Ein Mythos wird 50: Die „Valanga Azzurra“

Sieger wurde Piero Gros, Zweiter Gustav Thöni, Dritter Erwin Stricker. Dahinter verfehlte Helmuth Schmalzl als Vierter das Podest, und Tino Pietrogiovanna komplettierte das Meisterstück als Fünfter mit der hohen Startnummer 43. Dieser grandiose Mannschaftserfolg bei den &bdquo;Azzurri“ ist bis heute in einem Weltcup-Riesentorlauf der Herren unerreicht und ging in die internationale Skigeschichte ein.

Steilvorlage der Österreicher Anfang der 1970-er-Jahre ist die italienische Herren-Nationalmannschaft das erfolgreichste Ski-Team der Welt: Angeführt vom &bdquo;Campionissimo“ Gustav Thöni, der 1971, 1972 und 1973 bereits den Gesamtweltcup gewinnt, platzieren sich regelmäßig mehrere Athleten unter den besten 10.

Beim letzten Slalom vor der Weihnachtspause 1973 dominieren in Saalbach jedoch die Österreicher: Auf einer Neuschneepiste holen sie sich die ersten 4 Plätze und lassen den Rest der Welt hinter sich: Es gewinnt Hubert Berchtold vor Thomas Hauser, an 3. Stelle platziert sich der aufstrebende Publikumsliebling Hansi Hinterseer, während Abfahrtskönig Franz Klammer auch seine Slalomqualitäten beweist und Vierter wird. Erst dann folgt mit 2,56 Sekunden Rückstand Piero Gros als Bester der &bdquo;Azzurri“, weit abgeschlagen folgen die anderen Fahrer, Gustav Thöni kommt gar nicht unter die Top 10.

Nach dieser Niederlage kommen in der italienischen Mannschaft Selbstzweifel auf: Was ist da los? Haben die Österreicher besser trainiert oder gar das bessere Material? Kriselt es im Team? Cheftrainer Oreste Peccedi, der für die jungen Athleten wie ein Vater ist und oft auch hart durchgreifen muss, motiviert seine jungen Fahrer: &bdquo;Beim nächsten Rennen seid ihr wieder dran! Aber zuerst fahrt nach Hause in die Weihnachtsferien, um abzuschalten.“

In der Mannschaft ist die Lust auf eine Revanche so groß wie nie zuvor und alle fahren zum ersten Rennen im neuen Jahr 1974 nach Berchtesgaden, um zu gewinnen.

Der 1. Durchgang: Eine gute Ausgangsposition Dort wird der 1. Durchgang ausgerechnet von Peccedi gesteckt: Der Lauf ist rund und schnell, vielleicht ein kleiner Vorteil für seine Schützlinge. Aber letztendlich muss jeder Rennfahrer selbst so schnell wie möglich die steile, eineinhalb Kilometer lange Piste mit einem Höhenunterschied von 320 Metern und die 43 Tore meistern. Die Nerven liegen blank, blank und eisig ist auch die Piste – so wie es den &bdquo;Azzurri“ gefällt. Bereits im 1. Durchgang zeigen sie, was sie draufhaben: Piero Gros fährt Bestzeit in 58,96 Sekunden, gleich hinter ihm klassiert sich Gustav Thöni (59,86), Dritter ist Helmuth Schmalzl mit bereits 1,54 Sekunden Rückstand. Dann erst kommen die Athleten der anderen Nationen: Deutschland mit Max Rieger, Norwegen mit Erik Håker, Österreich mit Josef Pechtl und die Schweiz mit Engelhard Pargätzi.

Der 2. Durchgang: Gelingt die Revanche? Der deutsche Trainer Kuno Messmann steckt den 2. Lauf, dieser ist eckiger, weniger schnell und scheint schwieriger. Doch davon lassen sich die &bdquo;Azzurri“ nicht beeindrucken, sie wollen auch im 2. Durchgang auftrumpfen: Mit seinem draufgängerischen Stil fährt Piero Gros erneut ein fehlerfreies Rennen und holt sich den Sieg. Gustav Thöni verpatzt den Start, mit seiner eleganten und präzisen Fahrweise kann er aber die schwierigen Tore mit großer Wendigkeit passieren, er fährt auf der schwierigen Strecke ein tolles Rennen und holt sich Rang 2. Der Kampf um Platz 3 wird spannend: Helmuth Schmalzl, dem eleganten Stilisten aus Gröden, gelingt kein optimaler 2. Lauf, er macht einige Fehler und wird schließlich Vierter, da er von seinem Teamkollegen Erwin Stricker überholt wird. Stricker, der im ersten Lauf auf dem scheinbar aussichtslosen 14. Platz liegt, fährt ein verwegenes Rennen und &bdquo;fliegt“ durch die Torstangen auf den 3. Platz.

Der 5. Mann geht mit Startnummer 43 ins Rennen Dann startet noch Tino Pietrogiovanna. Er ist mit der hohen Startnummer 43 im 1. Durchgang wie durch ein Wunder auf löchriger Piste noch auf Platz 17 gelandet. Pietrogiovanna hat am Start mitbekommen, dass seinen 4 Teamkollegen ein super Rennen gelungen ist. Jetzt ist er dran, er hat nichts zu verlieren und fährt die 43 Tore mit vollem Risiko – und wird Fünfter. Die Freude im Team der &bdquo;Azzurri“ ist riesig: Ein 4. oder 5. Platz ist oft undankbar, aber in diesem Falle wird gerade wegen dieser Ränge etwas Einmaliges für die Ski-Geschichtsbücher geschaffen: 5 Athleten einer Mannschaft auf den ersten 5 Plätzen – so etwas hatte es in der Skigeschichte bis dahin noch nie gegeben.

giovanna." data-fancybox="inline-196909" target="_image" href="https://s3-images.sportnews.bz/_images/scale/1280x1280/img/2024/02/die-glorreichen-5-vom-7-jaenner-1974-beim-riesentorlauf-in-berchtesgaden-von-links-sieger-piero-gros-der-zweitplatzierte-gustav-thoeni.jpg"> giovanna." class="uk-img-preserve" src="https://s3-images.sportnews.bz/_images/scale/1280x850/img/2024/02/die-glorreichen-5-vom-7-jaenner-1974-beim-riesentorlauf-in-berchtesgaden-von-links-sieger-piero-gros-der-zweitplatzierte-gustav-thoeni.jpg" /> „Die glorreichen 5“ vom 7. Jänner 1974 beim Riesentorlauf in Berchtesgaden: Von links Sieger Piero Gros, der zweitplatzierte Gustav Thöni, Erwin Stricker (3.), Helmuth Schmalzl (4.) und der fünftplatzierte Tino Pietro giovanna.

Erst am 21. Dezember 1998 schaffen die Österreicher im Super-G am Patscherkofel/Innsbruck einen unglaublichen Neunfach-Erfolg.

In einem Riesentorlauf ist der Fünffach-Erfolg von Berchtesgaden 1974 aber noch immer Weltrekord. Dahinter schaffte Österreich bei den Herren immerhin 4 Mal einen Vierfachsieg, zuletzt 1998 in Sölden. Bei den Damen schafften Frankreich am 8. Jänner 1971 in Oberstaufen einen Fünffach-Sieg im Riesentorlauf.

Der Mythos &bdquo;Valanga Azzurra“ entsteht Leider war das italienische Fernsehen an jenem 7. Jänner 1974 in Berchtesgaden nicht präsent, so gab es vom Rennen keine Übertragung nach Italien oder Südtirol. Die breite Öffentlichkeit erfährt erst am Tag danach von diesem historischen Ergebnis. In der Pressekonferenz nach dem Rennen vergleicht Cheftrainer Mario Cotelli seine Schützlinge mit &bdquo;rollenden Schneebällen, die zur Lawine wurden“. Die italienischen Printmedien sind euphorisch, so titelt die &bdquo;Gazzetta dello Sport“: &bdquo;Cinque azzurri in fila. Fantastico!“

Die wichtigste italienische Tageszeitung, der &bdquo;Corriere della Sera“ schreibt: &bdquo;Sulla Coppa del Mondo di Sci è scesa la valanga azzurra.“

Der Mythos der &bdquo;azurblauen Lawine“ ist geboren, denn auch nach Berchtesgaden hält die Erfolgsserie der damals besten Skimannschaft der Welt an und die Skiszene spricht von der &bdquo;Valanga Azzurra“.

Die &bdquo;Valanga Azzurra“ feiert in Trafoi Um an dieses geschichtsträchtige Rennen und an die mythischen Jahre der &bdquo;Valanga Azzurra“ zu erinnern, luden die Tochter von Gustav Thöni, Petra Maria Thöni und ihr Ehemann Stephan Gander die damaligen Protagonisten der azurblauen Lawine ins Hotel Bella Vista nach Trafoi. Es war ein magisches Wiedersehen von Ski-Champions, die immer Freunde waren und Freunde geblieben sind. Allen voran die &bdquo;glorreichen 5“ – Piero Gros, Gustav Thöni, Erwin Stricker (der viel zu früh verstorbene Tausendsassa war durch seine Ehefrau Linda Stricker präsent), Helmuth Schmalzl und Tino Pietrogiovanna.

Ein besonderes Geschenk zum Jubiläum lieferte die staatliche TV-Anstalt RAI: In den Archiven des Österreichischen-Fernsehens wurden die verschollen geglaubten Filmaufnahmen von 1974 entdeckt. Pünktlich zum Jubiläum waren sie da, in prachtvoller Schönheit konnte das legendäre Berchtesgaden-Rennen der &bdquo;Valanga Azzurra“ bewundert werden, das von Paolo De Chiesa (TV-Moderator und selbst Skilegende) gekonnt und hochemotional kommentiert wurde.

Sogar der 90-jährige Sportjournalist Massimo Di Marco, der damals den Weltcup für die &bdquo;Gazzetta dello Sport“ verfolgt hatte, ließ es sich nicht nehmen, nach Trafoi zu kommen. Er meinte: &bdquo;Ich wollte meine Lieblinge alle noch einmal wiedersehen und umarmen.“

Auch das italienische Ski-Idol Alberto Tomba, der den Großteil seiner Karriere Gustav Thöni als Trainer an seiner Seite hatte, kam als Überraschungsgast. &bdquo;Als Kind war &bdquo;Gust“ (Gustav Thöni) mein Vorbild. Ich wollte Ski fahren wie er, dann wurde er mein Trainer und wir waren zusammen ein dream team“, erzählte Tomba und ergänzte: &bdquo;Es freut mich, dass ich mit diesen Legenden mitfeiern darf, hoffentlich ist die nächste Feier nicht erst wieder in 50 Jahren!“

&bdquo;Valanga Azzurra“ prägt auch WM 1974 in St. Moritz Die &bdquo;Valanga Azzurra“ hat sich schließlich auch auf die Ski-Weltmeisterschaften 1974 von St. Moritz &bdquo;ergossen“. Vor den Augen Tausender aus Südtirol angereisten Fans wurde Gustav Thöni Doppel-Weltmeister: Im Riesentorlauf holte er sich am 5. Februar 1974 auf der Corvatsch-Piste WM-Gold vor Hansi Hinterseer (+ 0,92 zurück), Piero Gros landete auf Platz 3 (+ 0,99), Helmuth Schmalzl wurde mit dem Respektabstand von 2,45 Sekunden Vierter, Erwin Stricker immerhin 6. (+ 3,67).

5 Tage später schrieb Gustav Thöni eines seiner größten Skikapitel: In einem denkwürdigen WM-Slalom verbesserte er sich mit einer Fabelleistung im 2. Durchgang noch vom 8. auf den Weltmeister-Platz vor und kürte sich damit zum WM-König von St. Moritz.

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