Ski-Legende Gustav Thöni: „Wir hatten eine mords Hetz“

Gustav Thöni war in den 70er-Jahren – neben dem Schweden Ingemar Stenmark – der beste Skifahrer der Welt. Im Interview mit s+ hat der mittlerweile 69-Jährige unter anderem darüber gesprochen, was sich im Ski-Weltcup grundlegend geändert hat.

Thöni hat in seiner Karriere alles erreicht. Der Trafoier gewann 4 Mal den Gesamtweltcup (1970/71, 1971/1972, 1972/73, 1974/75), kürte sich 6 Mal zum Weltmeister und einmal zum Olympiasieger (1972 in Sapporo). Noch dazu holte er 3 Mal den Riesentorlauf- bzw. 2 Mal den Slalomweltcup.

Auch als Trainer feierte Thöni große Erfolge. So gewann Alberto Tomba beispielsweise unter seiner Regie einmal den Gesamtweltcup (1995), 2 Weltmeister-Titel und einmal Olympia-Gold. Mittlerweile hat sich Thöni aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Gemeinsam mit seiner Familie führt er in seiner Heimat Trafoi das Hotel &bdquo;Bella Vista“, das zugleich sein Elternhaus ist.

Herr Thöni, wie intensiv verfolgen Sie noch den Ski-Weltcup und wem drücken Sie besonders die Daumen?

Gustav Thöni: &bdquo;Wenn es möglich ist, schaue ich mir die Rennen gerne an. Sowohl jene der Herren als auch jene der Damen. Ich halte natürlich zu den Südtirolern bzw. zu den Italienern, weil ich ja auch lange im nationalen Verband (FISI) tätig war. Bei den Damen sind wir derzeit mit Brignone, Goggia oder Bassino brutal stark aufgestellt. Bei den Herren haben wir viele gute Südtiroler Athleten wie Paris, Innerhofer, Mölgg oder auch den jungen Vinatzer.“

Zu Ihrer Zeit war im Ski-Weltcup vieles noch anders. Was sind die größten Unterschiede?

&bdquo;Das kann man natürlich nur schwer vergleichen, es war halt eine andere Zeit (lacht). Die Pistenpräparierung ist heutzutage natürlich viel besser. Zu unserer Zeit gab es nur Naturschnee. Deshalb war die Piste oftmals zu weich oder voller Löcher. Mittlerweile ist das vielleicht nur mehr 2 bis 3 Mal pro Saison der Fall. Bei uns gab es auch keine Fangnetze, sprich auf die Sicherheit wird heute mehr geachtet. Auch das Material hat sich weiterentwickelt. Alles ist viel schneller geworden. Wir hatten noch viel längere Ski und haben vor den Kurven immer gebremst.“

<a data-caption="Legendär: Das Weltcup-Finale 1975 in Gröden, als Thöni (links) sich im abschließenden Parallel-Slalom gegen Stenmark durchsetzte und den Gesamtweltcup holte. © Hotel Bella Vista" data-fancybox="inline-71054" target="_image" href="https://s3-images.sportnews.bz/_images/scale/1280x1280/img/2020/12/legendaer-das-weltcup-finale-1975-in-groeden-als-thoeni-links-sich-im-abschliessenden-parallel-slalom-gegen-stenmark-durchsetzte-und-den-gesamtweltcup.jpg"> Legendär: Das Weltcup-Finale 1975 in Gröden, als Thöni (links) sich im abschließenden Parallel-Slalom gegen Stenmark durchsetzte und den Gesamtweltcup holte. © Hotel Bella Vista

Was hat sich abseits der Piste geändert?

&bdquo;Auch sehr viel. Schon zu der Zeit, als ich noch Chef-Trainer der Herren war, war vieles anders als früher zu meiner aktiven Zeit. Bei der Olympiade in Sapporo 1972 standen beispielsweise an der Ziellinie zwei Holzstangen. Im Zielgelände haben die japanischen Veranstalter uns Läufer dann sofort die Skier abgeschnallt, weil wir bei Olympia keine Werbung für die Ski-Marke machen durften. So gibt es von Sapporo 1972 kein Bild von mir, bei dem ich mit meinen Skiern abgebildet bin.“

&bdquo;Wir waren sicherlich keine Heiligen“ Heutzutage ist man nicht mehr nur Rennläufer, sondern zudem noch ein Marketingprodukt. Sind Sie froh, dass Sie damals gefahren sind und Ihnen somit auch einiges erspart geblieben ist?

&bdquo;Das kann ich gar nicht genau einschätzen (lacht). Wir hatten damals eine tolle Zeit und auch abseits der Piste zusammen viel Spaß. Ab und zu sind wir auch zusammen ausgegangen. Da waren auch viele Schweizer, Österreicher oder Franzosen mit dabei. Wir haben uns untereinander gut verstanden, hatten eine 'mords Hetz' und waren sicherlich keine Heiligen. Die Medienlandschaft hat sich natürlich total verändert. Heute muss man als Läufer schon aufpassen, wenn man in eine Disco geht. Noch dazu gibt es mittlerweile viel mehr Presse- oder Sponsorentermine. In Verbindung mit den ganzen Reisen im Winter, bedeutet das sehr viel Stress.“

Blicken wir kurz auf Ihre Karriere zurück: Was würden Sie rückblickend als die Highlights bezeichnen?

&bdquo;Das waren die Olympischen Spiele, sei es in Sapporo 1972 als auch 4 Jahre später in Innsbruck. Die Stimmung und das ganze Drumherum ist bei den Spielen einfach noch spezieller, als bei einer WM oder einem Weltcup. Athleten aus diversen Wintersport-Disziplinen traf man im Olympischen Dorf. Ansonsten hatte man ja nur immer mit den Skifahrern zu tun.“

Im Winter 1974/75 holten Gustav Thöni und die Österreicherin Annemarie Moser-Pröll die großen Kristallkugeln. © Hotel Bella Vista

Auch als Trainer haben Sie – unter anderem mit Alberto Tomba – große Erfolge gefeiert. War er wirklich so schwierig zu trainieren, wie man vielleicht denkt?

&bdquo;Nein, das war er nicht. Sicherlich stand Alberto nicht gerne in der Früh auf (lacht). Aber wenn er trainiert hat, hat er sich zusammengerissen und war mit enormem Ehrgeiz dabei. Sonst hätte er auch nicht diese Erfolge gefeiert. Es ging ihm immer darum, schneller zu sein als der Rest. Natürlich bekam er auch ein enormes Talent in die Wiege gelegt. Insgesamt bin ich super mit ihm klar gekommen, nachdem wir uns nach einer Eingewöhnungszeit aneinander angepasst hatten. Auch heutzutage verbindet uns noch eine enge Freundschaft.“

Mit wie viel Wehmut blicken Sie auf Ihre Zeit im Ski-Zirkus zurück?

&bdquo;Ich habe unglaublich tolle Erfahrungen gesammelt, die ich nicht missen möchte. Nach meiner aktiven Zeit als Läufer, bin ich bereits nach einer kurzen Pause als Trainer in den Ski-Zirkus zurückgekehrt, auch weil ich dieses Milieu vermisst habe. Zusätzlich konnte ich so perfekt meine Erfahrungen an die Jungen weitergeben. Irgendwann wurde mir dann aber auch das ganze Reisen wieder zu viel. Ich bin froh, dass ich mittlerweile einfach sehr viel Zeit für meine Familie habe, die ich früher nicht hatte. Vor allem im Winter war ich eigentlich immer auf dem Sprung.“

&bdquo;Früher war es schon anstrengend, wenn man teilweise nicht mehr durch die Straßen gehen konnte“ Der Rummel um Ihre Person ist im Vergleich zu früher weniger geworden. Wie sehr genießen Sie das?

&bdquo;Das genieße ich sehr. Früher war es schon anstrengend, wenn man teilweise nicht mehr durch die Straßen gehen konnte. Ich verbringe gerne die Zeit mit meiner Familie (seiner Frau Ingrid, seinen 3 Töchtern und den Enkelkindern; Anm. d. Red. ) und hänge an meiner Heimat. Ich habe nie daran gedacht, irgendwann wo anders hinzugehen.“

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