Kolumne: Ein fader Kick um Millionen

&bdquo;Hereinspaziert. Hereinspaziert. Sie sehen die größten Attraktionen, die diese Welt zu bieten hat. Es wird ein unvergessliches Erlebnis werden. Sie werden es nicht bereuen. Und sie müssen nur die Hälfte zahlen. Ja, die große Show ist fast umsonst.“ Gianni Infantino heißt der Marktschreier. Seine Ware ist Fußball. Ein Selbstläufer eigentlich. Ausverkaufte Stadien sind gewährleistet, zumal wenn es sich um eine Weltmeisterschaft handelt. Doch diesmal, in den Vereinigten Staaten beim Treffen der angeblich weltbesten Vereinsmannschaften, ist alles anders, trotz Rabatte bei den Tickets.

Es hat bislang noch kein Spiel gegeben, das ausverkauft gewesen wäre, weil schlicht keiner den sportlichen Wert dieser Veranstaltung definieren kann. Der golden schimmernde Pokal, der schon eine kleine Weltreise im Rahmen einer Werbekampagne hinter sich hat, würde natürlich jede Vereinsvitrine aufwerten, doch darum geht es nun wirklich nur am Rande. Es geht, wieder einmal, wenn der Präsident des Internationalen Fußball-Verbandes (FIFA) eine Idee verwirklicht, um Geld. Um viel Geld.

Auch Erling Haaland spielt bei der Club-WM mit. © APA / DAVID RAMOS

Und nur deshalb sind 32 Mannschaften dabei. Der FC Bayern München etwa erhält nur als Antrittsprämie 27 Millionen US-Dollar. Der erste Gegner der Münchner, Auckland City, bekommt 3 Millionen US-Dollar. Für einen Amateurclub eine Menge Geld. Dafür mussten die Neuseeländer, deren Spieler Urlaub beantragen mussten für diese Veranstaltung, gleich zu Beginn eine historische Schlappe einstecken. Sie verloren 0:10 gegen den FC Bayern. Ein Ergebnis, das auch deutlich machte, wie aufgeblasen und unausgewogen dieses Turnier ist.

Geld aus Saudi-Arabien Es ist in erster Linie eine Weltmeisterschaft, die den Reichen noch mehr Reichtum bescheren soll. Das Geld dafür kommt aus Saudi-Arabien. Die Saudis sorgen auch für die mediale Verbreitung. Im vergangenen Jahr hat der Streaminganbieter DAZN einen Deal mit einem saudi-arabischen Sportinvestmentfond abgeschlossen. Laut Medienberichten betrug der Umfang etwa eine Milliarde Dollar. Beinahe exakt die Summe, die Infantino für den Verkauf der Fernsehrechte, für die sich lange niemand interessiert hatte, erhalten hat. Von den Saudis. Für DAZN.

Simone Inzaghi trainiert seit einigen Tagen den saudi-arabischen Verein Al-Hilal. © APA/afp / CHANDAN KHANNA

Es geht übrigens das Gerücht, dass es einen Zusammenhang geben könnte mit der Tatsache, dass die FIFA die Fußball-Weltmeisterschaft, also jene der Nationen, für 2034 schon den Saudis zugeschanzt hat. Und nur so nebenbei, damit klar ist, dass Ethik und Moral im Fußball gänzlich ausgeblendet werden: Laut Amnesty International hat Saudi-Arabien im Jahr 2024 (Stand Oktober) 198 Menschen hingerichtet. Es ist die höchste Zahl seit 1990.

Agnès Callamard, internationale Generalsekretärin von Amnesty International, sagte dazu. &bdquo;Die saudischen Behörden führen eine unerbittliche Hinrichtungswelle durch, die eine erschreckende Missachtung des menschlichen Lebens darstellt. Gleichzeitig fahren sie eine Kampagne leerer Worte, um ihr Image aufzupolieren.“

Fußball als Randsportart Der Fußball ist für Saudi-Arabien eine Möglichkeit, die Welt zu täuschen. Und die Kicker machen schier gedankenlos mit. Sie lassen sich für den niederen Zweck einspannen und mit Geld bestechen. Es ist ihnen scheinbar egal, woher es kommt. Hauptsache, der Rubel rollt, denn schließlich müssen wieder neue Spieler gekauft werden. Und der Transfermarkt explodiert Jahr für Jahr. Nach Angaben von Uli Hoeneß führt alleine die Teilnahme an der Klub-WM dazu, dass die Münchner in diesem Jahr keinen Verlust machen.

Das erstickt natürlich jedwede Kritik, die ursprünglich mal aufkam wegen zu hoher Belastung der Spieler und so weiter. Vorbei. Jetzt wird gespielt und kassiert. Fertig. Die halbleeren Stadien nimmt man in Kauf. In den USA ist Fußball, also &bdquo;Soccer“, wie man in den Vereinigten Staaten sagt, nur eine Randsportart. Über Football wird diskutiert, über Basketball, Baseball und bis vor ein paar Tagen auch noch über Eishockey, weil die Finalspiele um den Stanley-Cup ausgetragen wurden. Das sind die sportlichen Themen neben den täglichen Trump-Erschütterungen, die viele, sogar gestandene Republikaner, in den USA verunsichern.

Die Klub-WM im Fußball folgt dem Mechanismus vieler Verbände, die noch nicht verstanden haben, dass man ein Produkt auch begrenzen muss, um die Sehnsucht danach am Leben zu erhalten. Die Resultate und Analysen der Spiele dieser Klub-Weltmeisterschaft füllen deshalb lediglich ein wenig das sportliche Sommerloch, in das wir freilich immer gerne gefallen sind, da es sowieso kaum noch Pausen gibt, die uns innehalten lassen. Das Motto ist deshalb klar: Wir registrieren die Ergebnisse, damit wir fit sind, wenn die Ligaspiele wieder beginnen. Mehr Beachtung muss angesichts der dramatischen Weltlage nicht sein. Es gibt derzeit Wichtigeres als einen faden Kick um zweifelhafte Millionen.

Zum Autor: Sigi Heinrich Der vielfach prämierte Sportjournalist (u.a. Gewinner des Deutschen Fernsehpreises, des Bayerischen Sportpreises und nominiert für den renommierten Grimme-Preis), ausgebildeter Sportlehrer, Buchautor, langjähriger Sportredakteur der Süddeutschen Zeitung und seit 1989 Kommentator bei Eurosport, widmet sich in seiner wöchentlichen Kolumne der gesamten Vielfalt des Sports. Zudem wildert er gerne auch in fremden Gefilden. Mal mit schmunzelndem Augenzwinkern, mal nachdenklich oder auch bewusst provozierend. Es soll ja für alle etwas dabei sein.

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