Die großen Gewinner der Fußball-WM in Katar

Und jetzt? Gut, immerhin brennen mittlerweile vier Kerzen am Adventskranz. Das ist ja schon jeden Morgen eine schöne Abwechslung, diese anzuzünden. Die Krippenbeleuchtung freilich muss noch warten bis zum Geburtstermin des kleinen Jesus. Noch sind ein paar Tage zu überbrücken. Bis jetzt gelang uns das ganz gut. Wir haben Fußball geschaut.

Irgendwie gab es gefühlt fast jeden Tag irgendein Match und danach natürlich immer wieder Kommentare überall, wie unmöglich und unverantwortlich diese Veranstaltung an sich doch sei in diesem bösen Katar mit diesen superreichen Scheichs und all ihrem Öl und Gas. Das wir freilich nicht haben, weshalb da schon etwas Neid aufkommt. Das darf man zugeben. Aber allen Unkenrufen zum Trotz wurde trotzdem gekickt. Die Wintersportler haben ihre Starttermine um den Fußball herum gestrickt. Es hat funktioniert und wir haben die Kritik irgendwann einfach ignoriert, verzaubert von Messis Pässen und Dribblings. Didier Deschamps: Einen Monat lang stand der Frankreich-Trainer bei der WM im Fokus. Jetzt ist sie vorbei. © APA/afp / FRANCK FIFE

Aber jetzt? Ohne Anstoß und Nationalhymnen und dem ganzen Brimborium tritt dann, ehrlich gesagt, doch eine gewisse Leere ein, die sich aber auch daraus ergibt, dass man uns mit den vielen Spielen die Planungen für den Tag und auch den Abend ziemlich aus der Hand genommen hat. Bequem einfach. Gianni Infantino, der Präsident des Internationalen Fußball-Verbandes (FIFA), hat das natürlich, ganz schlaues Kerlchen, sofort erkannt und will jetzt eine Klub-Weltmeisterschaft mit vielen, ganz vielen Spielen organisieren und die Weltmeisterschaft eventuell ausdehnen auf noch mehr Teams. Die Solomon-Inseln sind schon ganz heiß darauf. Zu Recht übrigens. Sie besitzen eines der besten Teams der Welt im Beachsoccer (Sandfußball), was man übrigens auch in Katar gut hätte spielen können.

Infantino jedenfalls sieht eine arbeitsreiche Zeit vor sich und fühlt sich sowieso neben Messi auch als großer Sieger dieser Weltmeisterschaft. Der Schweizer, der zwischenzeitlich seinen Wohnsitz sogar nach Doha verlegt hat, ist ein absolut begnadeter Strippenzieher. Er kann sich austoben in seinem Amt, weil ihn niemand in die Schranken weist. Die Präsidenten der vielen Landesverbände, die ihn kontrollieren müssten, sind Gefangene in ihren eigenen Systemen. Die Verlierer wie etwa Deutschland haben gerade mit sich selbst genug zu tun und keine Minute übrig, um auch noch Infantino auf die Finger zu schauen, was dieser unverblümt auch ausnutzt. Katar war seine Show. Sport als Motor für die Wirtschaft Es fällt mir schwer, ihn als einen der Sieger zu bezeichnen. Aber leider ist er das wie auch das Emirat Katar, das mit dieser Fußball-Weltmeisterschaft seinen Bekanntheitsgrad weiter gesteigert hat. Der Sport ist zu einem begehrten Werbefeldzug in eigener Sache geworden, weil die Katarer auch wissen, dass Öl und Gas nicht unendlich vorrätig sein werden. Die Rad-WM fand hier schon statt. Ebenso die Handball-WM oder die Leichtathletik-WM. Die Formel-1 ist gerne zu Gast und die Tenniselite hat, umnebelt von dem vielen Geld, das hier fließt, Katar zu ihrem Lieblingsaustragungsort eines Turnieres gewählt.

Der Golfstaat ist zu einer festen Größe im Sportkalender geworden und träumt jetzt von Olympischen Spielen. Und wenn Katar träumt, dann darf man davon ausgehen, dass der Emir und seine Verwandtschaft bereits ihre Fühler ausgestreckt haben. Allerdings, das mag den Schwung vielleicht etwas bremsen, geht nichts bis 2036, denn nach Paris steht bereits Los Angeles fest und 2032 ist Brisbane (Australien) schon auserkoren. Aber ich will mir jetzt nicht Phantasielosigkeit vorwerfen lassen. Die Olympischen Winterspiele haben nämlich für 2030 nach Mailand/Cortina noch immer keinen Ausrichter. Also auf geht´s Katar. Eine Skihalle gibt es schon in Doha. Eine Sprungschanze für das traditionelle Skispringen und auch für die Freestyler sollte in kurzer Zeit realisierbar sein. Schnee, das wissen wir ja längst, benötigt man nicht mehr unbedingt. Hallen für Eishockey und Eiskunstlauf und Eisschnelllauf sollten auch in wenigen Monaten gebaut werden können. Ein Fußball-Stadion der Superlative: Gebaut wurde es unter diffusen Bedingungen. © APA/afp / ODD ANDERSEN

Die ausgebeuteten Wanderarbeiter aus Nepal oder Bangladesch sind ja noch in Doha. In sieben Jahren wird man sicher auch Anlagen bauen können, die Kunstschnee produzieren bei sommerlichen Temperaturen für Loipen. Einzig was die alpinen Abfahrten betrifft, sehe ich eine gewisse Problematik. Aber diese könnte man eventuell aussourcen. Das klingt schon toll und wäre machbar. Ach so, ich vergaß die so wichtige Rodelbahn. Auch kein Problem. Frag nach in Peking. Der Winter muss sich vorsehen. Er wird über kurz oder lang einfach nicht mehr als solcher gesehen werden. Eine neue Sichtweise für alle Katar also darf auch als Sieger wahrgenommen werden trotz aller Bedenken, die ausführlich geäußert wurden in den vergangenen Monaten. Wir waren, auch wenn wir in unseren Wohnzimmern saßen, zu Gast in einer uns fremden Kultur. Das zu akzeptieren, fiel uns sichtlich schwer. Aber es hat nicht geschadet, neue Einflüsse in unser Leben zu lassen, gerade auch in einer Zeit, in der in Europa viele Menschenströme unterwegs sind.

Der große Sieger freilich ist, natürlich neben Argentinien, der Fußball, unser doch liebster Sport. Die Wandelbarkeit der Taktik, die Spannung im Elfmeterschießen, die genialen Pässe und Dribblings, die Stimmung in den Stadien: Es war überragend und das Finale war der ultimative Höhepunkt einer gewaltigen Show, deren Faszination wir uns letztlich doch nicht entziehen konnten. Ganz ehrlich: Das hat mich selbst auch überrascht, weil ich am Anfang meinte, dass ich mir diese WM in Katar nicht unbedingt ansehen müsse. Am Ende war ich, wie alle Fans, süchtig nach dem Kick und im Finale fast außer Rand und Band. Fußball halt.

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