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Ylvie Folie (l.) und ihre jüngere Schwester Marit (r.) wollen auf die große Wintersportbühne.

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Ylvie Folie (l.) und ihre jüngere Schwester Marit (r.) wollen auf die große Wintersportbühne.

Stärker als das Schicksal: Zwei Schwestern und ihr Traum

Marit und Ylvie Folie gehören zu den aufstrebendsten Wintersportlerinnen Südtirols. Die beiden Schwestern verbindet eine glühende Leidenschaft für den Langlaufsport – und eine besondere Lebensgeschichte. Wir haben sie bei sich zuhause in St. Valentin auf der Haide besucht.

Alexander Foppa

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Alexander Foppa

Es ist ein sonniger Herbsttag, die gewöhnliche Windbrise zieht über den Haidersee, als Marit und Ylvie Folie ihre Haustür öffnen und dem Journalistenbesuch Eintritt gewähren. Eintritt in ihre kleine Welt, in eine Schwestern-WG, einen Steinwurf von der Liftanlage der Haideralm entfernt. Die 19-jährige Marit und die zwei Jahre ältere Ylvie besitzen noch keine Medienroutine, treten aber mit beeindruckender Entschlossenheit auf. Ihr Traum, ihr Ziel: die große Bühne des Langlaufsports.


Während Ylvie schon früh davon träumte, Leistungssportlerin zu werden, bezeichnet sich Marit lachend als „kleinen Faulpelz von früher“. Heute ist davon nichts mehr zu sehen. Beide trainieren mit eiserner Disziplin – 20 bis 25 Stunden pro Woche, rund 800 Stunden im Jahr. Aktuell lautet das Programm Krafttraining, Rollereinheiten, Klassisch und Skating rund um den Reschensee, im Winter sind sie häufig in den Loipen in Schlinig anzutreffen oder im Trainingslager in nordischen Wintersporthochburgen. Der Alltag der Folie-Sisters ist geprägt von Struktur, Schweiß und Willenskraft.

Marit und Ylvie Folie haben vor zweieinhalb Jahren ihre Mutter verloren, heute sprechen sie offen darüber. © SN

Marit und Ylvie Folie haben vor zweieinhalb Jahren ihre Mutter verloren, heute sprechen sie offen darüber. © SN


Die beiden Schwestern tragen nicht zufällig skandinavische Vornamen, Marit sogar jenen von Langlauflegende Marit Bjørgen – ihre Eltern wollten es so. Eine symbolische Verbindung, die fast programmatisch wirkt. Auch wenn die Erfolge der Norwegerin unerreichbar scheinen, kann das Duo vom Reschenpass schon Siege und Medaillen vorweisen: Marit holte im Frühjahr dieses Jahres bei der U20-Weltmeisterschaft Bronze mit der Mixed-Staffel, im Einzel wurde sie Vierte. Ylvie durfte sich ihrerseits bereits U23-Italienmeisterin nennen, zudem lief sie im Europacup mehrfach in die Top Ten.

Warum nicht Biathlon?

Trotz der Erfolge ist der Weg an die Spitze kein leichter. Ylvie Folie hat noch keinen Fixplatz in einer Sportgruppe – und somit kein festes Gehalt. „Für mich sind Sponsoren und das Nationalteam enorm wichtig. Sie bieten mir die einzige Möglichkeit, wirklich professionell zu trainieren“, erklärt sie. In der Tat sind beide Schwestern diesen Sommer in die Auswahl „Milano Cortina 2026“ aufgestiegen. Allerdings erklärt Ylvie: „Das ist im Grunde die B-Nationalmannschaft. Wir haben zwar eine theoretische Chance auf Olympia, aber 2026 kommt wohl noch zu früh.“

Marit Folie geht unbeirrt ihren Weg nach oben.

Marit Folie geht unbeirrt ihren Weg nach oben.


Dennoch bleiben Olympische Spiele als Fernziel fest im Blick. Marit will sich kommenden Winter über die U23-Weltmeisterschaft für größere Bühnen empfehlen, Ylvie peilt im November Spitzenplätze im Italienpokal an, um sich für den Europacup und schließlich den Weltcup zu qualifizieren. „Wenn ich in Form bin, ist das diesen Winter machbar“, sagt sie selbstbewusst. Der Konkurrenzkampf im Kader der Azzurre ist groß – aber das schreckt die Folies nicht ab, sie wollen sich mit ihrer Entschlossenheit durchbeißen.
„Wir sind Langläuferinnen aus Überzeugung!“ Marit Folie

Ein Thema, das beide auf ihrem sportlichen Weg beschäftigt, ist die öffentliche Wahrnehmung ihres Sports. „Oft fragen uns die Leute im Dorf, was wir denn sonst so machen – als wäre Langlauf kein Beruf“, sagt Marit. Ein Wechsel zum populäreren Biathlon? „Klar, Biathlon hat hierzulande starke Zugpferde, das Schießen macht es fürs Fernsehen spannender, an den Rennorten wird Drumherum mehr geboten. Da muss Langlauf aufholen“, meint Ylvie. Beide probierten sich früher mal am Schießstand, fanden aber nie wirklich Zugang: „Wir sind Langläuferinnen aus Überzeugung!“, prescht Marit mit einem Lächeln auf den Lippen vor.

Ihre Mama verunglückte, während sie Rennen liefen

Diese Überzeugung wurde durch ein Schicksal geprägt, das ihr Leben veränderte. Am Vormittag des 2. April 2023 kamen ihre Mutter Verena und eine weitere Person bei einem Lawinenunglück unterhalb der Tiergartenspitze in Langtaufers ums Leben, zeitgleich starteten die Töchter bei der Italienmeisterschaft in Toblach, Ylvie gewann sogar Silber im Jugend-Teamsprint. Eine Siegerehrung sollte es aber nicht geben. „Normalerweise ist beim letzten Saisonrennen alles euphorisch, da wird schon die Abschlussfeier geplant. Doch an diesem Tag war die Stimmung plötzlich seltsam gedämpft, als wir ins Ziel kamen“, erinnert sich Marit. Vorort hatten alle vom Unglück im Vinschgau gehört, die Notfallseelsorge wartete bereits. „Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen.“ Das traurige Ereignis hat die beiden, zwei weitere Geschwister und ihren Vater eng zusammenrücken lassen.
„Wir wollen auch andere zum Weitermachen motivieren.“ Ylvie Folie

Einen Monat später standen sie mit einem Überlebenden des Unglücks am Lawinenkegel, als Teil der Aufarbeitung. „Diese dauert im Grunde bis heute. Aber wir möchten offen darüber sprechen und damit auch anderen, die ähnliche tragische Vorfälle erleben mussten, zum Weitermachen motivieren“, sagt Ylvie Folie mit fester Stimme. Der Tod ihrer damals erst 46 Jahre alten Mama habe gezeigt, dass das Leben unberechenbar ist und man jeden Augenblick schätzen muss, ergänzt Marit. „Wichtig ist, dass du in deinem Leben das machst, was dir gefällt. Und das ist bei uns der Langlaufsport.“

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