Sigi's Spitzen | Einsamkeit im Wintersport

SportNews-Kolumnist Sigi Heinrich.

Neulich, also gar nicht so lange her, da wurde ich von meinen Freunden mal wieder darauf hingewiesen, dass ich doch bitte alle meine kleinen und mittelgroßen Verbindungen aktivieren soll. Man würde gerne wieder in Antholz aufschlagen, wurde mir ins Ohr geflüstert. Also anwesend sein, wenn die Biathlon-Elite dort im nächsten Jahr ihr Stelldichein gibt. Ich habe wie immer gesagt: Ich werde mich irrsinnig ins Zeug legen, um diese Herzenswünsche zu erfüllen. Denn ich weiß ja: Sie alle lieben Antholz und würden am liebsten jetzt schon einen Zeitsprung machen hinein ins Jahr 2026, wenn dann die olympischen Wettbewerbe im Biathlon dort ausgetragen werden.

Doch zunächst geht erst mal so gut wie gar nichts. Weil Corona und gelbe Zonen und so. Schweren Herzens hat OK-Chef Lorenz Leitgeb kundgetan, dass die Wettkämpfe zwar stattfinden werden. Leider aber ohne Zuschauer. Vermutlich hat ihm Generalsekretärin Erika Pallhuber nach dieser Aussage ein Taschentuch reichen müssen, um die Tränen zu trocknen. Oder zwei.

In Antholz werden die Ränge heuer leer bleiben. © APA/afp / MARCO BERTORELLO

Gähnende Leere also im wohl schönsten Biathlonstadion der Welt mit dem wunderbaren Blick hinaus aus dem Tal bis zum Kronplatz, dem beherrschenden Berg im Pustertal. Dort wird im Januar 2021 übrigens zum dritten Mal ein Damen-Riesenslalom ausgetragen. Auch hier ohne Fans wie auch zuvor schon in Gröden und Alta Badia die traditionellen Rennen. Wie bereits in Sölden zum Saisonauftakt. Wie überall und wie in allen Wintersport-Disziplinen und Weltcuporten. Und eine Beruhigung der Lage ist nicht in Sicht. Ganz im Gegenteil. Die Infektionszahlen steigen derzeit überall. Die für die Athletinnen und Athleten vorgesehene Blase wird noch enger und kleinmaschiger sein müssen als sowieso schon vorgesehen. Kein Adrenalin für den Schwung Längst haben sich die Protagonisten damit abgefunden. Das Motto lautet: Hauptsache es finden überhaupt Veranstaltungen statt. Es geht ums nackte Überleben, aber es ist dennoch gewöhnungsbedürftig. Wo im Biathlon an der Strecke normalerweise Fans in mehreren Reihen stehen und frenetisch ihre Lieblinge anfeuern, hängen nur ein paar Zweige schlapp von den Bäumen.

Nichts los auch in den Stadien, wo jeder Treffer normalerweise frenetisch bejubelt wird, was schon so manchen Aktiven aus dem Rhythmus brachte. Vor allem bei einem Fehlschuss, wenn ein langgestrecktes &bdquo;Ohhhh“ des Bedauerns schmerzhaft in die Ohren dringt. Die Slalomfahrer sehen nur ein paar Torrichter, wenn sie diese überhaupt wahrnehmen. Aber der übliche Lärmpegel, der auch das Adrenalin für den Schwung in Schwung bringt, wird von fast lähmender Stille abgelöst.

<a data-caption="Auch an so etwas müssen sich die Athleten gewöhnen: Improvisierte Pressekonferenzen in der Tiefgarage eines Hotels, wie hier in Sölden. © APA / EXPA/JOHANN GRODER" data-fancybox="inline-69976" target="_image" href="https://s3-images.sportnews.bz/_images/scale/1280x1280/img/2020/11/auch-an-so-etwas-muessen-sich-die-athleten-gewoehnen-improvisierte-pressekonferenzen-in-der-tiefgarage-eines-hotels-wie-hier-in-soelden.jpg"> Auch an so etwas müssen sich die Athleten gewöhnen: Improvisierte Pressekonferenzen in der Tiefgarage eines Hotels, wie hier in Sölden. © APA / EXPA/JOHANN GRODER

Die Abfahrer wird das nicht so tangieren. Sie haben genug damit zu tun, über die Kamelbuckel in Gröden zu springen und die kleinen, fiesen Buckel der Ciaslat-Wiese zu meistern. Oder in Wengen am Hundsschopf die Balance zu halten wie auch in Kitzbühel, wenn bereits am Start die Mausefalle einem klar macht, dass jetzt ein ganz und gar außergewöhnliches Rennen begonnen hat. Auch eine Art Überleben übrigens, wie so mancher Abfahrer schon unumwunden zugegeben hat. Nur der Jubel im Zielraum, der jedem, der die &bdquo;Streif“ gemeistert hat, zufliegt, der wird allen fehlen. Apropos fliegen. Die Skispringer, die Adler der Lüfte, landen zunächst auch in einem leeren Nest. Zunächst. Die Hoffnung als Wegbegleiter Allen ist nämlich gemein, dass sie auf ein Abklingen der Pandemie hoffen und auf eine damit verbundene Lockerung der Einschränkungen. Denn das nächste Jahr ist auch geprägt von mehreren Weltmeisterschaften. Oberstdorf (Ski nordisch), Cortina d`Ampezzo (Ski alpin), Pokljuka (Biathlon). Stand der Dinge jetzt: Es wäre für alle Veranstalter ein finanzielles Fiasko, wenn keine Zuschauer zugelassen würden.

Das Damoklesschwert freilich ist frisch geschliffen und schwebt über allen. Aber am Ende steht wohl nur eine Maxime an vorderster Stelle: Gesund durch den Winter kommen. Und vielleicht trifft es sich da ganz gut, dass die Parallelrennen in Lech (Tirol) am 13. und 14. November um zwei Wochen verschoben wurden. Nicht wegen Corona übrigens. Wegen Schneemangels. Auch die Natur hat sich schon angesteckt.

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