Grenzenloses Olympia

Wir müssen sparen. Das lässt sich nicht mehr leugnen, wenngleich es nicht ganz stimmt. Sparen kann nur, wer etwas übrig hat, das er auf die hohe Kante legen kann. Das ist eine Minderheit. Die Mehrheit muss demnach versuchen, weniger auszugeben, weil nicht mehr so viel zur Verfügung steht wie früher aufgrund weiter ungebremster Inflation. Zudem schlägt die Teuerung in vielen Bereichen unseres Lebens mächtig zu. Die Ausgaben bleiben und erhöhen sich, die Einnahmen schrumpfen. Es ist ein Teufelskreis, dem man vielleicht auch mit etwas Phantasie und ungewöhnlichen Maßnahmen entgegentreten kann. Deshalb ist die Idee, für die Olympischen Spiele 2026 in Mailand-Cortina d´Ampezzo die Bob- und Rodelbahn in Innsbruck ins Spiel zu bringen, durchaus eine oder gar mehrere Überlegungen wert. Die pista olimpica &bdquo;Eugenio Monti“ in Cortina kann nämlich nicht einfach mal so renoviert werden.

Es muss eine neue Bahn her, immerhin auf dem Gelände der alten, die berühmt war. &bdquo;In tödlicher Mission“ hieß etwa der James-Bond-Film, der hier gedreht wurde, wobei tatsächlich ein Stuntman damals ums Leben kann. Seit 2008 ist hier kein Rennen mehr ausgetragen worden. Die Bahn wurde geschlossen. Jetzt hat man 61 Millionen Euro angesetzt für ein neues Projekt. Auf jene der Spiele von 2006 in Turin kann man ja auch nicht mehr zurückgreifen. Sie wurde vor fast genau zehn Jahren komplett demontiert. Ganz könnte man sich das Geld allerdings nicht sparen, denn die Bahn in Innsbruck-Igls muss auch einer gründlichen Renovierung unterzogen werden. Dafür könnte ein Teil der veranschlagten Kosten für einen Neubau in Italien herangezogen werden, was die Nordtiroler Verfechter dieser Idee auch schon mal so angeregt hatten. Dabei ist mir natürlich schon klar, welch ungeheuerlicher bürokratischer Aufwand nötig wäre, um 20 oder gar 30 Millionen über die Grenze zu schieben. Schließlich bekäme man dafür in Italien lediglich die Erlaubnis, die olympischen Wettbewerbe dort durchführen zu dürfen und eben keine neue eigene Bahn. Das ist nicht viel, weshalb der Widerstand natürlich erst einmal groß ist. Senza confini schon 1999 Dabei ist die grenzüberschreitende Idee nicht neu. Schon 1999 bewarb sich Klagenfurt gemeinsam mit Friaul-Julisch-Venetien und Slowenien für die Olympischen Spiele 2006. &bdquo;Senza confini“ hieß das Motto. &bdquo;Brez meja“ (slowenisch) oder eben &bdquo;Ohne Grenzen“. Es war ein großartiger Versuch und auch eine tolle Bewerbung. Aber damals war auch das Internationale Olympische Komitee (IOC) noch nicht soweit, Spiele in drei verschiedenen Ländern mit der ausschließlichen Nutzung bestehender Sportstätten zu gestatten. Der Gegner hatte seinerzeit zudem die finanzstärkeren Argumente auf seiner Seite. Geld spielte für Gianni Agnelli keine Rolle. Er bekam die Spiele in Turin. Präsident des IOC war damals übrigens Juan-Antonio Samaranch, der sich bei seinem Freund, dem italienischen Industriemagnaten, wohler fühlte als bei den romantisierenden Akteuren der Drei-Länder-Bewerbung. Franz Klammer und seine grenzenlos optimistischen Kollegen schieden bei der 109. Vollversammlung damals in Seoul auch schon vorzeitig aus. Die Entscheidung fiel für Turin am Ende gegen Sion (Schweiz). Ist jetzt die Zeit reif für &bdquo;Senza Confini“? Wenn überhaupt, dann besteht wohl frühestens 2034 eine Chance, denn für 2030 ist wahrscheinlich wieder Nordamerika am Zug mit guten Chancen erneut für Salt Lake City.

Vermutlich gäbe es aus Lausanne beim IOC keine allzu großen Vorbehalte mehr gegen eine Durchführung der Wettbewerbe im Bob, Rodeln und Skeleton in Innsbruck, zumal die Veranstaltungen in Mailand-Cortina d´Ampezzo sowieso schon komplett zerrissen sind mit den vielen verschiedenen Austragungsorten. Innsbruck würde den Rahmen nicht sprengen. Von Mailand etwa nach Antholz, wo die Biathlonwettbewerbe ausgetragen werden, sind es 360 km. Fahrzeit bei optimalen Verkehrsverhältnissen etwa viereinhalb Stunden, wenn die Untertunnelungen von Kiens und Percha bis dahin fertig sein sollten. Nach Innsbruck (398 Km) führe man ebenfalls viereinhalb Stunden von Mailand aus, dem Hauptort der Spiele 2026, wobei vermutlich die Mautkosten auch ordentlich zu Buche schlagen. Schon 2006 musste ich bei den Fahrten von Cesana (Biathlon) nach Turin zum Eiskunstlaufen an jeder Mautstation meinen Obolus entrichten.

Die offizielle Akkreditierung nutzte da nichts, weil die privaten Autobahnbetreiber mit den Olympischen Spielen nichts am Hut hatten. Daran sollte man vielleicht auch denken bei der Organisation der Spiele 2026. Aber das sind natürlich Kleinigkeiten angesichts anderer Budgets. Und dennoch wäre es wichtig, Zeichen zu setzen, um allen Beteiligten zu signalisieren, dass man bereit ist, die Ausgabenseite genau und detailliert im Blick zu haben. Für alle. Die Fahrten im Eiskanal von Innsbruck-Igls würden dazu beitragen können. Es wäre auf jeden Fall einen Versuch wert, wobei ich Realist genug bin, um die Chancen dafür als eher gering einzuschätzen. &bdquo;Senza confini“ war ja mehr als eine Olympiabewerbung damals. Es war und ist auch immer noch ein Traum in einem Europa, das auch mit dem Schengen-Abkommen noch immer eher Grenzen aufbaut anstatt sie freizugeben.

Zur Person: Sigi Heinrich Der renommierte Sportjournalist, Buchautor und vielfach ausgezeichneter Eurosport-Kommentator (u.a Gewinner des Deutschen Fernsehpreises und des Bayerischen Sportpreises) widmet sich in seiner Kolumne &bdquo;Sigi´s Spitzen“ nicht nur der gesamten Vielfalt des Sports. Auch Themen außerhalb seines gewohnten Metiers beschäftigen ihn. Mal sehr ernsthaft, oft auch mit einem verschmitzten Augenzwinkern und mitunter auch bewusst provozierend. Es soll ja für alle etwas dabei sein.

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