Italien gegen die Bundesliga

Von Sigi Heinrich

Die Sehnsucht hat eine fatale Eigenschaft. Sie kann einen schier zur Verzweiflung bringen. Wenn immer und immer wieder aus den Träumen nur betonharte Landungen werden, kann man schon mal den Glauben an die Gerechtigkeit verlieren. Die Österreicher zum Beispiel wollten immer so gerne richtig gut Fußball spielen können.

So gut, wie sie Skifahren, wo sie sich als Nummer eins der Welt sehen, auch wenn ihnen jetzt seit zwei Jahren die Schweizer die Nationenwertung vor der Nase weggeschnappt haben. Aber das kann man korrigieren. Schlechter als Zweiter können sie angesichts ihres Potentials, zu dem ja auch die Berge und die vielen dem Österreichischen Ski-Verband (ÖSV) wohlgesonnen Liftbetreiber gehören, nicht werden. Wo gewedelt wird, leuchten die Spuren im Schnee rot-weiß-rot. So leiwand Skifahren ist, so tragisch ist die Situation im Fußball. Immer wieder Cordoba Nur einmal in den letzten Jahrhunderten war der Jubel groß und noch immer wird das Ereignis vom 21. Juni 1978 in Österreich gefeiert, als hätte die Gottesmutter Maria ein neuerliches Wunder vollbracht. &bdquo;I werd narrisch, Krankl schießt ein, drei zu zwei.“ Dann eine kleine Pause. Eine ganz kleine Pause. &bdquo;Für Österreich.“ Gegen Deutschland, den damals amtierenden Weltmeister. Edi Finger Senior, der Radioreporter des ORF, wurde berühmt.

Krankl, Sara, Prohaska, Koncilia, Pezzey hießen einige der Spieler. Prohaska ist immer noch Experte beim ORF, auch ohne seine berühmten Locken, die einem kräftigen Scheitel gewichen sind. Es war die einzige Schlappe einer deutschen Elf in einem offiziellen Spiel gegen Österreich. Herbert Prohaska: Ehemaliger Deutschland-Schreck und ÖFB-Teamchef (hier mit Toni Polster). Mittlerweile ist er TV-Experte. © APA

Das hat dem deutschen Fußball weh getan. Logisch. Jede Niederlage schmerzt. Aber die Piefkes, wie deutsche Urlauber in Österreich so charmant genannt werden, zeigten fortan, wie das so funktioniert mit dem Ball hin und her schieben. Sie wurden Weltmeister und Europameister und Österreich warf derweil wieder mit Schneebällen um sich. Doch jetzt zeigte sich wahre Größe.

Deutschland konnte nicht länger mitansehen, wie aus Cordoba allmählich ein verstaubter Mythos wurde, wie ein ganzes Land den Kopf über Wasser hielt eines Spieles wegen. Und so wurden die Grenzen geöffnet und die österreichischen Kicker tröpfelten so nach und nach in die deutsche Bundesliga, wo jetzt, 43 Jahre nach Cordoba, festgestellt werden kann: Das Ausbildungsziel ist erreicht worden. Österreichs Kicker sind salonfähig geworden und haben das erste Mal in der Geschichte der Europameisterschaften das Achtelfinale erreicht. Mehr Bundesliga-Spieler als die DFB-Elf Von 26 Spielern, die Trainer Franco Foda (hat italienische Wurzeln) berufen hat, kicken 22 in der deutschen Bundesliga. Nur ganz hinten steht mit Daniel Bachmann ein Keeper, der in der Premier-League in England beim FC Watford spielt (ist im Besitz der italienischen Unternehmerfamilie Pozzi) und ganz vorne ist das Enfant-Terrible Marco Arnautovic, der in Shanghai seine Brötchen verdient, aber auch schon in der Bundesliga tätig war. Der Rest sind Profis, die in Deutschland in ihren Vereinen zu Stammspielern gehören. Der Deutsche Franco Foda mit Deutschland-Legionär Martin Hinteregger. © APA/ROBERT JAEGER / ROBERT JAEGER

Gegen die Ukraine zeigte das ÖSV-Team das wohl beste Spiel in den letzten Jahren. Vielleicht sogar in den letzten 43 Jahren (nach Cordoba natürlich). Es war, das darf man auch mal so sagen, eine Augenweide zu sehen, wie modern der österreichische Fußball geworden ist und wie taktisch flexibel Franco Foda auch reagieren kann, als er etwa dem Besten seines Teams, David Alaba, der künftig bei Real Madrid spielt, eine offensivere Ausrichtung gab. Das Match gegen die Ukraine hat Spaß gemacht und Appetit auf mehr. Italien jedenfalls, der Gegner im Achtelfinale, der auch bislang absolut überzeugte, sollte gewarnt sein. <a data-caption="Tormann Dragovic spielt für Watford, Dragovic wechselt von Leverkusen zu Roter Stern und Alaba verteidigt künftig für Real Madrid. © APA/afp / MARKO DJURICA" data-fancybox="inline-78457" target="_image" href="https://s3-images.sportnews.bz/_images/scale/1280x1280/img/2021/06/tormann-dragovic-spielt-fuer-watford-dragovic-wechselt-von-leverkusen-zu-roter-stern-und-alaba-verteidigt-kuenftig-fuer-real-madrid.jpg"> Tormann Dragovic spielt für Watford, Dragovic wechselt von Leverkusen zu Roter Stern und Alaba verteidigt künftig für Real Madrid. © APA/afp / MARKO DJURICA

Die österreichischen Fußballer können längst nicht mehr nur gefühlvoll mit dem Ball umgehen, schnell umschalten und tolle Pässe spielen: Sie kämpfen auch wie das die deutschen Fußballer oft vorgemacht haben. Der Schlendrian ist ihnen in Deutschland ausgetrieben worden. Jetzt sind 90 Minuten mit hohem Tempo möglich. Man kann jetzt wirklich guten Gewissens zu einem Fan des österreichischen Fußballs werden. Bloß in der Liga zwischen Salzburg und Wien kommt das nicht an. Kann auch nicht, denn diejenigen, die kicken können, haben längst ihren Hauptwohnsitz in Deutschland.

Aber wer weiß, vielleicht wird ja London ein zweites Cordoba für Österreich. Und vielleicht bekommen die österreichischen Legionäre auch noch eine kleine Prise vom Deutschland -Dusel ab, welches gestern der DFB-Elf half, im Wettbewerb zu bleiben. Dann wäre jede österreichische Fußball-Sehnsucht endgültig gestillt.

Fußball

Italien

Internationale Ligen

International

Wintersport

Tennis

Weitere Sportarten

Motorsport

Radsport

Wassersport

Events

Favoriten

Italien gegen die Bundesliga

Am Samstag trifft Österreich im EM-Achtelfinale auf Italien. Schafft die Alpenrepublik ein zweites Cordoba? SportNews-Kolumnist Sigi Heinrich hat sich Gedanken gemacht.

Empfehlungen

Kommentare (0)