Zukunftspläne & privates Glück: Carolina Kostner öffnet ihr Herz

von Thomas Debelyak

Sonntagmittag in Neumarkt. Es ist sommerlich warm. 25 Grad zeigt das Thermometer an, im örtlichen Lido kraulen einige eifrige Schwimmer schon die ersten Längen der Saison. Da kann es einen schon etwas frösteln, wenn man den unmittelbar danebengelegenen Eispalast der Würth-Arena betritt. Wo für gewöhnlich der raue Sport des Eishockeys Hochbetrieb hat, gehört die Bühne heute der Ästhetik, genauer gesagt zahlreichen jungen Eiskunstläuferinnen, die im Zuge eines Camps auch im Frühsommer noch emsig über die spiegelglatte Fläche tanzen.

Eine Gruppe Mädchen hört dabei aufmerksam den Ratschlägen der Trainerin zu und verfolgt mit gespannten Blicken jede Bewegung, die ihre Lehrerin aufs Eis zaubert. Es scheint, als wollten die jungen Eisprinzessinnen jede Sekunde förmlich aufsaugen. Irgendwie auch verständlich: Ein persönliches Training mit Carolina Kostner ist eben nicht Alltag, sondern eine wahre Rarität. Einige Nachwuchs-Eiskunstläuferinnen durften sich im Rahmen dieses Workshops ein Wochenende lang an &bdquo;Caros“ Erfahrung bereichern. &bdquo;Es geht hier weniger um die Technik“, sagt die Grödnerin, &bdquo;sondern mehr um die Passion, die Leidenschaft, die ich den jungen Talenten vermitteln will.“

&bdquo;Seit einer Woche darf ich wieder Eislaufen. Das fühlt sich so gut an.“ Carolina Kostner Beobachtet man Kostner genauer, dann beschleicht einen das Gefühl, dass sie diese Einheiten selbst am meisten genießt. Bei jeder Bewegung, bei jedem Schwung, bei jedem Ausdruck ist der ehemaligen Weltmeisterin die Freude anzusehen. Das hat einen bestimmten Grund. &bdquo;Seit einer Woche darf ich wieder Eislaufen, das fühlt sich so gut an“, schwärmt die Eiskunstläuferin später beim Gespräch in der etwas wärmeren Location der Stadionbar. Dass ihre Augen bei diesen Aussagen leicht funkeln, zeigt, wie sehr sie ihren Sport in den letzten Jahren vermisst hat.

Kostner bei ihrem bislang letzten Olympia-Auftritt 2018 in Pyeongchang: Damals wurde sie Fünfte. © AFP / MLADEN ANTONOV

34 Jahre ist Carolina Kostner mittlerweile alt. Sie hat in ihrer Laufbahn schon alles erreicht, was sich eine Südtiroler Sportlerin nur erträumen kann. Ein Mal wurde sie, die Eiskunstlauf-Exotin aus dem beschaulichen St. Ulrich im Grödnertal, in einer von immer jüngeren, vorzugsweise russischen Talenten dominierten Sportart Weltmeisterin. Ein Mal durfte sie sich die Bronzemedaille bei Olympischen Spielen umhängen, fünf Mal die Goldene bei Europameisterschaften. Ganz zu schweigen von den zahlreichen Herzen der Fans rund um den Globus, die sie mit ihrer künstlerischen, ausdrucksstarken und gleichzeitig so grazilen Art eroberte. Dann, nach der Weltmeisterschaft 2018 in Mailand und der hauchdünn verpassten Medaille, ist es ruhig geworden um Kostner. Um nicht zu sagen mucksmäuschenstill. Der Profi-Sport hat Spuren hinterlassen Die Jahre als professionelle Sportlerin haben ihre Spuren am zierlichen Körper der Kufenkünstlerin hinterlassen. Ihre linke Hüfte bereitete ihr immer wieder Probleme – sogar so heftige, dass Kostner keine Wettkämpfe mehr bestreiten konnte und im Jänner 2020 schließlich operiert werden musste. &bdquo;Die Verletzung ist komplizierter als ich gedacht habe. Es hat sich alles sehr in die Länge gezogen“, bedauert Kostner, die auch jetzt noch nicht bei 100 Prozent ist. &bdquo;Ich darf beispielsweise noch nicht springen. Und ich habe immer noch Schmerzen.“

War es das jetzt also? Geht eine der erfolgreichsten Südtiroler Sportlerkarrieren so zu Ende? Kostner verneint entschieden. &bdquo;Nein, im Moment bin ich noch in einer Verletzungspause. Ich werde die nächsten Wochen und Monate schauen, wie sich die Hüfte entwickelt, um dann zu entscheiden, ob ich noch einmal in die Wettkämpfe zurückkehre oder nicht“, so die 34-Jährige, die gleichzeitig betont: &bdquo;Der Körper ist meine Nummer 1. Er hat mir in den letzten Jahren die Möglichkeit gegeben, so viel zu erleben, so viel zu verwirklichen. Alles, was jetzt noch kommt, ist eine Zugabe.“

&bdquo;Olympia? Wenn es klappt, wieso nicht?“ Carolina Kostner Eine Zugabe wären auch die Olympischen Spiele 2022 in Peking. &bdquo;Die Lust darauf wäre schon groß“, meint die Südtirolerin, die aber auch klarstellt: &bdquo;Es wäre für mich keine Enttäuschung, wenn ich nicht dabei wäre. Ich habe an vier Olympischen Spielen teilgenommen, das ist eine Rarität für eine Eiskunstläuferin. Ich will mich nicht zu viel fixieren. Aber wenn es klappt, dann wieso nicht?“

Erfolge, große Bühnen, Wettkämpfe – das ist eine Sache. Passion ist die andere. Und diese glüht in Kostner immer noch wie am ersten Tag. &bdquo;Das Eis ist mein Leben“, wiederholt sie während des Gesprächs mehrmals. Deshalb weiß die Tochter einer eishockeyverrückten Familie (Vater Erwin war, Bruder Simon ist Profi) auch, wo ihr Platz sein wird, wenn sich der Kreis des Sportler-Daseins irgendwann schließen sollte. &bdquo;Ich will auch nach meiner Karriere auf dem Eis bleiben. In welcher Art und Weise, das wird sich zeigen. Das ist aber das Tolle an meiner Sportart: Außerhalb der Wettkämpfe gibt es noch so viel zu entdecken, sei es Shows, sei es Jugendförderung, oder auch Sachen, die es noch gar nicht gibt“, so Kostner, die überzeugt ist: &bdquo;Hier werde ich meinen Platz finden.“ Designerin, Model – und eine neue Liebe Wobei: Carolina Kostner ist längst nicht mehr &bdquo;nur“ die Eiskunstläuferin. So nutzt die Grödnerin ihren Bekanntheitsgrad (auf Instagram folgen ihr knapp 130.000 Nutzer), um auf seltene Krankheiten aufmerksam zu machen. Sie steht immer wieder Mal als Model (zum Beispiel für Luis Trenker) vor der Kamera. Und sie designt auch selbst Kleidungsstücke und hat mittlerweile eine eigene Kollektion auf den Markt gebracht. Ihre große Leidenschaft auf den zwei schmalen Kufen spielt auch hier eine wichtige Rolle: &bdquo;Die Idee ist, dass man das Eiskunstlaufen auch außerhalb des Eises tragen kann“, beschreibt sie auf ihrer Webseite die Produkte.

Wie genau die Zukunft der erfolgreichsten Südtiroler Eiskunstläuferin aussieht, weiß sie selbst noch nicht. &bdquo;Ich lasse mich vom Leben überraschen“, betont sie mit einem Lächeln. Positiv überrascht wurde sie auch von Fabrizio, dem Mann an ihrer Seite. &bdquo;Wir sind jetzt schon seit einigen Jahren zusammen. Er stammt aus der Nähe von Rom“, freut sich Kostner, die auch das heikle Kapitel mit Alex Schwazer (als dieser des Dopings überführt wurde, war sie seine Freundin und wurde auch gesperrt) hinter sich gelassen hat. Ihr Lebensmittelpunkt hat sich durch die neue Beziehung verändert, denn inzwischen verbringt die Grödnerin viel Zeit in der Ewigen Stadt. Wann immer möglich, stattet Kostner aber auch ihrer Heimat einen Besuch ab. Wie an jenem Sonntag in Neumarkt, den sie besonders genossen hat: &bdquo;Das Eis ist mein Leben.“ Und dorthin ist Carolina Kostner nun auch zurückgekehrt.

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