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Klaus Höllrigl blickt auf die neue Saison, und darüber hinaus. © privat / Josef Plaickner

Wierer und Vittozzi – gibt's da Streitereien, Herr Biathlon-Chef?

Wenn an diesem Samstag der Startschuss zur neuen Biathlon-Saison erfolgt, dann werden die Augen der Fans besonders auf zwei Skijägerinnen gerichtet sein: Dorothea Wierer und Lisa Vittozzi. Sie zählen zu den besten Biathletinnen der Welt und buhlen um den Platz an der Sonne – gibt es da Konfliktpotenzial?

Von:
Alexander Foppa

Bevor die Saison losgeht, hat SportNews ein ausführliches Gespräch mit Klaus Höllrigl geführt. Der Latscher ist seit einem Jahr Sportdirektor bei Italiens Biathleten und weiß deshalb, was hinter den Kulissen abgeht. In unserem Interview spricht er nicht nur über die Wierer-Vittozzi-Situation, sondern auch über das Interessante an seinem Job, einen Senkrechtstarter in seinem Team und verheißungsvolle Südtiroler Talente.




Klaus Höllrigl, Sie sind seit einem Jahr als Sportdirektor für Italiens Biathlon verantwortlich. Würden Sie den Job jederzeit wieder antreten?

Klaus Höllrigl: „Das würde ich ohne zu zögern, mir taugt die Rolle wahnsinnig gut. Es war ein sehr stressiges, zugleich aber auch ein interessantes erstes Jahr. Ich habe nicht den Fehler gemacht, diese Aufgabe zu unterschätzen, hatte mich auf Probleme eingestellt gehabt. Diese konnte ich größtenteils lösen. Es hat alles sehr gut gegriffen, das Zusammenspiel, die Struktur haben einwandfrei funktioniert. Wir mussten deshalb diesen Sommer nicht reagieren, sondern konnten bereits den nächsten Schritt für Italiens Biathlon planen.“


Wie sieht dieser nächste Schritt aus?

„Ab nächstes Jahr werden wir Olympia 2026 noch genauer ins Auge fassen. Innerhalb der Nationalmannschaft wollen wir kleinere Gruppen bilden und mit diesen ganz gezielt arbeiten. Der Übergang zwischen den Trainingsmannschaften soll den Winter über aber fließend sein. Aktuell sind die Teams noch sehr groß gehalten, um im Vergleichskampf Anreize zu schaffen. Später soll dann individueller, spezifischer gearbeitet werden. Fest steht: Ich werde weiterhin großen Wert drauf legen, dass die besten, formstärksten Athleten im Weltcup zum Einsatz kommen – unabhängig von der Gruppe.“


Wie lange planen Sie im Voraus?

„Das gesamte Projekt mit mir als Sportdirektor ist auf Olympia 2026 ausgerichtet. Darüber hinaus gilt es aber schon jetzt, den nächsten und übernächsten Schritt zu planen. Die Entwicklung in unserer Nationalmannschaft, aber auch bei den darunter aufstrebenden Nachwuchskräften erlaubt es uns, auch über 2026 hinaus zu blicken.“

„Tommaso Giacomel ist eines der größten Talente der Welt.“ Klaus Höllrigl


Sie sprechen die Nachwuchstalente an. Wie rosig sieht es um Italiens Biathlon wirklich aus?

„Uns ist sehr wohl bewusst, was für ein Potenzial in der A-Nationalmannschaft, aber auch in den Nachwuchsklassen vorhanden ist. Darum beneiden uns andere Nationen. Doch Achtung: Das ist kein Selbstläufer. Bis in die Weltspitze ist es ein ganz, ganz harter Weg. Jeder einzelne Athlet, jeder Trainer, Servicemann und Betreuer muss seine ganze Leistung abrufen, um die Mannschaft und damit auch jeden einzelnen kontinuierlich zu verbessern. Das ideale Beispiel: Tommaso Giacomel. Er ist für mich eines der größten Biathlontalente der Welt. Doch auch er muss sich noch etablieren, den nächsten Schritt gehen. Das passiert nicht einfach so von alleine.“


Mit Dorothea Wierer und Lisa Vittozzi buhlen zwei absolute Weltklasse-Athletinnen um den Platz an der Sonne. Sehen Sie ein Konfliktpotenzial?

„Nein, keinesfalls! Beide kennen sich mittlerweile lange genug, respektieren sich und wissen, was die jeweils andere im Stande ist zu leisten. Ich habe den Eindruck, sie pushen sich durch die Erfolge eher gegenseitig, als dass irgendwo Neid oder Missgunst aufkommen würde. Beide geben fürs Team ihr bestes – und so soll es auch sein.“

Gemeinsam erfolgreich und doch Rivalinnen: Dorothea Wierer und Lisa Vittozzi. © AFP / JURE MAKOVEC



Wie sieht es um Wierer aus, bei der immer wieder über ein baldiges Karriereende spekuliert wird?

„Ich kann nur so viel sagen: Doro ist extrem motiviert, ihr Körper ist immer noch gut in Form und sie zeigt sehr starke Trainingsleistungen. Im Schießen ist sie ohnehin eine Klasse für sich. Ich bin mir sicher, dass wir kommenden Winter eine ganz starke Dorothea Wierer sehen werden.“

„Um Lisa Vittozzi hat sich ein Hype entwickelt. Klaus Höllrigl


Vittozzi hat in der Vorbereitung gezeigt, dass sie mit den hohen Erwartungen umgehen kann. Wird das ihr großer Winter?

„Um Lisa hat sich die letzten Monate ja fast schon ein Hype entwickelt. Sie hat es vergangenen Winter allen nochmal gezeigt – und dadurch natürlich auch die Erwartungen nach oben geschraubt. Wenn sie es trotzdem schafft, befreit in die Loipe zu gehen, dann erwarte ich mir, dass sie diese Ergebnisse bestätigen kann.“


Auf welche Biathleten kann Südtirol in Zukunft bauen?

„Hannah Auchentaller und Rebecca Passler sind absolute Top-Talente, die bereits im Weltcup aufgezeigt haben. Sie müssen sich in der Loipe noch verbessern und das Schießen stabilisieren. Auf dieselbe Stufe stelle ich Linda Zingerle, die zuletzt von Verletzungen ausgebremst wurde und nun vor einer wichtigen Saison steht. Die Weltcup-erprobten Patrick Braunhofer und David Zingerle haben den Sommer über gut trainiert. Wenn bei ihnen der viel zitierte Knopf aufgeht, kann es schnell nach oben gehen. Dahinter haben wir mehrere interessante Talente im Köcher, wie etwa Birgit Schölzhorn, Christoph Pircher oder Felix Ratschiller, die später einmal in den Weltcup aufrücken könnten.“


Italiens Biathlon-Team kann künftig auf einen eigenen Truck setzen. Gibt es sonst noch Neuerungen in Hinblick auf die neue Saison?

„Wir haben die Zusammenarbeit mit dem Sport-Forschungszentrum CeRiSM in Rovereto ausgebaut, um unsere Athleten besser betreuen zu können und deren Leistungsdaten umfänglicher im Blick zu haben. Außerdem setzen wir im Training vermehrt Ärzte ein, damit die in Vergangenheit oftmals aufgetretenen Belastungsverletzungen, wie etwa Entzündungen, bestmöglich vermieden werden.“

Klaus Höllrigl ist seit 2022 für Italiens Biathlonsport verantwortlich. © privat / Josef Plaickner



Was ist das unmittelbare Ziel?

„Vergangenes Jahr war von einer jungen Mannschaft die Rede, arrivierte Kräfte wie Vittozzi wurden von manch einem ja bereits abgeschrieben. Die Erwartungen konnten wir in der Folge mehr als nur erfüllen. Das führt dazu, dass in diesem Jahr der Druck unvermeidlich steigt. Das Ziel von Vittozzi und Wierer muss es sein, weiter ganz oben mitzumischen. Die dahinter aufrückenden Talente wie Giacomel müssen sich stabilisieren und dann den nächsten Schritt in Richtung absolute Spitze setzen. Das Ziel ist es, die Entwicklung dieser Athleten voranzutreiben und damit das Team als Ganzes auf das nächste Level zu heben.“


Es klingt so, als würden Sie bewusst tief stapeln…

„Ich würde es eher als Demut vor den nächsten Aufgaben bezeichnen. Wir dürfen uns nicht auf den Erfolgen der vergangenen Saison ausruhen. Die eben angesprochene Entwicklung unserer Athleten muss der gesteigerten Erwartungshaltung erstmal standhalten. Das wird ein Prüfstein.“


Welche Schwierigkeiten könnten in der kommenden Saison noch auftreten?

„In diesem Winter wird uns keiner mehr unterschätzen. Für die jungen Athleten wird es entscheidend sein, wie sie mit der höheren Erwartungshaltung umgehen. Das sind aber alles sehr charakterstarke Mädchen und Jungs, ich bin überzeugt, dass sie auch Rückschläge verdauen können. Ein anderes Thema ist das Verbot von Fluor-Wachs bei der Skipräparierung. Wir haben uns gut drauf vorbereitet und die nötigen Maßnahmen getroffen, um die neue Vorgaben einzuhalten. Da kommt Neues auf uns zu, doch von Schwierigkeiten würde ich nicht sprechen.“

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