Kolumne | Mit Girardelli zur Medaillenvergabe

Nur für den Fall, dass sie eine Reise nach Paris geplant haben: Sie können wirklich ohne Bedenken den Eiffelturm besichtigen. Die Konstruktion hält, auch wenn in die Medaillen für die Olympischen Spiele in Paris im vergangenen Jahr Eisen aus dem Turm eingearbeitet worden war. Wir dürfen uns das jetzt eben nicht so vorstellen, dass eventuell Arbeiter mit einer Flex zu Werke gingen und einfach ein paar Stücke herausgeschnitten haben. Das Material dazu lagerte längst in einem Schuppen aus vorangegangen Renovierungsarbeiten. Im Grunde eine clevere Idee. Resteverwertung. Sehr zeitgemäß.

Allerdings ist Eisen natürlich sehr anfällig. Bei Feuchtigkeit etwa bildet sich Rost, eine wasserhaltige Eisenoxidverbindung, die eine verheerende Wirkung entfaltet und zur vollständigen Zerstörung von Eisen oder Stahl führen kann. Der Eiffelturm hat zum Schutz vor Korrosion deshalb bereits 19 Neuanstriche erhalten. 60 Tonnen Farbe werden dafür jeweils benötigt, 25 Maler sind im Einsatz, um die 250.000 Quadratmeter Eisen zu streichen. 1500 Pinsel werden benötigt, denn es wird nicht etwa Farbe gesprüht. Nein, die Schutzfarbe wird händisch aufgetragen und damit während dieser Arbeit Touristen keine Farbkleckser auf den Kopf bekommen, werden dichte Netze gespannt. Eineinhalb Jahre dauert ein Anstrich.

Ein Stück Eiffelturm in der Medaille Vielleicht vergaß das Organisationskomitee der Olympischen Spiele im letzten Jahr schlicht, zu den Medaillen auch noch Pinsel und Farbe zu geben. Die begehrten Trophäen begannen nämlich schon nach kurzer Zeit zu rosten. Mehr als einhundert Athleten haben ihre Auszeichnungen bereits zurückgeschickt und ohne große Reklamation auch neue erhalten. &bdquo;Garantiert rostfrei“ steht vielleicht auf dem Beipackzettel. Im Grund ist es ja schade, denn die Idee, ein Stück Eiffelturm in die Medaillen einzuarbeiten, ist ja wirklich toll gewesen. Auch die Auszeichnung selbst war ungewöhnlich. Die Form, ein Sechseck, symbolisierte die geografische Form Frankreichs.

Im kommenden Jahr finden in Cortina die Winterspiele statt. © AFP / PIERRE TEYSSOT

Italien konnte sich verständlicherweise bei 1200 Kilometern Länge von Nord nach Süd für Mailand/Cortina daran natürlich kein Beispiel nehmen, weshalb die Medaillen wieder so sind, wie man es gewohnt ist. Rund, einfach und auch ohne Einarbeitung irgendwelcher Fremdstoffe. Obwohl es durchaus Möglichkeiten gegeben hätte. Ein paar Teile der alten Bobbahn in Cortina, die es dann doch nicht geschafft hat bis ins Jahr 2026, wären vorrätig gewesen. Ein paar Dolomitensteinchen hätten sich gut gemacht. Ok, ich weiß, das passt nicht, würden die Mailänder sagen, denn die Dolomiten sind ja nur teilweise olympisch nächstes Jahr. Aber was wäre denn mit Splittern, die sagen wir, fast 2000 Jahre alt sind? Aus der Arena in Verona nämlich, in der die Schlussfeier ausgetragen wird und auch die Eröffnungsfeier der Paralympics.

Das drittgrößte noch erhaltene antike Amphitheater wurde 30 n. Chr. erbaut. Man stelle sich vor: In einer Olympiamedaille von 2026 wäre ein Stück davon erhalten. Die Arena hätte das verkraftet ohne auch nur einen der kühlen, felsigen Sitzplätze zu verlieren und es wäre auch ein schönes Symbol dafür gewesen, dass man eben doch Austragungsstätten der Spiele für 2026 ohne Zeitdruck und lange Diskussionen fertigstellen konnte. Mit der Vorstellung der Medaillen im historischen Palazzo Balbi am Canal Grande in Venedig, hat man immerhin gezeigt, dass zumindest jetzt die Siegerehrungen durchgeführt werden können.

Per Helikopter zur Medal Plaza? Eine &bdquo;Medal Plaza“ wie man sie von fast allen olympischen Spielen kennt, wird es indes nicht geben. Angesichts der Zersplitterung der Wettkampfstätten von Bormio bis Antholz ist ein zentraler Platz für die Vergabe der Medaillen schlicht wohl nicht zu organisieren. Das ist vor allem bedauerlich für die Athleten, denn gerade die zentrale Verleihung der olympischen Auszeichnung war stets auch einer der Höhepunkte für die Protagonisten der Spiele.

Obwohl: Mit einer Hubschrauberstaffel… Die müsste allerdings 195 Starts hinlegen, denn so viele Disziplinen gibt es in Mailand/Cortina im nächsten Jahr. Es wäre machbar. Und man könnte sogar prominente Piloten verpflichten. Marc Girardelli etwa ist im Besitz einer Lizenz. Ich bin selbst schon mit ihm geflogen und wohlbehalten wieder gelandet. Er könnte also etwa Dominik Paris oder Dorothea Wierer zur Medaillenvergabe fliegen. Eine irgendwie schöne Vorstellung.

Zum Autor: Sigi Heinrich Der vielfach prämierte Sportjournalist (u.a. Gewinner des Deutschen Fernsehpreises, des Bayrischen Sportpreises und nominiert für den renommierten Grimme-Preis), ausgebildeter Sportlehrer, Buchautor, langjähriger Sportredakteur der Süddeutschen Zeitung und seit 1989 Kommentator bei Eurosport, widmet sich in seiner wöchentlichen Kolumne der gesamten Bandbreite des Sports. Mal mit schmunzelndem Augenzwinkern, mal nachdenklich oder bewusst provozierend. Es soll ja für alle etwas dabei sein.

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