Peter Draisaitl: „Ich bin Leons größter Fan“

Im Interview mit s+ spricht Peter Draisaitl über die Viertelfinalserie gegen den HCB, seine Flucht aus Tschechien, seine großartige Spielerlaufbahn, seine 20-jährige Trainerkarriere und seinen Sohn Leon Draisaitl, der bei den Edmonton Oilers in der NHL für Furore sorgt.

Waren Sie überrascht, als der HCB Südtirol am Sonntag Ihre Mannschaft als Viertelfinal-Gegner gewählt hat? Peter Draisaitl: &bdquo;Ein bisschen schon. Aber nur wegen der großen Entfernung. Wenn man die bisherigen Ergebnisse betrachtet, dann kann ich die Entscheidung in jedem Fall verstehen.“

Wie schätzen Sie die Chancen Ihres Teams gegen die Südtiroler ein? Draisaitl: &bdquo;Wir werden uns nicht chancenlos nach Bozen begeben. Ich glaube fest daran, dass wir eine Chance haben werden. Die Frage ist nur, wie wir 4 Spiele gewinnen können. Wir sind in jedem Fall ein anderes Team als noch vor 3 oder 4 Monaten.“

Was zeichnet den HCB aus? Draisaitl: &bdquo;Im Südtiroler Kader steckt sehr viel Qualität und das über alle 4 Linien. Zudem gibt es 8 Verteidiger, die über sehr viel Potenzial verfügen. Es ist kaum möglich, einen Schwachpunkt auszumachen. Es ist auf dem Papier die stärkste Mannschaft der Liga, die nicht umsonst den Grunddurchgang und auch die Pick Round gewonnen hat.“

Als Sie am 24. Jänner das letzte Mal in Bozen waren, haben Sie von der Stadt geschwärmt. Könnten Sie sich vorstellen, einmal den HCB Südtirol zu coachen? Draisaitl: &bdquo;Ich kann mir vieles vorstellen und kann es nie ausschließen, irgendwann einmal in Bozen zu arbeiten. Im Moment sieht es aber nicht danach aus, dass beim HCB eine Änderung auf der Trainerposition vonnöten wäre. Das Land Südtirol ist schon ein sehr schöner Fleck. Ich war vor 3 Jahren mit den Kölner Haien beim Vinschgau Cup in Latsch dabei und habe dort viele tolle Menschen kennengelernt. Was ich im nächsten Jahr mache, weiß ich noch nicht. Vertrag habe ich jedenfalls noch keinen.“ &bdquo;Der Playoff-Einzug war eines unserer Ziele. Noch sind wir aber nicht durch.“ Peter Draisaitl Die Zukunft ist also noch offen. Die Gegenwart heißt Bratislava. Wie gefällt es Ihnen in der slowakischen Hauptstadt? Draisaitl: &bdquo;Ich bin jetzt seit etwas mehr als 3 Monaten in Bratislava und habe – auch coronabedingt – noch nichts von der Stadt gesehen. Ich habe mich bisher praktisch nur von der Wohnung ins Stadion und wieder zurück in die Wohnung bewegt. Was den Klub anbelangt, muss sich sagen, dass alles sehr gut passt. Die Capitals sind ein sehr junger Verein. Es ist wahrscheinlich der jüngste Verein in Europa auf Profiniveau. Die Verantwortlichen haben in kurzer Zeit eine Mannschaft auf die Beine stellen müssen. Das ist ihnen sehr gut gelungen. Wir haben uns in der Liga etabliert und auch Respekt verschafft. Der Playooff-Einzug war eines unserer Ziele. Noch sind wir aber nicht durch.“

Peter Draisaitl hat seit dem 6. Dezember 2020 auf der Bank der Bratislava Capitals das Sagen. © Max Pattis

Die Slowakei gehörte bis 1993 zu Ihrem Geburtsland Tschechoslowakei. Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Geburtsstadt Karvina? Draisaitl: &bdquo;Die Herkunft meines Nachnamens ist nicht gänzlich geklärt. Er lässt aber darauf schließen, dass mein Vater einer deutschen Minderheit in der Tschechoslowakei entstammte. In Karvina wurde ich nur geboren. Meine Kindheit habe ich in Havirov und später in Opava verbracht. Es war eine fantastische Kindheit. Mir hat es an nichts gefehlt.“

Wie und wann sind Sie nach Deutschland gekommen? Draisaitl: &bdquo;Das war im Jahr 1978. Ich war 13 Jahre alt. Meine Eltern nutzten einen Urlaub dazu, um über Jugoslawien und Österreich nach Deutschlang zu fliehen. Das war damals die gängige Fluchtroute. Es war unglaublich, wie unsere Eltern mich und meine Schwester da herausgeholt haben. Wir sind bei meiner Tante, der Schwester meines Vaters, die mit einem Deutschen in Peine in der Nähe von Hannover verheiratet war, untergekommen. Wir sprachen kein Deutsch und haben anfangs überhaupt nicht kapiert, wo wir eigentlich gelandet sind. Das war eine harte Zeit. Vor allem für meine Eltern.“

Wann und wo haben Sie mit dem Eishockeyspielen begonnen? Draisaitl: &bdquo;Ich habe im Alter von 5 Jahren in der Tschechoslowakei das Eishockeyspielen erlernt. Bis zur Flucht habe ich dort gespielt. Als wir in Deutschland waren, wurde das Thema Eishockey nach einiger Zeit wieder aktuell. Mannheim hat Interesse gezeigt, weshalb ich mit meinen Eltern dorthin gezogen bin. Der Verein hat uns sogar eine Wohnung und Arbeit für die Eltern organisiert.“

Sie haben den Großteil Ihrer Spielerkarriere in Mannheim und Köln verbracht. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Zeit? Draisaitl: &bdquo;Ich habe grandiose Erinnerungen an meine Spielerkarriere. Die Jahre in Mannheim und Köln waren unbeschreiblich schön. Ich möchte keinen Tag missen.“

Bekanntheit erhielten Sie unter anderem durch einen Penalty bei den Olympischen Winterspielen 1992 in Albertville. Wie oft mussten Sie sich die Szene ansehen, um glauben zu können, dass der Puck im Viertelfinale gegen Kanada tatsächlich auf der Torlinie liegen geblieben ist? Draisaitl: &bdquo;Ich habe mir diese Szene gar nicht so oft angeschaut. Es ist bestimmt nicht so, dass ich jeden Tag meinen Laptop öffne und mir das Video reinziehe. Schließlich lebe ich nicht in der Vergangenheit. Ich habe mich längst daran gewöhnt, dass die Szene alle 4 Jahre vor den Olympischen Spielen von Journalisten aus dem Archiv geholt wird. Es war natürlich ein sehr bitterer Moment damals – pure Enttäuschung. Schließlich hätten wir Historisches erreichen können.“

Sie haben nach 17 Jahren in der höchsten deutschen Liga in der Saison 2000/01 bei den Revier Löwen Oberhausen Ihre Spielerkarriere beendet und sind direkt auf die Trainerbank gewechselt. Was hat Sie dazu bewogen? Draisaitl: &bdquo;Ich hatte eigentlich keine Zeit darüber nachzudenken und bin über Nacht vom Spieler zum Trainer geworden. Nachdem wir das erste Viertelfinalspiel gegen München verloren hatten, wurde Gunnar Leidborg als Trainer entlassen und der damalige Besitzer der Revier Löwen hat mich abends angerufen und mir mitgeteilt, dass ich sein Nachfolger bin. Es war schon verrückt damals. Ich war 35 Jahre alt und hätte meine Karriere so oder so beendet, da ich an der Schulter operiert werden musste.“

Wie würden Sie sich als Trainer beschreiben? Draisaitl: &bdquo;Ich bin immer voll bei der Sache und kann auch einmal laut werden. Dieser Job bedarf tagtäglicher Weiterbildung. Man hat nie ausgelernt. Ich bin von heute auf morgen Trainer geworden und musste alles alleine machen. Ich war vorher nie Co-Trainer und hatte auch keinen Assistenten an meiner Seite. Ich habe damals bestimmt viele Fehler gemacht. Mit der Zeit habe ich sehr viel dazugelernt.“

Ihr Sohn Leon ging schon als 16-Jähriger nach Nordamerika, wo er in der vergangenen Saison Topscorer der NHL und als wertvollster Spieler in der besten Liga der Welt ausgezeichnet worden ist. Wie stolz sind Sie darauf? Draisaitl: &bdquo;Eigentlich hat Leon bereits im Alter von 13 Jahren das Elternhaus verlassen. Er hat damals in Köln gespielt, sich aber nicht wohl gefühlt. Er hatte Angebote von Salzburg und Mannheim vorliegen und hat sich schließlich für die Adler entschieden. 3 Jahre später ist er dann nach Kanada übersiedelt. Natürlich bin ich stolz auf Leon. Ebenso wie auf meine Tochter Kim, die 2 Jahre älter als Leon ist. Es sind beides einzigartige Menschen. Dass Leon erfolgreich ist, freut mich riesig. Er soll alles gewinnen, was er gewinnen kann. Ich bin sein größter Fan.“

Was hat Leon von Ihnen gelernt? Draisaitl: &bdquo;Für einen jungen Spieler ist es ein Vorteil, wenn der Vater selber Eishockey gespielt hat. Ich habe ihm den Sport näher gebracht und ihm den einen oder anderen Tipp gegeben. Auch habe ich ihm ab und zu einige Tricks gezeigt oder erklärt, wie die Vorhand oder Rückhand funktioniert. Aber letztendlich musste Leon seinen Weg selber suchen und finden. Als Eltern haben wir ihn unterstützt, wo wir konnten.“

Leon hat einmal gesagt, dass er ohne Sie nie Eishockey-Spieler geworden wäre. Hat er etwas, was Sie als Aktiver gerne gehabt hätten? Draisaitl: &bdquo;Alles! Er spielt noch einmal auf einem ganz anderen Niveau als ich damals. Ich war nie der Vater, der seine eigene Karriere in Verbindung mit jener des Sohnes gebracht hat. Leon muss das tun, was er für richtig hält. Ich habe ihn nie zum Eishockey gedrängt. Im Gegenteil: Ich musste ihn manchmal bremsen. Eine der besten Entscheidungen in meinem Leben war, dass ich früh verstanden habe, dass man die Kinder das machen lassen soll, was sie wollen.“

Wann haben Sie Leon das letzte Mal gesehen bzw. gehört? Draisaitl: &bdquo;Im vergangenen Sommer haben wir zusammen Urlaub gemacht. Danach habe ich ihn noch zu Hause in Köln gesehen. Ansonsten stehen wir im regelmäßigen Kontakt. Entweder hören wir uns per Telefon oder wir schreiben uns. Leon ist immer sehr interessiert an den Teams, die ich gerade coache. Er weiß sehr viel und hilft mir oft auch bei der Spielersuche. Von ihm habe ich am Sonntag auch erfahren, dass wir im Viertelfinale gegen den HCB Südtirol spielen müssen.“

Interview: Kurt Platter Peter Draisaitl im Porträt Peter Draisaitl wurde am 7. Dezember 1965 im tschechoslowakischen Karvina (auf Deutsch: Karwin) geboren, bestritt aber seine gesamte Karriere als Eishockey-Spieler in Deutschland. In seinen erfolgreichsten Jahren pendelte er zwischen Mannheim und Köln. Er wurde 4 Mal deutscher Vizemeister. 1994/95 führte er die Kölner Haie im ersten Jahr der DEL zum Titel und stellte einen noch heute gültigen Rekord von 21 Spielen in Folge mit mindestens einem Scorerpunkt auf.

Für die deutsche Nationalmannschaft absolvierte der ehemalige Mittelstürmer 146 offizielle Länderspiele. Er vertrat die deutschen Farben bei den Olympischen Winterspielen 1988, 1992 und 1998 sowie bei 7 Weltmeisterschaften. Seine letzten Jahre als Aktiver verbrachte Draisaitl, der 17 Jahre lang im deutschen Oberhaus gespielt und es dabei auf 780 Punkte in 807 Spielen gebracht hat, bei den Moskitos Essen und Revier Löwen Oberhausen. Dort begann er in der Saison 2001/02 auch seine Trainer-Karriere. Bremerhaven, Straubing, Regensburg, Duisburg, Ravensburg und Nürnberg waren weitere Stationen, ehe er 5 Jahre lang in Tschechien arbeitete. In den Saisonen 2017/18 und 2018/19 half Draisaitl 2 Mal als &bdquo;Feuerwehrmann“ beim DEL-Klub seiner Heimatstadt Köln aus. Nach einer Saison beim HC Kosice in der Slowakei löste der 55-Jährige am 7. Dezember 2020 bei den Bratislava Capitals Rostislav Cada ab.

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Peter Draisaitl: „Ich bin Leons größter Fan“

Er ist der Vater des derzeit besten Eishockeyspielers der Welt und kommt am Freitagabend mit den Bratislava Capitals als Gegner nach Bozen. Der deutsche Trainer Peter Draisaitl hat den Neuling der ICE Hockey League Anfang Dezember übernommen und auf Anhieb in die Playoffs geführt.

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