Was den FC Südtirol so stark macht

Luca D’Angelo brachte es am Wochenende auf den Punkt. &bdquo;Das ist eine Mannschaft, gegen die es brutal schwer ist. Alle haben Probleme gegen den FC Südtirol.“ Kurz zuvor hatte der Pisa-Trainer eine 0:1-Niederlage einstecken müssen. Trotz 41 Flanken in den Strafraum, trotz 27 Schüssen (aber nur 5 davon auf das Tor) und trotz einem Expected-Goal-Wert (zu erwartende Tore im Bezug auf alle Offensivaktionen) von 2,90 Toren war den Toskanern kein Treffer gelungen. Diese Statistiken sind kein Einzelfall.

Bei allen 4 Rückrunden-Siegen hatten die FCS-Gegner einen höheren xG-Wert. Auch sonst ist kaum ein Wert der Weiß-Roten Ligaspitze. Jetzt mag manch einer die moderne Datenanalyse im Profifußball in Frage stellen. Doch so einfach ist es nicht, denn über eine gesamte Saison gesehen, korrelieren Daten oftmals mit der Tabellenregion. Doch der FC Südtirol führt aktuell die Statistiken ad absurdum. Warum ist das so? Und wie ist der Erfolgslauf des Aufsteigers einzuschätzen?

Das Union Berlin Italiens 37,5 Prozent. Dieser Wert lässt viele Fußballkenner aufhorchen. Es ist der Durschnitt des Ballbesitzes, den der FC Südtirol während einer Partie hat. Keine andere Mannschaft in der Serie B hat auch nur annähernd so wenig den Ball in den eigenen Reihen. Nur Schlusslicht Cosenza schießt weniger oft in Richtung Tor als die Südtiroler (251, davon 84 auf das Tor). In Sachen Chancenverwertung liegen Raphael Odogwu & Co. im Ligamittelfeld. Dafür sammeln die Einwechselspieler nur bei Parma mehr Spielminuten als jene der Weiß-Roten. Trainer Pierpaolo Bisoli weiß um den intensiven Stil und gibt seinen Jokern rund 25 Minuten pro Partie. Das sorgt dafür, dass immer frische, laufstarke Akteure auf dem Platz stehen. <a data-caption="Union-Trainer Urs Fischer und Bisoli scheinen Brüder im Geiste zu sein. Der Schweizer pflegt in Berlin einen sehr ähnlichen Stil und ist damit erfolgreich. © APA/afp / JOHN MACDOUGALL" data-fancybox="inline-146315" target="_image" href="https://s3-images.sportnews.bz/_images/scale/1280x1280/img/2023/02/union-trainer-urs-fischer-und-bisoli-scheinen-brueder-im-geiste-zu-sein-der-schweizer-pflegt-in-berlin-einen-sehr-aehnlichen-stil-und-ist-damit-erfolgr.jpg"> Union-Trainer Urs Fischer und Bisoli scheinen Brüder im Geiste zu sein. Der Schweizer pflegt in Berlin einen sehr ähnlichen Stil und ist damit erfolgreich. © APA/afp / JOHN MACDOUGALL

Und noch in einem Wert ist der FCS stark: 244 Mal kam ein weiß-roter Profi durch einen abgefangenen Pass in Ballbesitz (nur SPAL ist besser). Darauf fußt das Bisoli-Prinzip. Tief stehen, Bälle abfangen und kontern. Dafür braucht es keinen Ballbesitz und keine ausgeklügelten Offensiv-Laufwege. Stattdessen schalten die Südtiroler schnell um und überraschen den Gegner in jenem Moment, wenn er am wenigsten an das Verteidigen denkt.

Der Gegner darf bis 40 Meter vor das eigene Tor kommen, dann wird kompakt verschoben und mannorientiert Zugriff auf den Gegner erzeugt. Dadurch entstehen enge Räume, die den Gegner zu Ballverlusten zwingen. Die Südtiroler schnappen zu und kontern so schnell wie möglich. Gegenpressing funktioniert gegen den FCS nicht, denn direkt nach der Balleroberung folgt der vertikale Pass (oftmals ein langer Schlag in Richtung Odogwu). In Deutschland gibt es mit Union Berlin einen vergleichbaren Klub, wobei es die Hauptstädter auf rund 45 Prozent Ballbesitz bringen (drittschwächster Wert der Liga). Union ist hinter dem FC Bayern auf Rang 2.

Die Stärken der Südtiroler, die Schwächen der Liga Die Stärken des FC Südtirol sind das starke Verteidigen des eigenen Strafraums, perfekte Konter-Spielzüge und das Kopfballspiel. 10 Tore haben die Weiß-Roten so erzielt, das ist Liga-Spitzenwert. Bisolis Team hat einen klaren Plan, die Mannschaft ist taktisch extrem diszipliniert. Dazu kommt die Euphorie im und rund um den Verein. Ein nicht zu unterschätzender Faktor. Pierpaolo Bisoli kennt die Serie B wie seine Westentasche und zieht zahlreiche Vorteile daraus.

Fußballspiele werden auch auf höchstem Niveau oftmals durch den Zufall – im Sport-TV oftmals als Episoden bezeichnet – entschieden. Und hier läuft aktuell so gut wie alles für den FCS. In Pisa gelang mit dem ersten Angriff und dem daraus resultierenden Eckball die Führung. Liegen die Weiß-Roten einmal vorne, wird es für den Gegner noch schwerer. Die Räume werden minimiert – und weil es in der Serie B kaum Mannschaften gibt, die gutes Positionsspiel betreiben und dadurch einen tiefen Gegner bespielen können, hat D'Angelo recht: Alle tun sich gegen den FCS schwer.

Bisoli weiß das. Er hat seine Mannschaft perfekt auf die Liga und die Meisterschaft eingestellt. Die Serie B ist eine Konterliga, ein Wettbewerb, wo individuelle Qualitäten (z.B. das Dribbling) wenig zum Tragen kommen und es kaum Trainer gibt, die ihren Teams klare Ideen mit Ball einimpfen. Was wiederum auch daran liegt, dass sie keine Zeit bekommen. In der aktuellen Saison gab es schon Trainerwechsel bei 14 (!) Vereinen (siehe eigne Meldung). Nur 4 Klubs (Frosinone, Bari, Cittadella, Modena) haben ihren Trainer schon länger als ein Jahr – und bei allen läuft es gut bis sehr gut. Kontinuität ist den meisten Klubbossen trotzdem ein Fremdwort.

Darum ist Pierpaolo Bisoli perfekt für den FCS Schon alleine deshalb ist der Bisoli-Style in der Serie B so gut geeignet. Er nutzt die Schwächen der Gegner mit vermeintlich einfachen Mitteln aus und macht sein Team dadurch stark. Bisoli weiß, was es in der Serie B braucht, um Erfolge einzufahren. Sein Charisma, die Fähigkeit, eine &bdquo;Underdog-Mentalität“ zu kreieren und der unbändige Arbeitsgeist kitzeln noch ein paar Prozentpunkte mehr aus der Mannschaft heraus. Das alles macht ihn aktuell zum perfekten Trainer für den FCS.

Ein Einbruch der Weiß-Roten ist meilenweit nicht in Sicht. Doch dass es mit den Ergebnissen so weiter geht, auch nicht. Der FCS holt derzeit mehr Punkte, als ihm die Statistiken zuschreiben. Eine klassische Overperformance. Bisoli weiß, dass sich das Momentum schnell drehen kann und stapelt auch deshalb weiter tief. Fans und Verantwortliche dürfen trotzdem träumen. Warum sollte diese Rekordsaison nicht mit der Play-off-Teilnahme enden?

Serie B Italien	SP	TV	P
1. Frosinone	38	63:26	80
2. Genoa (-1)	38	53:28	73
3. Bari	38	58:37	65
4. Parma (-1)	38	48:39	60
5. Cagliari	38	50:34	60
6. FC Südtirol	38	38:34	58
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Was den FC Südtirol so stark macht

Mit 12 Punkten aus 4 Spielen ist der FC Südtirol in das Jahr 2023 gestartet. Besser geht es nicht. Warum sind die Weiß-Roten aktuell so stark? Und was hat der Höhenflug mit den Trainer-Konfusionen der Gegner in der Liga zu tun?

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