
Mikael Pancak sagt, Eishockey sei ein Lebensweg. © Jana Mensatorova
Einst Spielerin, jetzt Trainer: Dieser Mann geht seinen Weg
Was haben Vera Pancakova und Mikael Pancak gemein? Die Antwort: Sie sind ein und dieselbe Person. Der Tscheche war früher eine ausgezeichnete Stürmerin, jetzt kehrt er als angesehener Trainer nach Südtirol zurück. Dort lebte er einst bei Daniel Frank zuhause.
14. Juni 2025

Von:
Alexander Foppa
Die Vinschgau Eisfix holen ein neues Gesicht ins Südtiroler Eishockey: Mikael Pancak übernimmt das Traineramt in Latsch. Dort wird er künftig nicht nur die erste Mannschaft in der IHL Division 1 (ehemals Serie C) betreuen, sondern auch sämtliche Jugendmannschaften übernehmen und dadurch den Nachwuchssektor neu aufbauen. Er ist ein Mann, der eine ungewöhnliche Lebensgeschichte zu erzählen hat.
„Hey, bist du ein Junge oder ein Mädchen?“, immer wieder musste Mikhael Pancak diese Frage im Jugendalter hören. Er fühlte wie ein Bub, er spielte mit Buben, er wollte immer ein Bub sein. Und so kam es, dass aus Vera Pancakova irgendwann tatsächlich Mikael Pancak wurde. Bis die Wandlung vollzogen war, musste der heute 47-Jährige allerdings einen schweren Weg gehen.
Pancak stammt aus der tschechischen Eishockey-Hochburg Litvinov. Für den Kufensport war bei ihm zunächst jedoch kein Geld da, Eishockey spielte er nur auf der Straße mit Jungs aus der Nachbarschaft. Er wuchs in einem schwierigen familiären Umfeld auf. „Mama und Papa, das sind Begriffe, die für mich nicht existieren“, sagt Pancak heute. Seine Mutter und sein Stiefvater setzten ihn mit 19 Jahren vor die Tür. Bekannte kauften ihm Lebensmittel, Freunde boten ihm eine Schlafgelegenheit, später teilte er sich eine Ein-Zimmer-Wohnung mit seiner Großmutter.
„Mama und Papa, das sind Begriffe, die für mich nicht existieren“ Mikhael Pancak
Die Oma war es auch, die ihm das ersehnte erste Paar Schlittschuhe schenkte. „Für sie war ich schon immer ein Burli“, sagt Pancak heute in seinem feinen Deutsch mit österreichischem Akzent. Er selbst gestand sich dies jedoch lange nicht ein. „Ich habe mich verstellt, bin vor mir selbst weggerannt.“
Mikael Pancak spielte Eishockey früher nur auf der Straße, ehe er mit 19 Jahren seine ersten Schlittschuhe geschenkt bekam. © Jana Mensatorova
Auf dieser Flucht lernte Pancak eine neue Familie kennen, „die Eishockey-Familie“, wie er selbst sagt. „Ich war eine ganz passable Spielerin, kam dadurch viel rum.“ Zunächst zog es ihn in die Schweiz. Denn in der Jaromir-Jagr-Eishockeyschule in seiner Heimat entstanden Kontakte zur Milliardärsfamilie Mantegazza, die den HC Lugano führt. Vom tschechischen Plattenbau in die prunkvolle Villa am Luganersee – es waren die krassesten Gegensätze.
Bei Daniel Frank zu Hause
Später tingelte Pancak weiter über die Schweizer Eishockeylandkarte, ehe er schließlich über Umwege in Meran landete. Die Familie von HCB-Kapitän Daniel Frank nahm ihn damals auf, er arbeitete im Meraner Jugendsektor, gleichzeitig kellnerte er in einer Bar. „Ich habe Daniel als achtjährigen Bub trainiert. Uns verbindet noch heute eine tolle Freundschaft.“Wie Frank landete auch Pancak später in Salzburg. Als Stürmerin nahm er an Inline-Weltmeisterschaften teil, auf dem Eis gewann er Meistertitel in Tschechien und der Schweiz, zudem kürte er sich mit Slavia Prag zum Champion in der European Women Hockey League (EWHL). In Salzburg betreute Pancak gleichzeitig die Jugendteams in der damals noch relativ kleinen Red-Bull-Akademie. Um über die Runden zu kommen, arbeitete er gelegentlich als Putzkraft, manchmal trug er frühmorgens Zeitungen aus.
Mikael Pancak war als Aktiver, damals noch als Vera Pancakova bekannt, unter anderem drei Mal Inline-Weltmeister mit Tschechien.
Pancak klagt nicht, sagt aber: „In all der Zeit trug ich großen Ballast mit mir rum. Ich war in meinem Körper gefangen. Irgendwann ging es nicht mehr.“ Er brachte schließlich all seinen Mut auf und ging zu einem Schönheitschirurgen, um sich die Brust entfernen zu lassen. Damit nahm die Wandlung ihren Anfang. Das war im Jahr 2016. In den 24 Monaten danach folgten neun weitere Operationen. Aus Pancakova wurde Pancak. „Die Eingriffe waren häufig mit starken Schmerzen verbunden. Dennoch hat es sich angefühlt wie eine Befreiung“, sagt er jetzt.
„Irgendwann ging es nicht mehr“ Mikhael Pancak
Der Jugendtrainer lebte damals in Salzburg, erst schrittweise schaffte er es, seinem Umfeld in Tschechien von der Geschlechtsumwandlung zu erzählen. „Als meine Oma am Telefon bemerkte, dass meine Stimme anders klang, gaukelte ich ihr anfangs vor, ich sei erkältet.“ In Österreich habe er auf Anhieb viel Unterstützung erfahren, in Osteuropa war er dagegen aufgrund seiner Transformation rasch ein großes Thema. Pancak wurde dadurch über die Eishockeyszene hinaus bekannt.
Mikael Pancak betreibt in Tschechien eine eigene Eishockeyschule. © Jana Mensatorova
„Natürlich bekam ich Ablehnung und Hass zu spüren, allerdings fast ausschließlich im Internet.“ Als Transgenderperson sei es nicht einfach gewesen, eine eigene Eishockeyschule aufzuziehen, „doch die Kinder und Eltern mochten, wie ich arbeitete, sie urteilten nicht über mich als Person, sondern ausschließlich über meine Kompetenzen auf dem Eis. Das fand ich großartig.“
Ähnliche Erfahrungen macht Pancak nun bei den Vinschger Eisfix, für die er seine Heimat und seine Eishockeyschule hinter sich lässt. In Latsch soll er den Jugendbereich neu aufbauen, den Nachwuchs fördern und zugleich als Headcoach in der IHL Division 1 fungieren.
„Wir stehen voll hinter ihm!“ Eisfix-Funktionärin Magdalena Tappeiner
„Wir wissen über seine Vergangenheit Bescheid“, sagt die frisch gewählte Vinschgau-Vizepräsidentin Magdalena Tappeiner, „Fest steht: Wir stehen voll hinter ihm! Mikael bringt sehr viel Erfahrung, hohe Professionalität und vor allem enorme Begeisterung mit.“ Besonders beeindruckt zeigt sie sich davon, dass Pancak bereits für das Erstgespräch eigens aus Tschechien angereist sei und später ein bis ins Detail ausgearbeitetes Konzept präsentiert habe. Neben Tschechisch und Deutsch spricht er auch fließend Italienisch und Englisch. „Ein Glücksfall für uns“, sagt Tappeiner.
Mikael Pancak bei der Vertragsunterschrift mit Vinschgaus Vize-Präsidentin Magdalena Tappeiner.
Zuhause in Litvinov hat Pancak zuletzt rund 130 Kinder betreut. „Das heißt, ich hatte mit bis zu 260 Eltern zu tun“, sagt er. Das sei nicht einfach gewesen, denn „die Mentalität dort ist eine ganz andere. In Tschechien träumt jeder von der NHL, das wird sieben- oder achtjährigen Nachwuchsspielern schon zuhause eingetrichtert.“ Im Vinschgau dagegen wolle er den Kindern in erster Linie die Freude am Sport vermitteln, ihnen Hingabe und Disziplin lehren. „In Latsch wird vieles neu aufgebaut, darauf freue ich mich riesig“, so Pancak, „Wir wollen Eishockey im Vinschgau wieder populär machen.“
„Wir wollen Eishockey im Vinschgau wieder populär machen“ Mikhael Pancak
Der neue Eisfix-Trainer war schon mehrfach in seiner neuen Heimat zu Gast, besuchte Freunde von früher und leitete erste Trainings. „In den Augen der Kinder habe ich unglaublich viel Begeisterung gesehen, das war faszinierend.“
Mit seinem offiziellen Dienstantritt Anfang August beginnt für Pancak ein völlig neues Kapitel – auch privat. „Meine Familie, also meine Freundin und deren beiden Kinder, bleiben vorerst in der Heimat. Ich werde viel Zeit für mich haben, für meinen neuen Job, die Zeit, auf meinem ganz eigenen Lebensweg die nächsten Schritte zu setzen.“ Mit Lebensweg meint Pancak den Eishockeysport. „Egal ob als Spielerin oder später als Trainer, egal ob ich gerade Geld in der Tasche hatte oder keines – der Sport gab mir immer Halt.“ Deshalb liebt Mikael Pancak das Eishockey. Und von dieser Liebe zum Eishockey dürften künftig auch die Eisfix Vinschgau profitieren.
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