Der Südtirol-Bezug der Federica Brignone

Dann war sie viele Jahre lang Skisportjournalistin und schlich sich auf Umwegen in die sogenannte Mixed Zone, um den Weg zur Tochter abzukürzen und nicht noch länger &bdquo;draußen“ warten zu müssen. Anstatt sich weinend in die Arme zu fallen, analysierten Mama und Tochter sofort das Rennen– und diskutierten über die vergebenen Hundertstel und Zehntel, um es nächstes Mal noch besser zu machen. Typisch Brignone. Dabei war es ein völlig untypischer Skiweg, den sie ging.

Okay, das Skitalent wurde ihr nicht nur von der Mama, sondern auch von Vater Daniele, ihrem ersten Skitrainer, in die Wiege gelegt. Zur Welt kam Fede in Mailand, übersiedelte aber schon als kleines Kind nach La Salle im Aostatal, wo sie fern von städtischer Hektik mit ihrem 3 Jahre jüngeren Bruder Davide aufwuchs. Beide gingen nicht den &bdquo;typischen“ Ausbildungsweg mit Skiklub und intensivem Training, sondern waren mehr Freigeister. &bdquo;Erst als ich 15 Jahre alt war, ging ich auch zum Sommertraining. Vorher war ich lieber abseits der Pisten unterwegs“, meinte sie gestern. Während ihre Karriere von da an rasant Fahrt aufnahm und sie mit nur 20 Jahren in Garmisch 2011 WM-Silber im Riesentorlauf holte, beendete Bruder Davide mit 23 Jahren seine Europacup-Karriere. Es war seine Schwester, die ihn dazu animierte, sie ab Neujahr 2017 im Weltcup zu begleiten.

Brignone gilt als Everbodys Darling. © APA/afp / FABRICE COFFRINI

Anfangs war er als privater &bdquo;Fede-Berater“ nicht willkommen im Trainer- und Betreuerstab der &bdquo;Azzurri“. Die ersten 18 Monate war Davide gezwungen, sich abseits vom Team eine Unterkunft zu suchen, die nötigen Akkreditierungen aufzutreiben und erarbeitete sich erst mit Fortdauer die nötige Akzeptanz. Es dauerte, bis Bruder Brignone voll anerkannt war, mittlerweile ist er längst voll integrierter Nationalcoach. Davide war es auch, der aus dem einstigen Riesentalent Federica Brignone, das sich zunächst mit sporadischen Siegen und Top-Platzierungen zufrieden gab, eine Gesamt-Weltcupsiegerin machte (2020). Das gibt sie selber zu: &bdquo;Davide war es, der mich immer wieder angespornt, angeschubst und auch angeschrien hat, wenn ich einmal locker lassen wollte oder rumzickte. Er hat mir immer den Glauben und das Gefühl gegeben, dass ich es schaffen kann. Seine Hartnäckigkeit, sein Ehrgeiz haben mich angesteckt.“

Gute Freundinnen in Südtirol Mit Erfolg. Aktuell hält Brignone bei 5 Kristallkugeln (eine große, 4 kleine) und ist auf dem besten Wege, heuer zum 2. Mal die große Kugel zu gewinnen. Dass sie nun, im Alter von 34 Jahren, besser denn je ist, hat auch mit Südtirol, besser gesagt mit dem Vinschgau zu tun. Ihre ehemalige Teamkollegin Lisa Agerer, die frühere Konditrainerin Michaela Abart und Physio Seraina Pazeller zählen zu ihren besten Freundinnen, und wann immer es geht, werden gemeinsame Kurz-Urlaube, Törggelepartien oder auch nur spontane Treffen ausgemacht. Da sind meistens auch Denise Karbon, Nicole Gius und Michaela Mölgg dabei. Das ist der Grund, warum Fede Brignone bei TV-Interviews auch in deutscher Sprache mehr als nur kompetent antworten kann.

Mit dem 2. WM-Titel nach Kombi-Gold 2023 in Meribel hält die 34-Jährige nun bei 5 WM-Medaillen. Dass sie den Titel in 2 Jahren in Crans Montana verteidigen will, schließt sie nicht aus. &bdquo;Mir gefällt diese Startnummer, auf der keine Ziffer drauf steht, sondern nur World Champion. Sie im Haus unbenutzt herum liegen zu lassen, wäre schade. Aber Spaß beiseite – ich kann nicht sagen, ob ich in 2 Jahren noch Skirennfahrerin bin.“ Mit dem, was sie gestern zeigte, wäre es geradezu fahrlässig, die Karriere nicht fortzusetzen. Denn das war nicht Damen-Skirennsport, sondern das war Riesentorlauf von einem anderen Stern.

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