Ein Dopingfall aus Absurdistan

Es gibt wieder mal neue Nachrichten aus Absurdistan, was an sich ja nicht überraschend ist, denn alles andere wäre ja normal und eben nicht absurd. Die russische Dopingagentur (RUSADA) hat den Fall der gedopten Eiskunstläuferin Kamila Walijewa nun tatsächlich abgeschlossen nach dem Versäumen sämtlicher Fristen und hat die mittlerweile 16-Jährige von jeglicher Schuld freigesprochen. Ein Dopingverstoß Walilejwas wurde zwar immerhin eingeräumt, im gleichen Atemzug konnte aber &bdquo;keine Schuld oder Fahrlässigkeit“ der Athletin eingeräumt werden.

Sanktionen wurden natürlich nicht verhängt, lediglich ein Ergebnis der russischen Meisterschaften vor den Olympischen Spielen wurde getilgt. Wer freilich ein anderes Ergebnis erwartet hatte, träumt noch immer davon, dass Russland sich auch im Sport in die Weltgemeinschaft integrieren will. Bomben auf die Ukraine lenken ab von eigenen Versäumnissen, in der Geschichte auch von Gräueltaten gegen das eigene Volk und natürlich im Sport von einer organisierten Betrugsmaschinerie, die ihresgleichen sucht und vielleicht nur gleichzusetzen ist mit dem jahrelangen systematischen Doping in der ehemaligen DDR. Putin fordert Siege und bekommt sie Und immer und überall ist Vladimir Putin, Russlands oberster Kriegsherr, mit im Spiel. Er ist ein Sportfan und zeigt sich gerne mit athletischem Body, was naturgemäß allmählich nachlässt. Er hat vor Sotschi, den Olympischen Spielen 2014, klar die Devise ausgegeben an all seine Funktionäre und Trainer, dass man schließlich für die Investitionen (die Rede ist von 33 Milliarden Euro) auch eine Flut von russischen Medaillen erwartet. Unter allen Umständen und wie auch immer diese ermöglicht werden. So hat man als Krönung sogar Löcher in Wände gebohrt, um verunreinigte Urinproben gegen saubere auszutauschen.

Das ist längst bewiesen, auch wenn Mörtel und Ziegelsteine diese Krater der Lüge wieder geschlossen haben. Sotschi im Winter war wie Seoul im Sommer 1988 ein olympischer Dopingsupergau, der freilich viel zu schnell von aktuellen politischen Ereignissen überdeckt wurde. Direkt nach der Abschlussfeier in Sotschi annektierte Putin mit der Krim einen Teil des souveränen Staates Ukraine und erneut direkt nach Olympischen Spielen, denen von Peking, begann er mit dem Krieg gegen die Ukraine. Während seine Bomben Blut, Tränen und Tod verursachen, versammelt er seine Sportler um sich. Seine Sportler wohlgemerkt, die instrumentalisiert werden wie alle auch in der Vergangenheit in autokratischen Systemen.

Kamila Walijewa © APA/afp / ANNE-CHRISTINE POUJOULAT

Das war 1936 nicht anders. Putin nutzt die Nähe zum Sport zu Propagandazwecken und die so umworbenen Athletinnen und Athleten spielen mit. Auch Kamila Walijewa gehört natürlich dazu, wobei ich zu ihrer Verteidigung anmerken will, dass sie vermutlich schon aufgrund ihres Alters überfordert ist, um die Tragweite dessen zu erkennen, was mit ihr in ihrem Land passiert. Und ich gehe auch davon aus, dass sie mit damals 15 Jahren nicht zu ihrer Trainerin gegangen ist und um das verbotene Herzmittel Trimetazidin angefragt hat.

TMZ, wie der Stoff in der Sportlerszene genannt wird, ist ein sogenannter Soffwechsel-Modulator, der den Blutfluss und damit die Ausdauer steigern kann. Es steht seit 2014 auf der Verbotsliste der WADA, weil es zur Leistungssteigerung missbraucht werden kann. Hand aufs Herz also in diesem Fall: Kann eine 15jährige das wissen? Ihr Umfeld, alle ihre Betreuer, haben einen Freifahrtschein bekommen von der russischen Dopingagentur, was nicht überrascht. Sie haben ja nur getan, was gewünscht ist, nämlich Sieger produziert unter allen Umständen und unter Umgehung sämtlicher in diesem Fall normalerweise notwendiger Fürsorgepflichten. Sportler sind im Regime von Putin wie die Soldaten, die für seine Wahnvorstellungen geopfert werden. Und damit ist auch klar, dass die russische Dopingagentur nur ein Feigenblatt ist. Funktionäre sind weiterhin tätig Als Folge des Dopingskandals von Sotschi und erst recht als Folge des Angriffes auf die Ukraine ist der Sport Russlands mittlerweile zu großen Teilen isoliert, auch wenn es unverständliche Ausnahmen gibt wie im Tennis. Der Einfluss Russlands ist trotzdem noch immer allgegenwärtig. Umar Kremlew etwa ist Präsident der Internationalen Boxing-Association (IBA), dem Weltverband des Olympischen Boxsports. Mit Sitz übrigens in Lausanne, wo auch das Internationale Olympische Komitee (IOC) beheimatet ist. Kremlew hat übrigens als erste Amtshandlung den ukrainischen Boxverband suspendiert. Er gilt als enger Vertrauter Putins.

Der Präsident des nach wie vor existierenden Nationalen Olympischen Komitees Russlands ist der viermalige Fecht-Olympiasieger Stanislaw Posdnujakow, der in gutem Kontakt zum IOC-Präsidenten Thomas Bach stehen soll. Fechten verbindet. Und Alischer Usmanov, ein Oligarch und einer der reichsten Russen, ist nach wie vor der Drahtzieher des Internationalen Fechtverbandes, auch wenn er seine Tätigkeit als FIE-Präsident ausgesetzt hat nach Sanktionen gegen sein Wirtschaftsimperium. So gesehen ist der Fall der Eiskunstläuferin Kamila Walijewa nur ein Momentum in Absurdistan, denn hinter den Kulissen werden weiterhin fleißig die Strippen gezogen, während die Ukraine durch das Dauerbombardement Russlands in Schutt und Asche versinkt. Manchmal ist alles nur noch traurig.

Zum Autor: Sigi Heinrich Der vielfach ausgezeichnete Sportjournalist (u.a. Deutscher Fernsehpreis, Bayerischer Sportpreis und Biathlon-Award), Buchautor und TV- Kommentator widmet sich in seiner Kolumne &bdquo;Sigi´s Spitzen“ den vielfältigen Themen des Sports und wildert auch mal außerhalb seines Metiers. Manchmal mit schmunzelndem Augenzwinkern, mal ernsthaft oder auch bewusst provozierend. Es soll ja für alle etwas dabei sein. Heinrich studierte Sport, war zehn Jahre Redakteur der Süddeutschen Zeitung und kommentierte für Eurosport unter anderem von 15 Olympischen Spielen.

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