Nur Pech oder doch eine Qualitätsfrage?

2 späte Gegentore (83./90.+5) vermiesten den rund 4.000 FCS-Fans den Sonntagabend im Drususstadion. Dabei hatte der FC Südtirol gegen den Favoriten aus Venedig und dessen individuelle Qualität lange Zeit sehr, sehr stark agiert. Am Ende bleibt die Verbitterung über den Last-Minute-K.o. – und die Frage nach dem Warum.

FCS-Interimstrainer Leandro Greco wusste ganz genau, was ihn gegen Venezia erwartet. Trotz der Co-Trainer-Rolle im Meisterjahr an der Seite von Ivan Javorcic ist der ehemalige Roma-Profi keine 1-zu-1-Kopie des Kroaten. In den wenigen Tagen, in denen Greco als Cheftrainer bei den Weiß-Roten das Sagen hat, stellte er zahlreiche Dinge um. Vom Zauli-Zauder ist nichts mehr zu sehen. Stattdessen läuft in der Serie B eine Mannschaft auf, die klare Ideen und Prinzipien erkennen lässt.

Ein Punkt betrifft den Spielaufbau. Mit dem Ball agiert der Greco-FCS schon jetzt innovativer als die Meistermannschaft aus der Vorsaison. Gegen Venezia hatte Linksverteidiger Tommaso D'Orazio einen Spezialauftrag. Hatten die Innenverteidiger den Ball, blieb er zunächst tief. Damit wurden die gegnerischen Außenstürmer angelockt. In der Folge rückte D'Orazio in das Mittelfeld ein. Folgte ihm der Gegner, war der Passweg auf Linksaußen Matteo Rover frei. Blieb der Venezia-Außenstürmer stehen, war D'Orazio im Mittelfeld frei. Hier nutzte Greco sein Wissen über Javorcic aus, der ein sehr mannorientiertes Pressing spielen lässt.

Raphael Odogwu erzielte für den FCS das erste Tor in der Serie B. © Press - FC Südtirol

Greco setzte zudem auf Angriffspressing. Damit hatte Venezia arge Probleme. Mutig schob sich das weiß-rote Mittelfeld nach vorne und setzte die Innenverteidiger unter Druck. Der sehr offensive Ansatz von Greco wurde belohnt. Mit der verletzungsbedingten Auswechslung von Fabian Tait änderte sich die Herangehensweise ein bisschen. Das lag nicht an Greco, sondern schlicht daran, dass Luca Belardinelli (mehr Sechser als Achter) ein komplett anderer Spielertyp als Tait ist. Die Kniffe von Greco gingen zunächst auf. Einen Faktor kann allerdings kein Trainer der Welt beeinflussen: die individuelle Qualität der Spieler. Warum fielen die Gegentore? In puncto Qualität war der FC Südtirol unterlegen. Schonungslos aufgezeigt wurde das beim Gegentreffer zum 1:1-Ausgleich. Weil Innenverteidiger Marco Curto für eine Sekunde nicht auf Michael Cuisance herausrückte und damit den Zwischenlinienraum offen ließ, fiel das Tor. Der Franzose, den sich der FC Bayern München vor 3 Jahren 8 Millionen Euro kosten ließ, hat die technische Finesse, den wenigen freien Raum so entscheidend auszunutzen.

Mit der Einwechslung von Simone Davi für Mirko Carretta, die Greco im Nachhinein vielleicht nicht mehr vornehmen würde, änderte sich das FCS-Spiel. Formell blieb die Mannschaft gegen den Ball im 4-5-1-System. Weil Davi ein gelernter Linksverteidiger ist und kein Flügelstürmer wie Carretta, agierte er von Natur aus viel tiefer. Auf der anderen Seite praktizierte Rover genauso. Die Folge: Der FCS stand oftmals mit einer Sechserkette tief in der eigenen Hälfte. Das machte nicht nur das Kontern unmöglich (weil es vorne auf den Seiten keine Anspielstationen mehr gab). Man überließ Venezia auch das komplette Mittelfeld. Ohne viel Druck konnten sich die Lagunenstädter den Ball vor dem FCS-Strafraum zupassen.

Nach einem langen, kräfteraubenden Spiel fälschte Curto unglücklich ins eigene Tor ab. Doch auch hier gilt: Kein Gegentor ohne Fehler. Ein Innenverteidiger sollte am eigenen 5-Meter-Raum immer mit dem Körper nach vorne gedreht agieren – eben um solche Eigentore zu vermeiden. Das mag hohe Verteidigungskunst sein, doch in der Serie B ist dieses Niveau gefordert.

Werden diese kleinen, aber entscheidenden Fehler nicht ausgemerzt, wird es ganz schwer für die Südtiroler. Nur im Kollektiv kann der FCS punkten, denn die meisten Gegner sind qualitativ besser aufgestellt. Manche sogar mehr als nur deutlich.

Serie B Italien	SP	TV	P
1. Parma	33	59:32	69
2. Como	33	49:35	64
3. Venezia	33	60:38	61
4. Cremonese	33	43:28	59
5. Catanzaro	33	53:42	55
6. Palermo	33	58:48	51
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Nur Pech oder doch eine Qualitätsfrage?

Der FC Südtirol hat sein 1. Serie-B-Heimspiel der Vereinsgeschichte auf eine Art und Weise verloren, die kaum bitterer hätte sein können. War die Last-Minute-Pleite gegen Venezia (1:2) einfach Pech oder hat sie taktische Gründe?

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