Mittelstürmer gesucht: Der DFB-Elf fehlt die Spitze

In der Mitte steht der Turm. Unfehlbar. Ein Magnet förmlich mit ungeheurer Anziehungskraft. Er ist Orientierungspunkt. Dort, wo er sich befindet, tobt das Leben. Die großen Geschichten des Lebens, auch im Fußball, werden dort geschrieben. Hier nämlich entscheidet sich vieles, oft alles, weshalb die Position ja auch Mittelstürmer heißt. Um ihn herum sind die Zulieferer. Um im Bild zu bleiben. Wie Sternstraßen läuft alles auf den Campanile zu. Von außen nach innen.

Der deutsche Fußball etwa war immer bekannt für Kicker, die dort, im Strafraum, Angst und Schrecken verbreiteten. Es gab sogar ein &bdquo;Kopfballungeheuer“. Horst Hrubesch bekam diesen Titel zugesprochen, weil er die Lufthoheit für sich beanspruchte. Dieter Hoeneß spielte mal mit einem Verband, aus dem aus einer klaffenden Wunde Blut sickerte. Und er schoss trotzdem weiter Tore. Wer nicht die Größe dieser beiden Riesen hatte, kompensierte das mit dem berühmten Torriecher, den ein Uwe Seeler hatte und natürlich auch Gerd Müller. Beide stürmten sogar zusammen bei der Weltmeisterschaft 1970. Zwei &bdquo;Neuner“, wobei Seeler hinter Müller platziert wurde. Der &bdquo;Bomber der Nation“ wurde damals Torschützenkönig mit zehn Treffern. Dass sich beide in Mexiko sogar ein Zimmer teilten, war nach ziemlich intensiven Scharmützeln im Vorfeld ein Wunder. Zwei, die sich um die goldene Mitte streiten, geht normalerweise nicht. Helmut Schön, der damalige Bundestrainer, hat es dennoch riskiert. Es krachte ziemlich im Gebälk. Aber immerhin. Er hatte noch die Qual der Wahl, der stets um Harmonie bedachte Sachse. Sein jüngster Nachfolger, Hansi Flick, sucht dagegen vergeblich nach einem Leuchtturm, nach einer Anspielstation in der Mitte des Fußballlebens. DFB hat die Stürmer-Ausbildung versäumt Es ist aussichtslos im Moment, weil es keine international hoffähigen deutschen Mittelstürmer gibt. Solche auszubilden, hat auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) in seinen Nachwuchsschulungen versäumt. In allen deutschen Spitzenclubs wird die Mittelstürmerposition von Ausländern eingenommen. Beim VFL Wolfsburg ist der Niederländer Wout Weghorst der Turm in der Schlacht. In Leverkusen vollendet der Tscheche Patrick Schick die Kombinationen seiner Vorderleute. Bei den Dortmundern prägt der kraftvolle und pfeilschnelle Ausnahmestürmer Erling Haaland aus Norwegen die Aktionen vor dem gegnerischen Tor. Ja und beim FC Bayern spielt mit dem Polen Robert Lewandowski der aktuelle Weltfußballer im Auge des Orkans. In der Bundesliga treffen vor allem ausländische Stürmer, wie der Niederländer Weghorst. © APA/afp / GINTS IVUSKANS

Alle vier würde Hansi Flick sicher mit Kusshand nehmen. Doch diesbezüglich sind ihm die Hände gebunden. Er muss improvisieren, denn Türme hat die aktuelle DFB-Elf nicht. Die Rochade mit Timo Werner ist bislang nicht gelungen. Der kleine ehemalige Leipziger, der momentan beim FC Chelsea in London spielt und dort nicht erste Wahl ist, steht sich meist selbst im Weg. Er ist nicht dort, wo es, wie es so schön heißt, extrem wehtut. Er weicht aus, doch dort wo er sich wohler fühlt, sind schon andere. Sane´ oder Gnabry zum Beispiel. Der Platz in der Mitte ist verwaist. Im Spiel gegen Rumänien ist das nur zu deutlich geworden. Flick hat noch immer eine Baustelle in der Mitte seines Teams und er hat, das ist die Crux an der Geschichte, keine Alternativen, denn auch Marco Reus aus Dortmund oder Thomas Müller vom FC Bayern München sind keine klassischen Mittelstürmer. Und so spielt sich das Leben der DFB-Auswahl derzeit hauptsächlich auf den Zubringerstraßen ab, verbunden mit der Hoffnung, dass von diesen dann eben druckvolle Aktionen kommen, die einfach vergessen lassen, dass die Mitte eine gähnende Leere ist. Dort, wo das Leben tobt, wo sich die Menschen treffen, wo eine Bar nach der anderen steht, gibt es für Flick nicht mal einen Würstchenstand. Gähnende Leere. Deutsche Mega-Talente sind allesamt keine Stürmer Noch ist das gut gegangen, wobei schon der erste wirklich ernsthaftere Gegner, nämlich Rumänien, die Schwächen der deutschen Mannschaft gnadenlos offengelegt hat. Es war nämlich kein wirklich gutes Match. Die Spieler seiner ehemaligen Mannschaft, FC Bayern, haben den neuen Bundestrainer gerettet, der sich noch nicht so recht hat lösen können vom bayerischen Einfluss. Die großen Talente wie Kai Havertz (FC Chelsea) oder Florian Wirtz (Bayer Leverkusen) schmorten auf der Bank wie auch das Megatalent Jamal Musiala (zufällig FC Bayern München). Aber sie alle sind bedauerlicherweise keine Möglichkeiten, um die Misere in der Mitte zu beenden.

Immerhin hat Flick der Mannschaft mit seiner gewinnbringenden Moderation neues Leben eingehaucht. Die Fans sind erst mal glücklich, dass die Ära des stets zu unnahbaren Joachim Löw vorbei ist. Flick hat Kredit von allen bekommen und muss dennoch versuchen, dem Team seine Handschrift zu verpassen. Das ist noch nicht passiert. Sein Vorgänger hat Flick eine Menge Probleme hinterlassen. Das Fehlen einer Anspielstation in der Mitte des Fußballlebens gehört dazu, denn so ein Turm, so eine wegweisende Orientierung, die man schon von Ferne sieht und die sich respekteinflößend in den Himmel streckt, wird vor allem gegen große Gegner notwendig sein. Nordmazedonien, Gegner am heutigen Montag, gehört nicht dazu, trotz des Sieges im Hinspiel gegen Deutschland.

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Mittelstürmer gesucht: Der DFB-Elf fehlt die Spitze

Im deutschen Fußball gab es immer gute Mittelstürmer mit vielen verschiedenen Talenten. Unser Kolumnist Sigi Heinrich erinnert sich an Horst Hrubesch und natürlich an Uwe Seeler und Gerd Müller und stellt fest, dass in der aktuellen Mannschaft die Mitte vor dem gegnerischen Tor verwaist ist.

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