Klopp lässt die Gerüchteküche brodeln

Er ist zwar – noch -nicht wieder da. Aber andererseits war er eigentlich auch nie richtig weg. Jürgen Klopp. Vermutlich hat es noch kein deutscher Trainer geschafft, zuhause derart präsent zu bleiben, obwohl er doch im Ausland arbeitet.

Der ehemalige Mainzer und Dortmunder Coach hat es so nebenbei geschafft, dass uns die Premier-League in England mittlerweile fast so wichtig erscheint wie die Bundesliga. Und wir haben durch seine Daueranwesenheit auf der Insel viel gelernt. Dass es alleine in London sieben Vereine gibt, die in der höchsten Spielklasse sind (Fulham, Chelsea, Crystal Palace, Tottenham, Brentford, West Ham und natürlich Arsenal) war mir, ehrlich gesagt, vorher nicht so geläufig. Gut, man kann auch ohne dieses Wissen überleben, aber es ist ja immer schön, wenn noch das eine oder andere Puzzle in unserer Bildung hinzukommt. Und dann geht Klopp auch noch nach Liverpool. Und natürlich habe ich damals nicht zu allererst an Fußball dabei gedacht, sondern an die Pilzköpfe, an die Beatles. Vor neun Jahren war das, als sich Jürgen Klopp, dieses Motivationsmonster als Trainer, auf den Weg in die Fremde machte. Jürgen Klopp in seiner Anfangszeit beim FC Liverpool. © APA/afp / JAVIER SORIANO

Er hat den Brexit erlebt - den nach den neuesten Umfragen 60 Prozent der Engländer gerne rückgängig machen würden - und viele große Momente als Coach. Er hat alles gewonnen, was irgendwie möglich war. Und nebenbei hat er in seiner Heimat für Versicherungen und Bierbrauer sein entwaffnendes Lächeln mit schneeweißen Zähnen in die Kamera gehalten. So verging beinahe kein Tag ohne Jürgen Klopp. Er war immer da, ohne dabei zu nerven, denn trotz seiner Omnipräsenz kam er sympathisch rüber und vor allem authentisch. Das vor allem könnte man als sein wichtigstes Markenzeichen betrachten. Er blieb sich wohl immer selbst treu, auch wenn so mancher Schiedsrichter nicht zu seinen künftigen Lebensfreunden gehören wird. Aber so wie in England war er schon bei seinen Stationen in Deutschland. Einer, der sich wohl am liebsten immer noch selber auf den Rasen geworfen hätte. Jetzt hört er auf. So zumindest klingt das im Moment und wird auch unterstrichen durch ein paar Bilder seiner Residenz in Mallorca. Das suggeriert natürlich klar und deutlich: Hallo, hier bin ich. Rentner Klopp. Warmes Klima, Blick auf das Mittelmeer (nehme ich mal an) und Ruhe, viel Ruhe.

Die Ruhe ist wohl trügerisch Wer´s glaubt, wird wohl auch in diesem Falle selig werden. Klopp und Nichtstun scheint vermutlich nur eine gewisse Zeit funktionieren zu können, in denen auch die Hummeln am Hintern mal Pause haben. Aber irgendwann, könnte ich mir vorstellen, wird dieser umtriebige Herr Klopp keinen Bock mehr haben auf Liegestuhl und Sonnencreme mit Faktor 50 (er hat ja in Liverpool nicht viele Strahlen von unserem Lebensplaneten erhalten und muss deshalb sehr vorsichtig sein). Er wird das eine andere Telefongespräch erhalten mit der einen oder anderen Offerte. Davon ist garantiert auszugehen, denn Klopp ist vermutlich nicht nur einer der besten Trainer der Welt (zweimal wurde er auch als solcher gewählt), sondern auch ein Ehrenmann.

Er verlässt Liverpool mit erhobenem Kopf wie zuvor auch Mainz oder Dortmund. Wo immer er war und aufhörte, tat er das mit der Grandezza eines Ehrenmannes. Mehr noch. Er kam als Hoffnungsträger und ging stets als Freund. Überall. Das alleine ist ein Charakterzug, der ihn zu einem Vorbild macht. Der Mann ist nicht nur ein Vulkan. Das ist die Seite, die wir hauptsächlich zu sehen bekommen. Er scheint indes auch mit dem Gefühl gesegnet zu sein, seine Spieler immer besser machen zu können. Dazu kommt ein gewaltiges Potential an Identifikationsfähigkeit mit seinem jeweiligen Arbeitgeber. Und jetzt, wo er fühlt, dass er nicht mehr die volle Schaffenskraft einbringen kann, dass ihm, wie er sagt, die Energie auszugehen droht, zieht er die Konsequenzen wie das wenige seiner Kollegen tun würden in einer ähnlichen Gefühlslage.

Der Markt wartet auf ihn Man muss kein Hellseher sein, um zu ahnen, dass wohl auf der ganzen Fußballwelt jetzt Präsidenten von Vereinen und Verbänden schon große Gedankenspiele in Gang bringen. Klopp verpflichten verspräche, den Erfolg zu holen. Als möglicher Bundestrainer war er in Deutschland schon mal im Gespräch, als sich der Verband von Hansi Flick trennte. Aber Klopp war ja gebunden, ist das im Grunde immer noch, wenngleich der laufende Kontrakt in Liverpool natürlich jetzt in seinem Sinn vermutlich elegant aufgelöst wird. Und der Vertrag mit Julian Nagelsmann, dem derzeitigen DFB-Coach, läuft nur bis zum Ende der Europameisterschaft. Es liegt auf der Hand, dass eine gewisse &bdquo;Kloppomanie“ angesichts der erstaunlichen Terminüberschreitung (Ende Kontrakt Nagelsmann – Klopf frei) jetzt wohl nicht zu vermeiden sein wird. Jürgen Klopp mit Julian Nagelsmann: Er könnte der Nachfolger des DFB-Trainers werden. © APA/afp / OLI SCARFF

Natürlich könnte Jürgen Klopp, wenn er wollte, schon morgen die Zusage geben. Und im Grunde entspräche so ein Job als Landestrainer ja durchaus eher der momentanen Lebensplanung. Kein tägliches Training, viel Freiraum und mit der einhergehenden Verantwortung könnte einer wie Klopp sicher leicht umgehen. Doch seine Popularität, die nur noch mit einem Weltmeistertitel für Deutschlands Kicker zu steigern wäre, könnte all diesen Überlegungen, die vermutlich auch Träumereien sind, früh ein Ende setzen. Schon jetzt, da er noch immer Liverpool-Trainer ist, gibt es kaum noch eine kloppfreie Zone. Und man stelle sich nur vor, Klopp, der ultimative Traumtrainer für den DFB, der vom Herrn persönlich gesandte Retter des derzeitigen Rumpelfußballs der Nationalmannschaft, wäre schon da. Unseren Klopp gib uns täglich, hieße wohl das Motto. Vorbei wäre es mit der Ruhe, der Erholung nach zwei Jahrzehnten intensiver Arbeit als Vereinstrainer. Mit Klopp als Trainer, egal wo er bisher wirkte, war es immer schon spannend und interessant.

Als künftiger Ex-Trainer legt er fast noch eine Schippe drauf, weil sich wohl niemand vorstellen kann, dass ein Pulverfass wie Jürgen Klopp nicht mehr zünden mag. Die Gerüchteküche jedenfalls wird brodeln in den nächsten Monaten. Die intensivste Klopp-Zeit beginnt wohl erst jetzt.

Zum Autor: Sigi Heinrich Der vielfach ausgezeichnete und preisgekrönte Sportjournalist (u.a. Gewinner des Deutschen Fernsehpreises und des Bayerischen Sportpreises), Buchautor und Eurosport-Kommentator der ersten Stunde (seit 1989), widmet sich in seiner Kolumne &bdquo;Sigi´s Spitzen“ der gesamten Vielfalt des Sports und wildert gerne auch in fremden Gefilden. Mal mit schmunzelndem Augenzwinkern, mal ernst und nachdenklich oder auch bewusst provozierend. Es soll ja für alle etwas dabei sein.

GB Premier League International	SP	TV	P
1. Arsenal FC	30	72:24	68
2. Liverpool FC	29	67:27	67
3. Manchester City	30	67:29	67
4. Aston Villa	31	63:46	59
5. Tottenham	30	62:44	57
6. Manchester Utd.	29	40:40	48
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