Der FC Südtirol so gut wie noch nie?

Der 71-Jährige kann dabei auf ein stabiles Fundament zurückgreifen. Lediglich fünf Neuzugänge muss Castori integrieren, von denen Rückkehrer Emanuele Pecorino (26 Spiele in der Saison 2023/24) das FCS-Umfeld bereits bestens kennt. Ideale Voraussetzungen für eine sorgenfreie Saison? Man wird sehen. Das Ziel der Weiß-Roten hat sich jedenfalls nicht geändert: Es ist und bleibt der Klassenerhalt in Italiens zweitbester Liga.

Tor und Abwehr Die Torhüter-Position ist die einzige größere Baustelle, die Paolo Bravo noch bearbeiten muss – oder zumindest will. Eigentlich würde der FCS-Sportdirektor gerne alle drei Keeper, die aktuell hinter Stammtormann Marius Adamonis im Kader sind, abgeben. Gelingt das nicht, steht zumindest Giacomo Drago (er lehnte alle Leihangebote bisher ab) komplett auf dem Abstellgleis. Der verdiente Giacomo Poluzzi könnte als Nummer zwei bleiben. Dahinter würde Daniel Theiner aus Meran die Position des dritten Torhüters bekleiden. Der 21-Jährige, einst als Riesentalent gehandelt, konnte sich im Profifußball bisher nicht durchsetzen. Bei Poluzzi gilt: Bietet ihm ein anderer Verein einen Zweijahres-Vertrag an, wird er gehen.

So oder so: Die Nummer eins im FCS-Kasten ist Marius Adamonis. Der Litauer ist ein solider Rückhalt und hat der Mannschaft im Frühjahr Sicherheit gegeben, nachdem Poluzzi und Drago das im Herbst nicht geschafft haben. Der 28-jährige Nationalspieler hat seinen Stammkeeper-Status einzementiert. Bleiben seine Leistungen stabil, ist er ein sicherer Rückhalt.

Filipe Bordon beim SportNews-Gespräch im Hotel Schneeberg in Ridnaun. © SN

Für die Abwehr ist Filipe Bordon neu gekommen. Der 20-jährige Brasilianer ist der Sohn des ehemaligen Bundesliga-Profis Marcelo Bordon (u.a. Schalke 04 und Stuttgart) und steht vor seiner ersten Saison im Erwachsenen-Fußball. In der Vorbereitung hat der Innenverteidiger, der auch auf der Sechs spielen kann, einen starken Eindruck hinterlassen, im Pokal gegen Como dagegen gepatzt. Körperlich stark und technisch gut, kämpft Bordon um Einsatzminuten in der Serie B.

Überhaupt sind die Weiß-Roten in der Abwehr extrem robust aufgestellt. Bordon, Raphael Kofler, Nicola Pietrangeli und Andrea Giorgini sind alle über 1,90 Meter groß. Da können die Routiniers Frederic Veseli (1,85) und Andrea Masiello (1,84) nicht ganz mithalten. Auch sportlich müssen beide um einen Stammplatz kämpfen – und zwar mehr als je zuvor. Masiello hatte unter Castori schon immer einen schweren Stand, Veseli war nach seiner Verpflichtung im Winter gesetzt. Aktuell fehlt der Albaner wieder verletzungsbedingt.

Im Italienpokal in Como bekamen Giorgini, Bordon und Kofler den Vorzug. Sie wären das jüngst mögliche Innenverteidiger-Trio, allerdings auch das talentierteste. Senkrechtstarter Pietrangeli muss seine starke Debütsaison beim FCS bestätigen. Zudem schwebt die Frage, ob Kofler in Südtirol bleibt, wohl bis zum letzten Transfertag (1. September) über dem FCS. Aktuell deutet alles darauf hin, doch es kann schnell gehen. Ein Abgang des Rablander Toptalents hätte nicht nur auf dem Platz Folgen. Der Untervinschger ist die neue Identifikationsfigur schlechthin, es dürften gar einige Fans auch wegen des U20-Nationalspielers ins Drususstadion kommen. Sollte die Abwehr so bleiben, wie sie zurzeit ist, dann hat Castori die Qual der Wahl. Auf dem Papier ist man hervorragend aufgestellt.

Mittelfeld Im Mittelfeld sind Mamadou Coulibaly (Catanzaro) und Simone Tronchin (Cittadella) neu dabei. Vor allem vom 26-jährigen Senegalesen erwartet man sich beim FCS viel – zumal ihn Castori von früher kennt. Im Sommer ließ der robuste Mittelfeldspieler bereits erahnen, was in ihm steckt. Gemeinsam mit Kapitän Fabian Tait und Daniele Casiraghi könnte Coulibaly ein laufstarkes Mittelfeld-Trio bilden, das sich in der Serie B nicht verstecken muss.

Alessandro Mallamo soll im Mittelfeld für Kreativität sorgen.

Auch an Alternativen fehlt es nicht. Alessandro Mallamo spielte in der Vorbereitung zwar meistens etwas offensiver, ist aber (vor allem als Joker) wertvoll. Jacopo Martini strebt in seinem zweiten Jahr nach mehr Einsatzzeiten und Tronchin wird seinen Platz ebenfalls finden wollen. Von den Abgängen schmerzt am ehesten jener von Niklas Pyyhtiä. Der FC Südtirol hätte den Finnen gerne behalten, der nun von Bologna nach Modena verliehen wurde und damit ein Liga-Gegner ist. In Mateusz Praszelik verließ ein weiterer Stammspieler der letzten Saison den Klub, wobei die Leistungen des Polen schwankend waren.

Auf den Außenbahnen hat sich wenig geändert. Salvatore Molina (rechts) und Simone Davi (links) dürften gesetzt sein. Zwar hält Castori auch große Stücke auf Hamza El Kaouakibi, der physisch herausragende Marokkaner ist aber sehr verletzungsanfällig. In naher Zukunft ist auch Karim Zedadka wieder fit, der vor seinem Kreuzbandriss den Stammplatz auf der linken Außenbahn inne hatte. Als Alternative steht zudem Federico Davi im Kader, der eine zweite Chance in der Serie B erhält.

Wie in der Abwehr ist der FCS auch im Mittelfeld auf allen Positionen doppelt besetzt. Castori kann aus verschiedensten Spielertypen wählen, ohne groß an Qualität zu verlieren. Vor allem Coulibaly kann mit seiner Robustheit ein echter Gewinn für den FCS sein, wenn er Aussetzer wie jenen zuletzt im Pokal in Como abstellt.

Angriff Im Angriff hat sich am meisten getan. Mit Pecorino (Juventus) und Jonathan Italeng (Atalanta) sind zwei Profis gekommen, die zuvor bei B-Mannschaften von renommierten Serie-A-Clubs gespielt haben. Im Vorjahr waren sie allerdings nach Frosinone (Pecorino) und in die Serie C zu Pontedera (Italeng) ausgeliehen. Der Kameruner hat dort eine starke Saison hinter sich: 12 Tore und vier Vorlagen können sich sehen lassen. Im Frühjahr 2024 spielte Italeng in Trient. Jetzt bekommt der 24-jährige Mittelstürmer erstmals eine Chance in der Serie B, wird sich vorerst aber hinter Raphael Odogwu, Silvio Merkaj und Pecorino anstellen müssen.

Emanuele Pecorino soll den FCS-Sturm eine zusätzliche Klasse verleihen.

Merkaj ist unter Castori richtig aufgeblüht und war im Frühjahr ein Schlüsselspieler. Der Albaner ist ein unermüdlicher Arbeiter im Angriff, allerdings ist er technisch nicht auf Topniveau. Prellbock Odogwu war im Sommer etwas angeschlagen, dürfte aber bis zum Saisonstart topfit sein.

Ansonsten steht Pecorino bereit, auf den Bravo große Stücke hält. Der großgewachsene 24-Jährige ist technisch beschlagen, kann kämpfen und ist enorm kopfballstark. Einzig die Torausbeute ist ausbaufähig – vielleicht gelingt ihm das heuer. Das Potenzial dafür bringt der Sizilianer mit. Castori hat im Angriff verschiedenste Optionen, zumal auch Mallamo im Sommer als hängende Spitze eine gute Figur machte. Odogwu, Merkaj und Pecorino haben ihre Ligatauglichkeit nachgewiesen. Italeng hat ein interessantes Profil. Physisch sollte es beim Afrikaner für die Serie B reichen. Entscheidend wird sein, wie schnell er sich auf das neue Niveau begibt.

Prognosen Kann der FCS endlich wieder eine sorgenfreie Saison ohne große Abstiegsnöte spielen? Schafft es Castori, nicht im Herbst entlassen zu werden? Und muss Bravo heuer endlich einmal nicht im Winter den kompletten Kader umkrempeln, weil die Sommer-Transfers eingeschlagen haben? Diese Fragen werden in den kommenden Monaten auf den Plätzen der Serie B beantwortet werden – wobei sie im Grunde allesamt zusammenhängen.

Funktionieren die Neuen, wird der FCS punkten und sich von hinten fernhalten. Das wiederum wird Castori den Job in Südtirol sichern. Der Kader scheint ein solches Szenario herzugeben. Ein Vorteil, der andere Jahre nicht gegeben war, ist die geringe Fluktuation in diesem Sommer. Die meisten Spieler kennen Castoris Ideen und wissen, was der Coach von ihnen verlangt. Das ist ein Vorteil, der nicht zu unterschätzen ist. Neue Spieler zu integrieren, braucht immer Zeit.

Auch wenn der FCS finanziell weiterhin zu den Schlusslichtern gehört, scheint der Kader heuer gut aufgestellt zu sein. Auf den ersten Blick hat Bravo gute Arbeit geleistet. Die Wahrheit liegt jedoch wie immer auf dem Platz. Die Chancen, sich heuer von Beginn an im Mittelfeld einzunisten, sind für den FCS aber so hoch wie nie zuvor in der Serie B.

Serie B Italien	SP	TV	P
1. Frosinone	16	31:14	34
2. Monza	16	21:12	31
3. Cesena	16	24:17	30
4. Venezia	16	28:13	29
5. Palermo	16	25:11	29
6. Modena	16	24:11	29
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