Die DFB-Auswahl besteht die erste Prüfung

Das neue Schuljahr hat kaum begonnen und obwohl es noch keine schwierigen Prüfungen gegeben hat, werden bereits Bestnoten verteilt mit einer Großzügigkeit, die es so schon lange nicht mehr gegeben hat. Freilich hat es lange auch keinen Grund dafür gegeben, denn in den letzten Jahren hat die Deutsche Fußball-Auswahl maximal durchschnittliche Leistungen abgeliefert und war vor allem damit beschäftigt, in der Klasse bleiben zu dürfen. Die Versetzung stand auf der Kippe. Jetzt hat man das Lehrpersonal ausgewechselt. Vor allem der frühere Schulleiter hat eingesehen, dass er nicht mehr in der Lage war, das Team zu motivieren. Er hat aus eigenem Antrieb das Handtuch geworfen, weshalb seine Stelle frei geworden ist. Hansi Flick, sein ehemaliger Co-Trainer, hatte sich zuvor ein paar Meriten beim FC Bayern verdient und den Chefposten im DFB-Tross übernommen. Aber er hat auch gleich zu Beginn der ersten Testphase erkennen müssen, dass er ein Wunder vollbringen soll. Gegen Liechtenstein sollten es schon mindestens ein halbes Dutzend Tore sein, schließlich war der Gegner ein Fußball-Winzling. Aber wie das so ist mit den Kleinen, können die plötzlich ganz groß herauskommen. Gut, die Liechtensteiner haben nicht wirklich Fußball gespielt oder mitgespielt. Sie standen in der Box (früher Strafraum) und hofften vor allem, dass die 90 Minuten gnädig vorübergehen würden. Das hat aus ihrer Sicht prima geklappt. Hansi Flick konnte nur zwei Tore notieren. Natürlich viel zu wenig und mit einem Mal war von einem enttäuschenden Einstand die Rede. Flick im Kreuzfeuer Die Angst ging um, dass sich doch nichts ändern würde unter dem neuen Personal. Flick wurde danach gleich mal richtig ins Kreuzfeuer genommen. Vor allem Rekordnationalspieler Lothar Matthäus schien bei der Analyse nach dem Match auf Krawall gebürstet zu sein. Er fand so ziemlich alles schlecht und ging auch nie auf die Tatsache ein, dass aller Anfang schwer ist oder schwer sein kann. Er sah wohl, wie so viele auch, in Flick den Medizinmann, der mit ein paar Beschwörungen Wunder vollbringen kann. Dabei hatte er ja kaum Zeit, seine neue Mannschaft einzustimmen oder ihr gar in aller Schnelle ein neues taktisches Konzept zu vermitteln. Das spürte man gegen Liechtenstein. Eine gewisse Unsicherheit schien noch bleiern über der Mannschaft zu liegen. Deshalb war die nächste Aufgabe bereits eine kleine Meisterprüfung, die von allen mit Argusaugen beobachtet wurde. Die Nummer 88 der FIFA-Weltrangliste, Armenien, war der offizielle Gegner in Stuttgart. Flick setzte auf einen starken Bayern-Block und siehe da: Das Wunder war vollbracht. Von der Flickschusterei zur Flickgala Und neben den Schulnoten, die ein auflagenstarkes Blatt in Deutschland so liebend gerne verteilt, wurden auch gleich ein paar Superlative mit eingebracht. Nach dem Spiel gegen Liechtenstein war noch von Flickschusterei die Rede, jetzt, ein paar Tage später, war es schon die Flickgala. Erst gezaudert und nun gezaubert. Das ist sie eben auch, unsere Welt der Ungeduld. Und mit den sechs Toren, die erzielt wurden, vergisst man im Rausch einer guten Vorstellung sehr leicht die Tatsache, dass nur gegen Armenien gespielt wurde. Und dem Gegner sei Dank hatten die Flickbuben auch mehr Platz auf dem Feld, denn Armenien wollte mitspielen. Die Räume wurden immerhin klug genutzt und aus der anfänglichen Skepsis nach dem Auftritt gegen Liechtenstein wird die Zukunft jetzt bereits wieder in rosigen Farben gemalt. So schnell kann das gehen. Doch das ist definitiv noch zu früh. Keine wirklich ernsthaften Prüfungen Auch wenn gegen Island erneut vieles so funktionieren sollte wie gegen Armenien, sind das noch immer keine wirklich ernsthaften Prüfungen. Vor allem auch die neuerlich veränderte Abwehrformation hat noch nicht einmal annähernd einen Härtetest bestehen müssen. Immerhin hat Hansi Flick jetzt erst einmal ein wenig mehr Ruhe um sich herum, was allen gut tun wird. Den Träumern und den Realisten. Noch ist nicht viel gewonnen. Eigentlich gar nichts. Es ist lediglich die Hoffnung auf bessere Zeiten nach der zuletzt düsteren Löw-Phase mit Leben erfüllt worden, auch weil es Flick in nur wenigen Wochen geschafft hat, die Spieler uneingeschränkt hinter sich zu versammeln. Er hat eine kluge Auswahl getroffen und eine prima Mischung aus Erfahrung und jugendlicher Leichtigkeit eingebracht. Es ist, das ist eine Lehre aus den beiden ersten Länderspielen unter Hansi Flick, in jedem Fall ein neuer Geist spürbar. Noch ist es keine neue Ära, die man ankündigen sollte, aber immerhin ist es dem neuen Cheftrainer gelungen, den schier ungebremsten Abwärtstrend zu stoppen. Das war die erste, wichtige Prüfungsaufgabe. Bestanden.

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