Die Spione des Fußballs

Früher, das wissen wir und das versuchen uns die Altvorderen auch immer wieder einzubläuen, früher war alles besser. Natürlich. Forciert wird diese Anschauung durch den Weichzeichner der Zeit. Vergangenes verblasst oder wird in der Erinnerung immer mehr erhöht. Je nach dem persönlichen Empfinden. Anders war es auf jeden Fall. Die Spione zum Beispiel, die kamen vor fast 60 Jahren auf jeden Fall aus der Kälte. So zumindest steht es im Titel des zweiten Spionageromans von John le Carré, mit dem der Brite seinen internationalen Durchbruch schaffte. Angeblich schrieb er diesen Klassiker in nur fünf Wochen in einer Zeit tiefer privater Dissonanzen. Später wurde das Buch mit Richard Burton in der Hauptrolle erfolgreich verfilmt.

Doch die Zeiten haben sich geändert. Spione kommen jetzt aus der Wüste, wo die Hitze flimmert, Kamele vor sich hindösen, wo Wolkenkratzer stehen und neuerdings acht nagelneue Fußballstadien. Spione kommen nämlich aus Katar. Der Ausrichter der sehr bald stattfindenden Weltmeisterschaft wappnet sich jetzt gegen die vielen bösen Zungen, die da immer noch behaupten, dass es um die Menschenrechte nicht sonderlich gut bestellt sein soll. Viele Arbeiter sollen beim Bau der Spielstätten gar ums Leben gekommen sein und gewohnt haben sie wohl auch nicht so fürstlich wie die Scheichs.

Die Veranstalter fürchten – wohl auch zurecht – dass ihre Fußballschau mitten im europäischen Winter in Stadien mit energiefressenden Klimaanlagen verunglimpft wird. Dem wird jetzt vorgebeugt. 50 ausgewählte Fans wurden von Katar eingeladen, um die Weltmeisterschaft zu besuchen. Flug frei, Hotel frei, Tickets frei. Hurra. Das ist doch mal ein Angebot.

Gekaufte Berichterstattung Ich gehöre leider nicht zu den Auserwählten, wobei ich gar keine Zeit hätte, denn trotz Fußball werde ich mich wieder ausgiebig mit dem Biathlon-Weltcup als Kommentator bei Eurosport beschäftigen. Andererseits hat dieses Angebot natürlich einen gewaltigen und zutiefst unmoralischen Haken. Auch wenn auf der offiziellen WM-Internetseite das Projekt als ein Netzwerk von 400 Fans und Influencern beschrieben wird, ist die Botschaft klar. Der kostenlose WM-Trip ist gar nicht so kostenlos wie es scheint. Dafür erwartet der so generöse Gastgeber nämlich fleißig Berichte in den sozialen Medien.

La'eeb, das Maskottchen der WM. © APA/afp / GABRIEL BOUYS

Die Teilnehmer dieses Programms mussten einen &bdquo;Verhaltenskodex“ unterschreiben, der klar formuliert, was erwartet wird: Ausschließlich positive Kommentare von der Weltmeisterschaft sollen sie in die Welt hinausposaunen. Alles toll, alles wunderbar. Es könnte nicht schöner sein. Katar kauft sich mehr als nur freundliche Berichterstattung auf diesem Weg ein, weshalb das letztlich alles Fakenews sein werden, die mit allergrößter Vorsicht zu genießen sind.

Das Problem freilich sind all die Benutzer der Plattformen, auf denen die natürlich von den Veranstaltern geprüften Kommentare abgesondert werden. Es wird immer schwerer, die Wahrheit von den Lügen zu unterscheiden, weil diese meist schmeichelhaft verpackt werden. Die sogenannten Fans werden zu braven und völlig kritiklosen Berichterstattern. Dafür wurden sie geködert, ja eingekauft und sehen in ihrer Naivität nicht, dass sie damit willfähriges Werkzeug einer autokratischen Regierung geworden sind.

Denunzieren gehört zum Job Aber es kommt noch schlimmer, denn das ist nur ein Teil der Aufgaben dieser neuen Fan-Spezies. Sie sollen nämlich dem sogenannten Komitee beleidigende, herabsetzende oder gewalttätige Kommentare melden und diese nach Möglichkeit auch mit Screenshots als Beweise dokumentieren. Ja, das gab es früher auch schon mal. Sehr intensiv in der ehemaligen DDR. Dort war Spionage Teil der Gesellschaft. Selbst seinem liebsten Nachbarn konnte und durfte man nicht trauen. Denunzieren war Volkssport und erlebt jetzt in Katar unverblümt eine Fortsetzung.

Offiziell klingt das natürlich anders. Ein Sprecher des Komitees sagte es so der Nachrichtenagentur Reuters: &bdquo;Da das Turnier immer näher rückt, haben wir unsere aktivsten Fanbeauftragten gebeten, persönlich eine kleine Auswahl von Fans zu nominieren, die als Gäste zu uns kommen sollen, um Ihnen für ihre Mitarbeit zu danken.“ Das liest sich wie ein Märchen und es ist ja auch eines. Katar scheut sich nicht, neutraler und sauberer Berichterstattung die Stirn zu bieten. Folgen daraus fürchtet man nicht, denn man besitzt das größte zusammenhängende Erdgasvorkommen der Welt. Der gefragte Rohstoff ist Wohlstandsgarantie und Macht zugleich für den Wüstenstaat.

Früher versuchte Katar sogar, deutsche Unternehmen als Abnehmer zu gewinnen, zu einer Zeit, als Deutschland auf russisches Gas aus der Pipeline gesetzt hat. Jetzt wird Katar umworben und zeigt mit der Fußball-WM und ominösen Fan-Projekten, dass man klar und deutlich am längeren Hebel sitzt. Der Fußball wird rollen und die Richtung gibt der Veranstalter klar und unmissverständlich vor. Beschwerden von Seiten des Internationalen Fußball-Verbandes (FIFA) sind kaum zu erwarten. Der Präsident Gianni Infantino hat schon vor Jahresfrist seinen Wohnsitz von Zürich nach Doha verlegt und ist längst schon verlängerter Arm der regierenden Scheichs.

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