Der Wedler zwischen Torstangen und dem Gericht

Seit 47 Jahren übt der 72-Jährige den Beruf als Rechtsanwalt aus und hat sich vor allem als Verteidiger im Strafrecht nicht nur in Südtirol, sondern auch in Sizilien einen ganz großen Namen gemacht. Seine berühmtesten Fälle füllen seit Jahrzehnten die Zeitungsseiten. Egal, ob Gabriel D’Alessandro, Alexander Dander, Cleto Tolpeit, Hubert Wieser oder in den letzten Wochen Benno Neumair: Flavio Moccia stand ihnen als Verteidiger zur Seite. Passionierter Sportler Dies ist aber nur die eine Seite des drahtigen Mannes, der wie ein Wirbelwind durch seine Kanzlei am Bozner Siegesplatz fegt. Die andere ist jene des begeisterten Skirennfahrers, der für sein Leben gerne Master-Rennen bestreitet und obendrein mehrfacher Ski-Weltmeister der Advokaten ist. &bdquo;Schreiben Sie, dass ich in meiner Altersklasse gewinne. Der Schnellste des gesamten Teilnehmerfeldes war ich nur einmal, das war Ende der 1990-er-Jahre bei der WM in Metsovo, dem einzigen Skigebiet in Griechenland.“

Macht auch im Slalom eine gute Figur: Flavio Moccia (72).

In Moccias Anwaltsbüro steht in einer Ecke sein Golfschläger samt Bällen (&bdquo;Golf spiele ich nicht mehr, das ist mir zu zeitaufwendig“). Erinnerungsfotos vom Skifahren gibt es nur vereinzelt, die meisten sind hinter irgendwelchen Akten versteckt. Nur eine beeindruckende Anzahl von Pokalen und Medaillen auf den imposanten Archiv-Kästen lassen darauf schließen, dass Flavio Moccia seine Trophäen nicht im Keller verstauben lässt.

Dann &bdquo;wuzelt“ er sich eine Zigarette, fängt an zu ziehen, lässt das quasi ununterbrochene Telefongeläute stoisch über sich ergehen und schlüpft für einmal nicht in die Rolle des Anwalt-Fragenstellers, sondern in jene des Athleten-Beantworters.

Wie kamen Sie zum Skisport?

&bdquo; Dazu gebracht hat mich meine Mama, die sportbegeistert war. Sie brachte mich zum Skifahren, obwohl ich als Jugendlicher noch nicht so extrem begeistert davon war. Als ich mit 26 Jahren eine Familie gründete und meine 4 Kinder alt genug waren, hat es mich gepackt. Anstatt während des Skikurses auf sie zu warten, habe ich selber begonnen, mitzutrainieren. Sie fuhren für den SC Rosengarten, und ich war bei allen Kinderrennen mit dabei. Während mit zunehmendem Alter meine Kinder aus Studien- oder Verletzungsgründen andere Wege einschlugen, habe ich mit anderen Advokaten, Unternehmern und Freunden vor 40 Jahren eine Trainingsgruppe gegründet. Wir hießen sie die Putzer-Gruppe. Trainer war von Beginn an Adolf Putzer aus Welschnofen, der Vater von Karen Putzer. Seit 8 Jahren trainieren wir auch mit Raimund Plancker, dem Trainer der italienischen Herren-Nationalmannschaft, sofern er Zeit hat. Die meiste Zeit ist aber Cinzia Valt-Dejori unsere Trainerin.“

Wie können Sie Ihren Beruf als Anwalt mit der Leidenschaft des Skirennfahrens vereinbaren?

&bdquo; Ich mache rund 150 Prozesse im Jahr. Ich bin mit 72 von meiner Arbeit noch gleich begeistert wie am ersten Tag. Dabei wäre ich seit 5 Jahren in Pension. Das Skifahren hat aber einen fixen Platz in meinem Wochenplan. Ich komme auf rund 50 Skitage pro Jahr, wobei mir das Training mehr Spaß macht als die Skirennen. Im Winter ist einmal wöchentlich Skitraining Pflicht, meistens am Karerpass am Vormittag. Ich schöpfe Kraft daraus, um 6 Uhr aufzustehen, das ganze Skizeug zusammen zu suchen, mich ins Auto zu setzen und zum Skitraining zu fahren. Ich ziehe mich im Lifthäuschen beim Paolina-Sessellift um, lasse meistens das weiße Hemd und die Krawatte unter dem Rennanzug an, um beim Umziehen vor dem Zurückfahren ins Bozner Gericht Zeit zu sparen.“

Ist es gewohnt, im Blitzlichtgewitter zu stehen: Strafverteidiger Flavio Moccia. © Andreas Kemenater

Braucht es nicht große Disziplin und Überwindung, dieses Hin und Her zu bewältigen?

&bdquo; Mental bin ich 24 Stunden am Tag mit meinen Gedanken bei irgendwelchen Prozessen. Die einzige Minute, wo ich nicht an meine Arbeit denke, ist während der Fahrt durch den Riesentorlauf beim Training oder beim Rennen selber. Da muss ich abschalten, mich auf meinen Lauf konzentrieren, da zählt nichts anderes. Nicht umsonst gibt es das Sprichwort &bdquo;mens sana in corpore sano“ (ein gesunder Geist in einem gesunden Körper, Anm. d. Red.). Das hilft mir für meine Arbeit. Beim Skifahren bin ich an der frischen Luft, mein Körper muss auf Hochleistung arbeiten. Und dann ist da die komplett andere Welt, im Gerichtssaal mit Richtern, Staatsanwälten, Zeugen, den Medien usw. über Schuld oder Nichtschuld meiner Klienten zu diskutieren. Dieser Mix ist für mich das ständige Highlight, und nicht am Schwimmbad eines Luxushotels zu liegen und Champagner zu schlürfen.“ &bdquo;Die einzige Minute, wo ich nicht an meine Arbeit am Gericht denke, ist zwischen den Torstangen.“ Flavio Moccia Wie steht es um Ihre athletische Vorbereitung?

&bdquo;(lacht) Das ist mein großes Problem. Das Athletiktraining langweilt mich. Ich hasse das Training auf dem Rad. Es ist mir zu eintönig. Normal müsste ich 3000 oder 4000 Rad-Kilometer machen, ich mache höchstens 300. Seit etwas mehr als einem Jahr trainiere ich per Videokonferenz zu Mittag eine Stunde. Einmal die Woche, mehr schaffe ich nicht.“

Hat Sie der Skirennsport für’s Leben geprägt?

&bdquo;Ja natürlich. Für mich haben sich völlig neue Horizonte aufgetan. Ich bin draußen auf den Bergen, kenne alle Skigebiete in Europa, war in Kanada und in den USA. Der Master-Rennsport ist meine Welt Was aber nicht heißt, dass die Welt am Gericht nicht meine Welt ist. Aber: Das Zusammensein nach den Rennen, die Diskussionen über die eigene Leistung, bei einem Glasl Wein und einer Hamme Speck, da sauge ich extrem viel Kraft heraus.“

" data-fancybox="inline-76282" target="_image" href="https://s3-images.sportnews.bz/_images/scale/1280x1280/img/2021/04/ist-seit-jahrzehnten-stammfahrer-beim-master-suedtirolcup-flavio-mocciaze.jpg"> Ist seit Jahrzehnten Stammfahrer beim Master-Südtirolcup: Flavio Moccia.

Sie sind jetzt 72 Jahre alt. Wie lange wollen Sie noch Vollgas geben?

&bdquo;Ich sehe kein Limit. Wo ich aufpassen muss, ist die athletische Verfassung. Ich bin durch meine berufliche Tätigkeit sehr stark eingespannt, deshalb kann ich bis auf die eine Stunde Trockentraining pro Woche nicht mehr machen. Im Sommer fahre ich gerne Wasserski, entweder am Gardasee oder in Sizilien, wo ich ein Haus habe und in der Früh auf dem glatten Wasser perfekt trainieren kann. Aber wie schon erwähnt ist mir Trockentraining zu langweilig. Ein Minimum ist jedoch notwendig, weil ich ansonsten riskiere, zu stürzen und mich zu verletzen. Ich kann es mir nicht leisten, wegen eines gebrochenen Beins oder eines gerissenen Kreuzbandes nicht im Gerichtssaal zu stehen. Ich bin der Anwalt der Angeklagten, und als solcher kann ich nicht ausfallen, weil es kein anderer machen könnte. Ich fahre mit einer gewissen Vorsicht Ski. Das wirkt sich natürlich auch auf meine sportliche Performance aus. Risiko ist bei mir nur bis zu einem gewissen Grad möglich.“ &bdquo;Am Schwimmbad eines Luxushotels zu liegen und Champagner zu schlürfen, ist nicht mein Ding.“ Flavio Moccia Sie arbeiten auch regelmäßig bei Strafprozessen in Sizilien. Warum eigentlich?

&bdquo;Rund 5 Tage pro Monat verbringe ich dort. Seit etwas mehr als 10 Jahren habe ich mich dort etabliert. Mein ehemaliger Sozius Enzo Fragalá wurde 2010 unter dubiosen Umständen zu Tode geprügelt. Das hat damals für viel Aufsehen gesorgt. Auf Sizilien haben die Straftaten ganz andere Dimensionen als hier in Südtirol. Entsprechend herausragend ist die Qualität der Richter, der Staatsanwälte und der Anwälte. Ich hatte einfach Glück, dass ich mich trotz allem fest- und durchbeißen konnte.“

Letzte Frage: Was sagen Sie zur Affäre um Alex Schwazer, dass es mit seiner Begnadigung vor dem Sportgericht nicht so recht weitergeht? &bdquo;Ich verfolge den Fall, weil ich ja Gottlieb Taschler in der vermeintlichen Dopinggeschichte mit seinem Sohn Daniel und Sportarzt Michele Ferrari vertreten habe, der wiederum mit Schwazer in Verbindung gebracht wurde (sie endete mit einem vollen Freispruch vor dem Kassationsgericht, Anm. d. Red.). Ich bin überzeugt, dass Alex ganz übel mitgespielt wurde; und das auf allerhöchster Ebene. Keine Ahnung, aus welchen Gründen auch immer, ob politisch, ob wirtschaftlich oder einfach, um ein Exempel an ihm zu statuieren. Ich bin überzeugt davon, dass wir Alex bei den Olympischen Spielen in Tokio im Sommer 2021 am Start sehen werden. Gerhard Brandstätter ist ein Top-Anwalt, er muss und wird es hinbekommen, dass Alex Schwazer dort starten kann.“ Flavio Moccia im Porträt Geboren: 24. Jänner 1949 in Bozen

Wohnort: Bozen

Beruf: Rechtsanwalt, spezialisiert auf Strafrecht, Kanzleien in Bozen und in Menfi (Sizilien)

Hobbys: Ski, Wasserski, Autos (Sieger des Porsche-Cups – Kombination Gleichmäßigkeitsprüfung mit Porsche und Riesentorlauf), hatte den Flug-Führerschein, Golf

Besonderes: Flavio Moccias Vater stammt aus Avellino, seine Mama aus Venedig, sie übersiedelten im Jahr 1948 nach Bozen, wo Flavio Moccia im Jänner 1949 zur Welt kam. Vom Juni bis Dezember 2006 war unter der Leitung des damaligen FISI-Präsidenten Gaetano Coppi im nationalen FISI-Vorstand vertreten, ehe Coppi vorzeitig zurücktreten musste.

Sportliche Erfolge: Mehrfacher Skiweltmeister der Rechtsanwälte in seiner Altersklasse; regelmäßiger Teilnehmer an der Master-Ski-WM und am –Raffeisencup in Südtirol.

Wintersport

Fußball

Italien

Internationale Ligen

International

Eishockey

Internationale Ligen

Tennis

Weitere Sportarten

Motorsport

Radsport

Wassersport

Events

Favoriten

Der Wedler zwischen Torstangen und dem Gericht

Empfehlungen

Kommentare (0)