Das gute Virus Olympische Spiele

Die bösen Chinesen. Sie hatten kein Mittel gegen die sibirische Kälte, die vielen Langläuferin oder Biathleten zu schaffen machte. Sie hielten den Wind nicht auf, der für Verschiebungen bei den Alpinen sorgte. Tja, und sie bauten eine Bob- und Rodelbahn fast ausschließlich für die Deutschen. Klar, denn die sind ja auch ein wichtiger Wirtschaftspartner. Und dann fehlten im Quarantäne-Hotel eine Sauna mit Pool und auch die Mahlzeiten sollen nicht sehr abwechslungsreich gewesen sein, obwohl es doch in Peking laut &bdquo;Michelin“ zwei Dreisterne-Restaurants gibt.

Dazu kommen noch die fast leeren Ränge auf den üppig dimensionierten Zuschauerrängen. Tristesse pur. Keine Atmosphäre. Olympische Spiele sollen das gewesen sein? Waren es. Wir, die wir das Glück haben, in demokratisch geführten Staaten zu leben, neigen nur allzu leicht dazu, alles das, was nicht in unser Weltbild passt, auf das allerschärfste zu verurteilen. Da bleibt dann meist nicht viel übrig an positiven Eindrücken. Dabei hat sich im Laufe der Spiele herausgestellt, dass vieles doch viel besser war als erwartet. So viele Entscheidungen wie noch nie Die Sportstätten etwa wurden von denen, die sie benutzen, um ihre olympischen Träume zu erfüllen, durchgehend gelobt. Sogar die Zimmer im olympischen Dorf kamen in der Kritik gut weg. Ausreichend groß sollen sie gewesen sein und nach einer gewissen Anlaufzeit fanden auch alle Shuttlebusse ihren vorgegebenen Haltepunkt. Die Abläufe der Coronatests wurden zur Selbstverständlichkeit. Letztlich wurden alle Sportarten durchgeführt. 109 Entscheidungen gab es, so viele wie noch nie.

Die Ski-Rennen in Yanqing waren ein Highlight. © APA / EXPA/JOHANN GRODER

Vielleicht waren es nicht die leichten und beschwingten Olympischen Spiele, die wir etwa in Lillehammer 1994 erlebt haben oder noch früher in Sarajevo 1984, bevor der Balkankrieg später auch viele Sportstätten zerstörte. Aber es waren funktionelle Spiele, die allen Teilnehmern faire Chancen geboten haben. Am wenigsten beschwerten sich in Grenzfällen die Aktiven, denn diese wissen um die Problematik, wenn der Wind mal pfeift wie ein wildgewordener Geselle, um im nächsten Augenblick ein Schläfchen zu machen. Doch dafür kann man nun wirklich nicht die chinesischen Veranstalter haftbar machen. Eher schon dafür, dass Naturschutzgebiete abgeholzt wurden, um zunächst olympische Abfahrten zu gestalten, die dann helfen sollen, aus China eine Wintersportnation zu machen. Europa wird's freuen Die Hände dabei reiben sich Lifthersteller, Schneekanonenproduzenten, Skihersteller und alle, die mit dem Wintersport Geld verdienen. Und vornehmlich sind es europäische Unternehmen, die davon profitieren wollen. China, klar, ist ein megagroßer Markt. Das ist Europa übrigens auch. Immer noch. Und niemand kann ruhigen Gewissens behaupten, dass wir hier bei uns in Mitteleuropa, wo man den Klimawandel längst auch in den Bergen spürt, auf die Natur sensibel Rücksicht nehmen, wenn es gilt, wieder einmal viele Skiorte mit vielen Liftanlagen zu einer gigantischen Skischaukel zu verbinden. Und wenn ich mich nicht recht täusche, verwendet man in den Skigebieten Europas mittlerweile auch Schneekanonen. In den Bergen um Zhangjiakou und Yanqing fiel das freilich besonders intensiv auf, weil dort vorher nichts war und jetzt säumen mehrere hundert Schneekanonen die Pisten, die alle mit Wasser versorgt werden müssen. In Europa übrigens auch.

China holt auf, China holt nach und China überholt. Das ist ein Schreckensszenario für viele, weil sich vor allem Europa längst viel zu abhängig gemacht von einem Riesenland, dessen Hunger in vielerlei Hinsicht noch lange nicht gestillt ist. Die Vergabe der Olympischen Spiele nach Peking war auch deshalb natürlich ein politisches Signal, das die chinesische Führung erwartungsgemäß ausgenutzt hat. Weil alle mit ihren sportlichen Aufgaben zu tun hatten, wurden die Menschenrechtsverletzungen zur Randnotiz. Selbst die Frechheit, eine uigurische Langläuferin die letzte Fackel entzünden zu lassen bei der Eröffnungsfeier, derweil ihr Volk in sogenannten &bdquo;Umerziehungslagern“ ausgerottet wird, überstanden die Ausrichter unbeschadet. Ein gigantisches Ablenkungsmanöver Nichts, aber auch gar nichts, ist für die Menschen in China besser geworden, nur weil die Welt auf diese Olympischen Spiele geschaut hat. Es war ein gigantisches Ablenkungsmanöver, das dank der Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) vor sieben Jahren mit schier unbegrenzten Mitteln inszeniert wurde. Die Konzentration auf den Sport ließ die Themen Hongkong, Tibet oder Taiwan zur Randnotiz schrumpfen Es war gar keine Zeit und vielleicht auch keine Gelegenheit, in die Tiefe zu gehen, zumal es Spiele der kompletten Abschottung und Kontrolle waren. Den Chinesen, das ist anzunehmen, kam das Corona-Virus in diesem Moment gerade recht. So konnte jede Maßnahme, die einem Freiheitsentzug ähnelte, immer begründet werden.

Es waren eben Olympische Spiele in einer Blase und es war für alle eine neue und sicher nicht immer angenehme Erfahrung. Dennoch bleiben letztlich – und so ist das immer – die großen Emotionen in Erinnerung. Der Jubel der Sieger, die Tränen der Verlierer, denn all dies ist bei Olympischen Spielen um vieles intensiver als sonst. Und auch deshalb werden die Spiele nicht untergehen. Im Gegenteil. Schon jetzt ist die Vorfreude auf Paris 2024 im Sommer und Mailand/Cortina 2026 im Winter zu spüren. Gegen das Virus Olympische Spiele gibt es einfach keine Gegenmittel. Es hat sogar China überdauert. Und das ist gut so.

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Das gute Virus Olympische Spiele

Die 24. Olympischen Winterspiele in Peking sind vorüber. Unser Kolumnist Sigi Heinrich, der für Eurosport die Eröffnungs- und Schlussfeier kommentierte sowie alle Biathlonrennen und die Eiskunstlaufentscheidungen, zieht eine Bilanz der Zuversicht, was die Zukunft der Spiele betrifft.

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