Kolumne | Zittern vor Luxemburg

Ein Volk atmet auf. Erst mal. Wir, also alle, die keine privaten Verpflichtungen mit TV-Sendern eingegangen sind, stehen nächstes Jahr bei der Fußball-Weltmeisterschaft doch nicht auf verlorenem Posten. Wir sind dabei. Nicht ganz mittendrin, aber immerhin werden 60 Spiele vom sogenannten frei empfangbaren Fernsehen, also ARD und ZDF, übertragen, wobei das alles natürlich eine Mogelpackung ist. Denn umsonst, das wissen wir längst, sind diese Sender ja auch nicht freigeschaltet. Zwangsgebühren werden erhoben und selbst wer nicht schaut, aber ein Gerät hat, muss löhnen. Nur so können die öffentlich-rechtlichen TV-Anstalten ihr zum Teil sehr teures Personal und ihren immensen Aufwand bezahlen. Dabei stünde auch zu beleuchten, wie intensiv die Pensionszahlungen sind, die den Etat vermutlich extrem belasten. Mehr und mehr wird ja dennoch eingespart. Die Qualität leidet. Billige Quizsendungen und unsägliche Show-Events haben längst auch dort Einzug gehalten, wo wir stets dachten, uns wird nur hochwertige Unterhaltung geboten. Sport gehörte wenigstens stets zum erwarteten Inhalt im Portfolio. Doch Sport ist auch teuer geworden. Fernsehrechte sind kaum noch refinanzierbar und längst ein Spekulationsobjekt geworden, weshalb sogenannte &bdquo;Sublizenzen“ helfen, die größten Ausgaben einigermaßen zu deckeln. Und so hat der eigentliche Rechtehalter, die &bdquo;Deutsche Telekom“ einen auch durch uns, den Gebührenzahler, finanzstarken Partner ins Boot geholt. Soll uns recht sein. Logisch, denn wir waren es ja von jeher so gewohnt und tun uns ja noch immer schwer mit den vielen &bdquo;Privaten“, was indes auch mehr und mehr verständlich wird. Die Inflation frisst uns auf und neben Käse, Butter, Fleisch und Wurst und schier endlos steigenden Restaurantpreisen, gibt es auch viele Sportereignisse nur noch gegen zusätzliche und stets steigende Bezahlung. Wie gesagt: Zusätzlich, denn die Monatsgebühr wird ja für die öffentlich-rechtlichen Anstalten automatisch eingezogen. Da ist es nur recht, wenngleich eben nicht billig, dass wir ein paar Spiele auf diesen Kanälen erhalten. Es fehlt eine Stammformation Ob diese allerdings auch verbunden sind mit Qualität, muss sich erst noch erweisen. Noch immerhin steht ja nicht einmal fest, dass die deutsche Fußball-Nationalmannschaft auch dabei ist in Mexiko, Kanada und USA. Man kann diese Feststellung als Provokation verstehen, aber ich verweise auf die große Fußballnation Italien, die zuletzt zweimal in Folge die WM-Turniere verpasste. Als viermaliger Weltmeister. Alles ist möglich. Nichts ist unmöglich. Es liegt mir fern, jetzt den deutschen Fußballteufel an die Wand zu malen. Nach den letzten beiden Begegnungen besteht indes berechtigt Grund zur Sorge. Sogar gegen Luxemburg am kommenden Freitag. Und nein, das ist nicht lächerlich, denn der deutsche Bundestrainer Julian Nagelsmann hat alles andere als eine eingespielte Truppe zur Verfügung. Das liegt auch an ihm, einem Suchenden für die beste Formation. Natürlich können immer Krankheits-und Verletzungsfälle dazu kommen, doch eine Stamm-Elf war und ist nicht zu erkennen. Zudem hat Nagelsmann auch noch keine für alle stets erkennbare Taktik gefunden. Ein Muster, indem sich neue Spieler und ältere schnell zurechtfinden. Noch immer scheint er sich in der Experimentierphase zu befinden, dabei geht es schon um jeden Punkt für die Weltmeisterschaft im nächsten Jahr. Und Hand aufs-Fußballerherz: Können Sie auf Anhieb die möglichen elf Spieler so schnell mal namentlich nennen, die möglicherweise gegen Luxemburg auflaufen werden? Seien Sie ehrlich. Es klappt nicht, denn es gibt sie nicht mehr, die Nationalmannschaft, wie wir sie noch von früher kennen. Die eingefleischte Truppe, die für die Kicker auch wie eine Heimat war. Lief es mal schlecht im Verein war das kein Beinbruch. Die Nationalmannschaft war trotzdem sicher. Auch das hat sich geändert. Schnell rein, schnell auch wieder raus. Ein permanentes Kommen und Gehen, das es im Grunde unmöglich macht, eine feste Struktur aufzubauen. Es mag schön und auch aufmerksam von Nagelsmann sein, dass er die aktuelle Form möglicher Kandidaten berücksichtigt. Es wäre aber dringend geraten, ein Jahr vor den Titelkämpfen eine Stammformation zu präsentieren. Und Spieler nach ihren Stärken einzusetzen und nicht nach ihren persönlichen Wünschen, sowie mögliche Formdellen seiner Nationalspieler einfach mal auszusitzen. Zu helfen, anstatt mit Ausschluss aus dem Kader zu strafen, wie das frühere Bundestrainer sehr wohl taten. Mit Erfolg übrigens. Hoffen auf die Wende Wir zittern also jetzt vor dem Match gegen Luxemburg, aber mehr noch auch die TV-Verantwortlichen, die sich die Zweitrechte gesichert haben für die WM im nächsten Jahr. Zu den 60 Spielen, die ARD und ZDF übertragen dürfen, sollen nämlich auch jene der DFB-Auswahl gehören. Wie heißt es schön. Wenn es ganz unglücklich läuft, kann es auch sein, dass man mit Zitronen gehandelt hat, die dann die Größe eines Balles haben und besonders sauer schmecken. Zum Autor: Sigi Heinrich Der vielfach prämierte Sportjournalist (u.a. Gewinner des Deutschen Fernsehpreise, des Bayerischen Sportpreises und nominier für den renommierten Grimme-Preis), Buchautor, ausgebildeter Sportlehrer (TU München), langjähriger Sportredakteur der Süddeutschen Zeitung und seit 1989 Kommentator bei Eurosport, widmet sich in seiner wöchentlichen Kolumne der gesamten Bandbreite des Sports. Und zwischendurch wildert er auch gerne in fremden Gefilden. Mal mit schmunzelndem Augenzwinkern, mal nachdenklich oder bewusst provozierend. Es soll ja für alles etwas dabei sein.

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