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Shakhtar Donetsk in einem seiner Heimspiele im menschenleeren Olympiastadion in Kiew. © ANSA / ROMAN PILIPEY

Dem Krieg zum Trotz: Fußball in der Ukraine

Im Schatten des andauernden russischen Angriffskrieges ist am vergangenen Wochenende in der Ukraine die Fußballsaison mit einer unbedeutenden Niederlage von Shakhtar Donetsk zu Ende gegangen. Es war eine seltsame, traurige und zugleich doch Mut machende Spielzeit.

Mit einem Erfolg gegen den Zweitplatzierten Dnipro 1 hatte das mit Nationalspielern gespickte Shakhtar bereits am vorletzten Spieltag den Titel perfekt gemacht – seinen 14. seit der Unabhängigkeit der Ukraine.


Und doch wurde schon vor dem Anpfiff deutlich, dass Fußball im Land derzeit allenfalls eine Randerscheinung ist. Das Spiel begann mit einer Schweigeminute für die Kriegsopfer, doch auch während des durchaus munteren Kicks war von den Tribünen kaum ein Laut zu hören. Das Titel bringende 3:0 gegen Dnipro 1 hatte Shakhtar in der westukrainischen Stadt Lwiw vor leeren Rängen herausgespielt.

Shakhtar ist es gewohnt, in der Fremde zu spielen. Seit 2014, nachdem die prorussischen Separatisten in der ostukrainischen Industriemetropole Donezk die Macht übernommen hatten, ist das Team von Oligarch Rinat Achmetow praktisch ständig auf Reisen. Die Kicker trainieren und wohnen in Kiew. Seine „Heimspiele“ hat der Club abwechselnd in Lwiw, Charkiw und Kiew ausgetragen. In dieser Saison kamen Uschhorod, Minai und Riwne als Austragungsorte hinzu. Im Europacup musste Shakhtar in Polens Hauptstadt Warschau antreten, eine Reise von Hunderten Kilometern.

Die Fußballer Shakhtar Donetsk spielen im Europapokal sinnbildlich für die ganze Ukraine. © Tobias Unterhofer


Im Gegensatz zu früheren Jahren ist Shakhtar aber nicht der einzige Club auf Reisen. Östlich von Kiew konnte praktisch nicht gespielt werden. So mussten 13 der 16 Premier-Liga-Teams zumindest einmal außerhalb ihrer eigenen Region zu „Heimspielen“ antreten. Dass die Fans wegbleiben, ist angesichts der vielfältigen Probleme, die die Menschen im Krieg in der Ukraine unter dem russischen Raketen- und Drohnenterror haben, nachvollziehbar.

Und doch ist die Saison ein Riesenerfolg. Im Mai 2022 noch waren Bilder von Verbandspräsident Andrij Pawelko um die Welt gegangen. Der 46-Jährige stand mit einer Schutzweste bekleidet im zerstörten Stadion von Tschernihiw, einer Stadt im Norden der Ukraine. Die Tribünen waren nach russischen Bombenangriffen eingebrochen, der Rasen ebenso beschädigt wie die Trainingsräume und die sportärztliche Abteilung. Die Saison war zu dem Zeitpunkt schon lange abgebrochen worden, viele Spieler flüchteten ins Ausland.

Shakthar vertritt plötzlich eine gesamte Nation

Die Entscheidung, den Spielbetrieb wieder aufzunehmen, fiel auf oberster Ebene. „Ich habe mit Präsident (Wolodymyr) Selenskyj darüber gesprochen, wie wichtig der Fußball ist, um abzulenken“, sagte Pawelko im Sommer. Alle seien auf den Krieg fokussiert, doch der Fußball habe die Kraft, den Menschen den Glauben an die Zukunft zurückzugeben, so der Fußball-Funktionär.

Die Clubs bereiteten sich in Europa auf die neue Saison vor – und sammelten nebenbei Geld für Kriegsopfer, ukrainische Kinder, die ihre Eltern verloren haben. Rekordmeister Dynamo Kiew organisierte eine Tournee „Match for Peace. Stop the War“.

Als Shakhtar in der Winterpause Mychajlo Mudryk für die Rekordsumme von 100 Millionen Euro an Chelsea verkaufte, spendete Clubchef Achmetow ein Viertel davon für einen Fonds zur Unterstützung der Verteidiger von Mariupol. Die Stadt im Süden des Donbass-Gebiets war im vergangenen Frühjahr nach blutigen Kämpfen von den Russen zerstört und erobert worden. Die letzten Verteidiger im Stahlwerk Asow harrten monatelang aus und werden in der Ukraine als Helden verehrt. Achmetows Spende soll für medizinische Behandlung, psychologische Betreuung, Prothesen und dergleichen verwendet werden.

© ANSA / Robert Perry


Damit wollte sich der Milliardär auch vom Generalverdacht der politischen Unzuverlässigkeit reinwaschen. Lange galt er als graue Eminenz hinter dem korrupten und 2014 außer Landes geflüchteten Präsidenten Viktor Janukowitsch. Achmetows Patriotismus wurde bezweifelt, verhandelte er doch auch immer wieder mit den Separatisten, die die Macht in jener Region an sich gerissen hatten, in der er reich geworden war. Doch nach Kriegsbeginn hörte das auf – und auch Achmetow hat sich inzwischen klar zu Kiew bekannt.

Das heimatlose Shakhtar ist gewissermaßen zum Symbol des neuen Patriotismus in der Ukraine geworden. Der Verein präsentiert die Nation nach außen, bei seinen internationalen Auftritten fiebern wie bei Spielen der Nationalmannschaft Fans im ganzen Land mit. Und sportliche Erfolge sind wichtig für das kriegs- und krisengeplagte Land, das bei der Qualifikation für die WM in Katar erst an der letzten Hürde gescheitert war. Nun soll die frühere Dynamo-Legende Serhij Rebrow als Nationaltrainer die Mannschaft zu neuen Erfolgen führen. Der am Mittwoch installierte neue Chefcoach feiert am Montag im Länderspiel gegen Deutschland seinen Einstand an der Seitenlinie.

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