr gearbeitet. Auch in diesem Bereich war eine Verbesserung zu erkennen. Genutzt hat es ihm wenig. Er kennt zwar jetzt jeden Meter des Karawankentunnels, weil er jede Woche von Ruhpolding über die Tauernautobahn nach Pokljuka zum Training fuhr, doch richtig heimisch wurde er wohl nie in Slowenien.

Viele Barrieren stehen im Weg Möglicherweise hat das auch sprachliche Gründe. Slowenisch ist eine der archaischsten Sprachen Europas und wirklich schwer zu erlernen. Die Kommunikation lief also hauptsächlich auf Englisch ab. Natürlich funktioniert das grundsätzlich, doch kleine Unebenheiten sind dabei nie auszuschließen. Siegfried Maze etwa, der französische Coach der norwegischen Biathlonmannschaft um Superstar Johannes Thingnes Boe, parliert längst norwegisch wie auch der Südtiroler Patrick Oberegger, der mit seinen norwegischen Athletinnen ebenfalls in deren Sprache kommunizieren kann. Ausländische Trainer müssen sich extrem anpassen in ihrem Umfeld, um auch sprachlich und damit sehr direkt an ihre Schützlinge heranzukommen.

Jonne Käkhönen, der finnische Trainer im italienischen Biathlonteam der Frauen, dem zu großen Teilen die Erfolge und auch die Rückkehr in die Weltklasse von Lisa Vittozzi zu verdanken sind, lernt täglich fleißig italienisch. Aber die sprachliche Barriere ist nur ein Aspekt. Es sind auch Befindlichkeiten innerhalb der Verbände, die es Trainern aus anderen Ländern nicht leicht machen. Ricco Groß hatte mit dem früheren Cheftrainer Janez Maric und mit Bostja Klavzar zwei slowenische Trainer als Assistenten. Gegenüber dem &bdquo;Traunsteiner Tagblatt“ sagte Groß mit enttäuschendem Unterton: &bdquo;Die Vorgabe vor zwei Jahren war, die Mannschaft mit meinen zwei slowenischen Co-Trainern zu formen. Die haben die vergangene Zeit gut lernen können und nehmen jetzt das Heft in die Hand.“ Patrick Oberegger arbeitet in Norwegen. © Viktor Storsveen

Er ist nicht der einzige Trainer, der diese unangenehme Erfahrung machen musste. Der Ruhpoldinger Markus Fischer, zuständig zuletzt für das österreichische Damenteam um Lisa-Theresa Hauser und die immer stärker gewordene Anna Gandler, wurde versetzt. Künftig ist er im IBU-Team der Herren. Kein Weltcup mehr. Zudem schaut ihm der ehemalige österreichische Biathlet Fritz Pinter als weiterer Coach auf die Finger. In der Schweiz wurde am Ende dieser Saison der deutsche Trainer Remo Krug entlassen. Wie Groß auch nach zwei Jahren, obwohl vier geplant waren. Gründe, Vereinbarungen oder Verträge aufzulösen, finden sich natürlich immer. Mitunter sind es persönliche Animositäten oder schlicht finanzielle Gründe (Sparmaßnahmen etwa), die für die Beteiligten dann allerdings schwerwiegende Konsequenzen haben können. Denn anders als im Millionenbetrieb Fußball sind Trainerjobs im Biathlon zum einen rar und zwei Jahre vor Olympischen Spielen grundsätzlich fest vergeben. Und dort, wo jetzt Trainer freigestellt werden, gibt es ja keine neuen Positionen und es wird auch niemand gesucht. Es wird nur umstrukturiert.

So gesehen ist ein Fußballtrainer selbst dann in einer noch immer komfortablen Situation, wenn ihm der Stuhl vor die Türe gestellt wird, denn in diesem Metier ist eine Entlassung meist nur eine verkraftbare Veränderung des Arbeitsplatzes. Irgendwo geht schnell wieder eine Türe auf. Im Biathlon oder generell auch im Wintersport und in Sportarten, die nicht auf die finanziellen Ressourcen wie die Kicker setzen können, kann eine Entlassung zu einer persönlichen Katastrophe werden. Selbst Legendenstatus schützt nicht davor.

Zum Autor: Sigi Heinrich Der vielfach preisgekrönte Sportjournalist (u.a. Gewinner des Deutschen Fernsehpreises und des Bayerischen Sportpreises), Buchautor, langjähriger Redakteur der Süddeutschen Zeitung und Eurosport-Kommentator der ersten Stunde (seit 1989) von Eurosport, widmet sich in seiner Kolumne &bdquo;Sigi´s Spitzen“ der gesamten Vielfalt des Sports und wildert gerne auch in fremden Gefilden. Mal mit schmunzelndem Augenzwinkern, mal nachdenklich oder auch bewusst provozierend. Es soll ja für alle etwas dabei sein.

Fußball

Italien

Internationale Ligen

International

Wintersport

Tennis

Weitere Sportarten

Motorsport

Radsport

Wassersport

Events

Favoriten

Eine Legende wird arbeitslos

Empfehlungen

Kommentare (0)