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Vivien Insam verabschiedet sich von der Ski-Bühne.

„Es schmerzt sehr“: Der Ski-Abschied einer Südtirolerin

Einst zählte sie zu den größten heimischen Ski-Talenten, im April beendete sie aber mit nur 27 Jahren ihre Karriere. Im Interview mit SportNews spricht Vivien Insam über die Gründe für ihre drastische Entscheidung, legt offen, wie schwer die letzten Saisonen waren, und blickt zugleich in die Zukunft.

Von:
Leo Holzknecht

Um eine erfolgreiche Sportlerkarriere zu starten, sind Talent, Ehrgeiz und vor allem Glück unabdingbar. Insam verfügte über die ersten zwei Eigenschaften – doch das Glück war oft nicht auf ihrer Seite. Sie riss sich bereits mit 17 Jahren das rechte Kreuzband, arbeitete sich jedoch zurück und feierte drei Jahre später ihr Weltcup-Debüt in Flachau. Exakt zwei Monate später, am 8. März 2018, lädierte sie sich auch das Kreuzband des linken Knies.


Die Verletzung warf Insam aus der Bahn, ans Aufgeben dachte sie aber nicht. Rund zwei Jahre später kehrte sie trotz vieler Hürden, die sie überspringen musste, in den Weltcup zurück. Der Durchbruch sollte der heute 27-Jährigen aber verwehrt bleiben – was angesichts ihrer schier unendlichen Leidensgeschichte nur allzu verständlich ist. Jetzt beginnt für Insam ein neues Kapitel – fernab der Skipisten.


Sie haben im Jänner 2018, mit nur 20 Jahren, im Weltcup debütiert. Kurz darauf verletzten Sie sich zum zweiten Mal am Kreuzband. Wie blicken Sie auf diese Zeit zurück?

„Das war ein harter Schlag, weil ich von der ersten Kreuzbandverletzung wusste, was mir in den kommenden Monaten bevorsteht. Es geschah beim Europacup in La Molina in Spanien. Ich bin sofort heimgeflogen und wurde an der Hochrum-Klinik operiert. Ich musste zwei Monate lang auf Krücken gehen und konnte das Bein kaum belasten. Da die Heilung des Meniskus viel Zeit in Anspruch nahm, hat der Prozess sehr lange gedauert. Aber ich hatte immer ein Ziel vor Augen: In den Weltcup zurückzukehren. Deshalb hat es an der Motivation nie gefehlt.“

Für Vivien Insam beginnt ein neuer Lebensabschnitt.


Zwei Jahre später, nach der Saison 2020, sind Sie aus der Nationalmannschaft geflogen. Wie waren die letzten fünf Jahre, in denen Sie sich alleine durchkämpfen mussten?

„Es ist eine große Organisation, die man selbst stemmen muss. Glücklicherweise hat mich meine Sportgruppe, die Polizei, immer unterstützt. In den ersten Jahren ist auch mein Vater oft zu den Rennen mitgefahren. Die Fahrten sind lang und alles ist sehr kosten- und zeitaufwendig. Es ist sicher nicht gerecht, aber unter dem Strich hat man keine andere Wahl. Und man macht es ja gern, weil es darum geht, Rennen zu fahren.“


Haben Sie während dieser fünf Jahre jemals die Freude am Skifahren verloren?

„Nein, die Lust aufs Skifahren ist immer geblieben. Vielmehr habe ich irgendwann genug von diesem Umfeld bekommen. Der Sport ist wunderschön. Wenn man sich aber in einer schwierigen Lage befindet – so wie ich in den letzten Jahren – kann es grausam sein. Vielleicht ist das auch meinem Charakter geschuldet, weil ich sensibel bin, mir die Dinge zu Herzen nehme.“
„Ich bin fünf Mal nach einem Rennen ohnmächtig geworden.“ Vivien Insam

Nach dem zweiten Kreuzbandriss wurden Sie von weiteren Verletzungen zurückgeworfen. In der abgelaufenen Saison war es schließlich das Pfeiffersche Drüsenfieber, das Ihnen zusetzte.

„Ja, genau. Ich hatte eigentlich eine gute Vorbereitung absolviert und fühlte mich in Form. Doch im Laufe des Winters bin ich fünf Mal nach einem Rennen ohnmächtig geworden. Einmal ist es sogar im Auto passiert. Ich habe nicht verstanden, wieso, ehe ich die Diagnose Pfeiffersches Drüsenfieber erhielt. Ab diesem Zeitpunkt musste ich auf meinen Körper hören. Ich konnte ein, zwei Tage trainieren, dann musste ich wieder eine Pause einlegen. So ist es schwer, Kontinuität zu bekommen. Ich hatte bis vor wenigen Wochen darunter zu leiden. Ein zweiwöchiger Urlaub in den USA hat mir diesbezüglich sehr gutgetan.“


Wann ist in Ihnen die Entscheidung gereift, mit dem Skifahren aufzuhören?

„Ich habe mir vor der Saison zum Ziel gesetzt, Europacup- und Weltcup-Rennen zu bestreiten. Sollte mir das nicht gelingen, war es das letzte Jahr. Nachdem ich bei den Europacup-Slaloms im Ahrntal schlecht gefahren bin, war der Winter quasi fertig. Es war ein schwieriger Moment. Ich habe mir Gedanken gemacht, wie ich mich in Szene setzen kann, damit die Trainer auf mich aufmerksam werden, damit sie mich für die Weltcup-Nominierungen berücksichtigen. Ich habe auf FIS-Niveau durchaus schöne Rennen bestritten – vor allem in Anbetracht meines Gesundheitszustandes. Aber ich habe gemerkt, dass der Zug abgefahren ist. Irgendwann verstand ich, dass es das war.“

Vivien Insam auf der Weltcup-Bühne. © Pentaphoto


Was war der Hauptgrund für Ihren Rücktritt?

„Es ist einfach unmöglich, diesen Sport professionell auszuüben, wenn man körperlich nicht bei 100 Prozent ist. In den letzten Jahren gab es immer etwas. So ist es sehr schwer, den Anschluss zu finden, um Resultate einzufahren. Mein Ziel war es immer, Weltcup-Rennen und nicht FIS-Rennen zu fahren, weil ich das Gefühl kenne, ganz oben mitzuspielen. In den letzten Jahren habe ich einen großen Druck verspürt, Ergebnisse liefern zu müssen, weil mir oft gesagt wurde, dass ich schon zu alt bin. Ich bin auch deshalb zum Entschluss gekommen, einen Schlussstrich zu ziehen – auch, wenn es sehr schmerzt.“


Welche Erinnerung war die schönste in all den Jahren?

„Es gab viele schöne Momente. Jedes erreichte Ziel hat eine große Genugtuung und Zufriedenheit beschert. An diese Augenblicke denkt man zurück. Der Mensch ist so gestrickt, dass er die schwierigen Momente vergisst und sich an die schönen erinnert. Einer davon ist mein Weltcup-Debüt in Flachau. Es war ein Kindheitstraum, der wahr geworden ist.“


Haben Sie schon eine Idee, wie Ihre Zukunft aussehen wird?

„Ich studiere online Sport und hoffe, im September meinen Bachelor zu machen. Danach will ich auch noch einen Master abschließen. Inzwischen habe ich mich beim Polizei-Sitz in Moena als Athletiktrainerin zur Verfügung gestellt.“

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