Der Wintersport am Scheideweg

Wie ist das als Spitzensportler im Winter, wenn schon im Juni irgendwo die ersten Schwünge in schneesicheren Regionen absolviert werden müssen, damit man bereits Ende Oktober auf einem Gletscher, dem Rettenbachferner im Ötztal, ein Rennen absolvieren kann? Rein in die Schraubstöcke für die Füße, gerne auch Skischuhe genannt und dann in die Bindung der Skier. Rauf auf den Berg und mit leichten Schwüngen durch die ersten Tore. Hurra, das schöne Gefühl des sanften Fliegens über kompakten Schneekristallen stellt sich schnell wieder ein. Es ist wie ein kurzer Rausch. Es ist das so sehr geliebte Leben.

Wer keinen Schnee hat, fetzt, vornehmlich als Ausdauersportler, zunächst über von der Sonne klirrende und wie Spiegel schillernde Asphaltbänder. Es ist ein dem Langlauf ähnliches Gefühl des sanften und doch auch druckvollen Dahingleitens. Aber es ist nicht so wie auf Langlaufskiern mit direktem Kontakt zum Schnee. Das bestätigt jeder Biathlet oder jede Langläuferin. Die Trainingsarbeit für den kommenden Winter hat begonnen. Aber zurück zur Kernfrage: Wie also ist das so als Spitzensportler? Wegen Wassermangels geschlossen Vornehmlich mit den Gedanken über die Zukunft, sogar des gesamten Wintersports, wenn etwa aus der Dusche, die dem verschwitzten Körper Entspannung bieten sollte, nur noch ein paar Tropfen Wasser die Kopfhaut erreichen. Die Massage mit der Wasserdüse im Whirlpool fällt auch flach. &bdquo;Wegen Wassermangels geschlossen.“ Das Schild beim Eingang des Wellnessbereiches im Hotel wirkt dann doch etwas befremdlich. Ist es schon der Beginn der Apokalypse?

In Sölden wird schon im Oktober ein Ski-Weltcup ausgetragen. © APA / EXPA/JOHANN GRODER

Das schöne Gefühl eines an sich erfüllten Tages mit gezielten Trainingsschwerpunkten weicht Sorgen, die unverhofft tiefer gehen, als normal, denn auch am nächsten Tag funktioniert die Dusche nicht richtig. Man springt von einem Wassertropfen zum anderen. Und dann erreichen die Nachrichten einer möglichen beginnenden Zeitenwende auch die Skistars nach dem Abendessen vor dem Fernsehgerät: &bdquo;Kaum noch Wasser im Lago Maggiore. Der Po in Oberitalien ist nur noch ein Rinnsal. Die Ernten sind in Gefahr.“ Kann man das alles glauben? Es ist doch so schön in den Bergen. Alles ist grün. Doch diese Farbe in den Gletscherregionen ist eher als giftgrün zu bezeichnen. Berge ohne glitzerndes Weiß sind dem Untergang geweiht. Die Sommer sollen schön und heiß sein Im vergangenen Jahr sind wieder viele Gletscher verschwunden. Und es hat zudem auch noch extrem wenig geschneit, was jetzt unter anderem zur Wasserknappheit führt. Kühle und regenreiche Sommer wären notwendig, um den fortlaufenden Gletscherverlust zu stoppen. Doch das will ja auch niemand. Die Sommer sollen schön sein und heiß. Sonnencreme Faktor 30. Mindestens. Natürlich tangiert das die jetzt tätigen Aktiven des so populären Wintersports in Europa momentan nicht. Wäre ja noch schöner. Denn wohin der Ski-Tross auch zieht stehen feine Pisten zur Verfügung. Vom Start bis ins Ziel. Sauber präpariert, bestens geeignet für spannende Wettkämpfe.

Immer höher, immer weiter: Auch heuer gibt es etliche Ski-Rennen im Kalender. © AFP / SEBASTIEN BOZON

In Europa und in den USA, wo die Ski-Elite in der nächsten Saison gleich zweimal Station macht, was an sich ja schon ein Frevel ist. Doch es passt, denn alles ist nur noch großes Theater. Eine künstlich am Leben gehaltene Sause, gespeist mit Wasser aus künstlich angelegten Speicherseen und als sogenannter Kunstschnee dann mit Kanonen auf die Almwiesen gelegt und festgestampft mit schweren Maschinen. Es ist angerichtet.

Der Vernagtferner im Tiroler Ötztal hat in den vergangenen 150 Jahren zwei Drittel seiner Eismasse eingebüßt. Das ist nur ein Beispiel. Die Folgen sind fatal: Mit dem Fehlen der Gletscher verändert sich die Geologie in den Bergen. Skihütten oder auch Skiliftbauten, die früher auf dauerhaft vereistem Gelände standen, können ins Rutschen geraten. Ehemals zauberhafte Gletschertäler verwandeln sich in Geröllwüsten. Die Artenvielfalt schrumpft. Und doch gibt es kaum ein Umdenken, vermutlich ist die Zeitspanne, in der die dramatischen Veränderungen in unseren Bergen passieren, zu groß. 150 Jahre sind eben zwei Menschenleben. Die Katastrophe rückt näher Doch nun rückt die Katastrophe immer näher und sie berührt uns direkter und beeinflusst unser Leben einschneidender als je zuvor. Wir können nicht mehr in Saus und Braus leben. Auch der Sport muss dieser unumstößlichen Wahrheit bald mal ins Gesicht sehen. Immer weiter so, ohne Konsequenzen und stets bereit, die Natur austricksen zu wollen, wird sich irgendwann bitter rächen.

Doch die Terminkalender sind wieder einmal proppenvoll. Und wer eben nicht in der Lage ist, der Klimaerwärmung mit teuren technischen Mitteln zu trotzen, wird kurzerhand aus dem Kreis der Veranstalter ausgestoßen. Der nächste wartet schon, denn es geht schließlich auch um viel Geld. Noch. Aber irgendwann wird man feststellen, dass der Nährwert des Geldes nicht sonderlich hoch ist. Doch ich fürchte, die Unvernunft der Menschen und ihre Gier werden den Sieg davontragen gegen Bedenkenträger und Mahner. Solange, bis aus der Dusche nicht mal mehr ein paar Wassertropfen kommen.

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Der Wintersport am Scheideweg

Die vorherrschende Wasserknappheit in vielen Ländern Europas lenkt die Gedanken unseres Kolumnisten Sigi Heinrich auf die möglichen immer größer werdenden Probleme im Winter und damit verbunden auch auf den Sport in unseren Bergen.

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