„Am Boden zerstört“: Zissers knallharte Analyse

Mit breiter Brust war die Eishockey-Nationalmannschaft von Italien vor knapp 2 Wochen zur Weltmeisterschaft der I. Division Gruppe A nach Nottingham geflogen. Die sofortige Rückkehr in die Weltgruppe schien für das &bdquo;Blue Team“ angesichts der Gegner reine Formsache zu sein. Doch es kam anders und das Turnier endete für die &bdquo;Azzurri“ mit einer Blamage und großen Enttäuschung.

Wie groß ist die Enttäuschung nach dem verpassten Aufstieg in die Weltgruppe?

Stefan Zisser: &bdquo;Die Enttäuschung ist riesengroß, weil wir mit großen Erwartungen nach Großbritannien gereist waren. Diese wurden aber nicht erfüllt. Wir haben eine große Chance verpasst. Ich bin am Boden zerstört.“

Wie bewerten Sie die Auftritte der italienischen Mannschaft in Nottingham?

&bdquo;Die Mannschaft, die die zweitjüngste des Turniers war, hat in keinem einzigen Spiel überzeugt. Auch wenn wir die beiden Entscheidungsspiele gegen Polen und Großbritannien nur knapp verloren haben, waren die Auftritte nicht gut genug. Man kann die Leistungen nicht schönreden. Wir haben uns das alles nach den Turnieren im November in Budapest und im Februar in Bozen ganz anders vorgestellt.“

„Die Mannschaft hat in keinem einzigen Spiel überzeugt.“ Stefan Zisser

Was waren die größten Probleme?

&bdquo;Zum einen gab es kein Spielsystem. Zum anderen war das Defensivverhalten mangelhaft. Von den 16 Gegentoren waren mindestens die Hälfte selbstverschuldet. Es ist für mich unerklärlich, wie sich solche Fehler einschleichen konnten. Die Vorbereitung auf die WM war auch nicht ideal: Schließlich hat die komplette Mannschaft nur 5 Tage gemeinsam trainiert.“

Würden Sie im Nachhinein bei den Einberufungen einiges anders machen?

&bdquo;Im Nachhinein ist man oft gescheiter. Wenn ich aber ehrlich bin: Recht viele andere Möglichkeiten bei der Zusammenstellung der Mannschaft hatten wir nicht. Andreas Bernard, Daniel Frank, Giovanni Morini, Diego und Simon Kostner haben aus persönlichen oder gesundheitlichen Gründen abgesagt. Dustin Gazley und Daniel Catenacci haben ebenfalls auf eine Teilnahme verzichtet. Zudem waren wir an die Vorgabe gebunden, maximal 8 Doppelstaatsbürger (einen Torhüter und 7 Feldspieler) mitzunehmen. Die Leistungen der einzelnen Spieler in der Vorbereitung haben schlussendlich zu dieser Mannschaft geführt.“

Alex Trivellato & Co. verpassten den Aufstieg klar.

Wie erklären Sie sich den Umstand, dass einige vermeintliche Schlüsselspieler wie zum Beispiel Alex Petan die Erwartungen nicht erfüllen konnten?

&bdquo;Petan war nicht der einzige, der nicht das geleistet hat, was er kann. Warum einige Schlüsselspieler versagt haben, kann ich mir nicht erklären. Auch weil Petan im letzten Vorbereitungsspiel beim 5:3-Sieg gegen Südkorea an 3 Toren beteiligt war und auf der ganzen Linie überzeugt hatte. In den ersten 2 WM-Spielen ist er dann leer ausgegangen und hat sich danach in ein Loch gespielt.“

Sind Sie mit der Arbeit des Trainerteams zufrieden?

&bdquo;Mike Keenan und Mike Pelino haben eine andere Auffassung, wie man ein solches Turnier spielt. Im November und auch im Februar hat alles reibungslos funktioniert. Jetzt sind die gewünschten Früchte leider ausgeblieben.“

Ist Mike Keenan noch der richtige Mann?

&bdquo;Dazu kann und will ich mich noch nicht äußern. Nur so viel: Wir wussten, dass Keenan ein anderer Typ Trainer ist. Jeder muss in den Spiegel schauen und herausfinden, was er falsch gemacht hat. Angefangen bei mir bis hin zu den Spielern.“

„Ich denke ernsthaft nach, ob ich weitermachen soll oder nicht.“ Stefan Zisser

Wird es Konsequenzen geben?

&bdquo;Wie gesagt: Jeder muss sich selber hinterfragen. Konsequenzen werden aber gezogen werden müssen. Zunächst müssen wir alles genau analysieren. Alle haben Fehler gemacht. Auch ich. Ich denke ernsthaft nach, ob ich weitermachen soll oder nicht. Ich habe in meiner Karriere viele Niederlagen einstecken müssen. Diese hat aber am meisten weh getan, da ich viel Zeit und Energie für Nichts investiert habe.“

Neben 6 Trainern gab es 2 finnische Athletiktrainer und einen kanadischen Mentalcoach. Ist das nicht übertrieben?

&bdquo;Wir wollten für die Spieler die bestmöglichen Voraussetzungen schaffen und nichts dem Zufall überlassen. Nachdem mit Matias Sarvela ein Athletiktrainer kurzfristig abgesagt hat, haben wir dessen finnischen Landsmann Jarmo Tapio Koivisto geholt. Ein Mentalcoach hat bisher immer gefehlt. Diesen hätten wir uns vielleicht auch sparen können. Und was die Trainer anbelangt: Ich wollte, dass unsere einheimischen Trainer Fabio Armani und Giorgio De Bettin bei der WM dabei sind, um Erfahrung zu sammeln.“

Für die WM wurde viel Geld ausgegeben. Hätte man dieses nicht besser investieren können?

&bdquo;Ich denke nicht, dass wir unnötiges Geld aus dem Fenster geworfen haben. Wir haben versucht zu sparen, wo es ging. Vielleicht hätte man statt 5 überzählige Spieler, die noch vor WM-Beginn heimfliegen mussten, 2 weniger nach Nottingham mitnehmen können. Damit hätte man sich ein wenig Geld gespart.“

Wo wollen Sie und der Verband die Hebel ansetzen?

&bdquo;Jetzt ist guter Rat teuer. In erster Linie müssen wir die Zusammenarbeit mit den Vereinen intensivieren. Ich erhoffe mir sehr viel vom Sommercamp in der 2. Julihälfte in Niagara Falls und wünsche mir, dass sich die Spieler die Zeit nehmen und daran auch teilnehmen. Unser Ziel ist es, die Teilnehmer am Camp finanziell zu unterstützen, damit sie im Sommer nicht einer Arbeit nachgehen müssen. Zuletzt kursierte das Gerücht, dass dieses Camp eine Art Sichtungscamp wäre, bei dem potenzielle Doppelstaatsbürger im Hinblick auf die Olympischen Spiele 2026 rekrutiert werden. Das ist es aber nicht vorgesehen.“

Wird sich Italien für die Ausrichtung der WM der I. Division Gruppe A im nächsten Jahr bewerben?

&bdquo;Ich denke schon. Bruneck oder Bozen würden dann als Austragungsorte in Frage kommen. Auch Südkorea soll Interesse an einer Ausrichtung bekunden.“

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Italiens Eishockey-Nationalmannschaft hat bei der WM der I. Division Gruppe A den Aufstieg in die Top-Division verpasst. Der Verantwortliche für das Blue Team, Stefan Zisser, nennt im Interview mit s+ die Gründe und nimmt dabei kein Blatt vor den Mund.

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