Sigi's Spitzen | Der Bär ist los im deutschen Fußball

Wörter haben nach wie vor eine ungeheure Kraft, weshalb man höllisch aufpassen muss, welche man verwendet in welcher Zeit und zu welchem Anlass. Momentan ist klar, dass &bdquo;bärig“ nicht eben gut ankommt, obwohl es doch so viele Bedeutungen haben kann. Großartig, toll oder außergewöhnlich. Oder auch anstelle von gewaltig könnte man &bdquo;bärig“ schreiben. Aber da sind halt im Moment ziemlich irritierende Assoziationen mit diesem Wort verbunden.

Bären sind Wildtiere und seit dem Tod von Andrea Papi, der nachweislich beim Joggen im Trentino von einem Bären getötet wurde, sehen wir unseren &bdquo; Knuddelbär“ mit anderen Augen. Er, der uns mit seinen treuen Kulleraugen ein unverzichtbarer Gefährte in unserer Kindheit war, entpuppt sich als Monster. Wir haben ihn an unsere Brust gedrückt, ihn aufs Bett gesetzt. Wir haben ihn gestreichelt. Ach noch viel mehr. Wir hatten ihn einfach lieb unseren Bären. Das muss natürlich jetzt ein Ende haben. Spätestens seit Bruno, der in Oberbayern in der Nähe des Tegernsees fröhlich durch Wald und Wiese marschierte und auch die eine oder andere Biotonne umwarf, gibt es sogenannte &bdquo;Problembären“, die es thematisch dann sogar in verschiedene Regierungsgremien schaffen. Daumen rauf. Er darf weiterleben. Daumen runter heißt dann natürlich, dass er &bdquo;entnommen“ werden kann. Feuer frei also.

Slowenien hat neue Ideen Edmund Stoiber hieß vor 17 Jahren bei Bruno der Ministerpräsident Bayerns, der sich zum Abschuss entschloss, was ihn viele Sympathien kostete. Denn der Bär hält sich wacker als &bdquo;Schmusebär“ und ist mit seiner tapsigen Gangart herzallerliebst. Vielleicht liegt es eben auch an diesem Bären-Weltbild, dass Tierschützer die Augen tränen, wenn vor allem der Bär nicht artgerecht behandelt wird. Bären in Ketten, die Kunststücke vollführen, gehörten früher zu jedem Wanderzirkus. Klar, das ist kein bäriges Leben und auch die sogenannten &bdquo;Restaurant-Bären“ sind arme und bemitleidenswerte Viecher. Sie vegetieren in Betonkäfigen ohne Frischwasserzugang vor sich hin und werden mit süßem Brei gefüttert. Ihre Aufgabe ist es rein durch ihre Anwesenheit, Kunden anzulocken.

Als Vorspeise empfehle ich dann Bären-Salami. Die gibt es wirklich. Die angeblich beste kommt aus Slowenien, einem Land mit sehr hoher Bärendichte. Und weil man dort eben aufpasst, dass die Population nicht weiter zunimmt (im Moment gibt es etwa 900 bis 1000 Bären) ist immer mal wieder Material für eine Wurst vorhanden, die dann vor dem Verkauf freilich fünf Jahre mindestens reifen sollte. Die Zeit der &bdquo;Restaurant-Bären“ neigt sich indes ihrem Ende zu. Zum Glück, denn natürlich hat auch der Bär ein artgerechtes Leben verdient, auch wenn manche der zotteligen Gesellen momentan einige Regionen in Angst und Schrecken versetzen, gemeinsam mit dem Wolf. Der &bdquo;Bärenwald Müritz“, ein Zoo in Mecklenburg-Vorpommern hat jetzt zwei Schwestern aus der Ukraine aufgenommen, die sich jetzt zum ersten Mal in ihrem Leben in Freiheit austoben können. Allerdings hat man dem wilden Treiben mit Zäunen eine Grenze gesetzt. So wie es sein soll.

Der Bär als Maskottchen Wir kommen halt nicht los von unseren Bären und werden uns im nächsten Jahr auch weiterhin mit ihnen beschäftigen, denn das Maskottchen für die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland ist ein Bär. Ein moderner Bär freilich, mit Stupsnase, wie wir sie lieben, aber mit ganz besonders großen Augen, die uns schmachtend anschauen. Es ist eine Art &bdquo;Cyber-Bär“ aus einer anderen Galaxy. Bei den Olympischen Spielen in München ist man damals noch klassisch auf den Hund gekommen. &bdquo;Waldi“ hieß der Dackel. Und der konnte wirklich keiner Fliege was zuleide tun. Anders war es schon 1984 in Sarajevo mit &bdquo;Vucko“. Das war ein Wolf. Aber natürlich auch ein ganz lieber. Einer der herzzerreißend jaulen konnte und garantiert nie Schafe gerissen hätte. Besonders einfallsreich und vor allem neu ist die Bärenvariante freilich nicht. Das Antholzer Maskottchen „Bumsi“ ist ein Bär. © os

Schon in Antholz wurde 2007 bei der Biathlon-Weltmeisterschaft Meister Petz bei den Fans geschätzt und vor allem als Stoffausgabe fleißig gekauft. &bdquo;Bumsi“ hieß er. Der Name ist also vergeben, denn nun beginnt eine der schwierigsten Missionen von Philip Lahm. Der ehemalige Nationalspieler ist nämlich OK-Chef nächstes Jahr und verantwortet deshalb federführend das Projekt &bdquo;Ein Bär für Deutschland“. Dass die Mannschaft des Gastgebers derzeit alles andere als einen bärigen Fußball spielt, darf ihn dabei nicht irritieren. Klar, momentan wäre vielleicht eine kleine Schildkröte passender, weil ihr Panzer doch einiges an Kritik abprallen lassen könnte. Und davon gibt es anlässlich der derzeit orientierungslosen Vorstellung der DFB-Auswahl wahrlich genug. Für eine Neuorientierung ist es freilich zu spät.

Der Bär ist jetzt erstmal los und benötigt natürlich jetzt einen einprägsamen, verkaufsfördernden Namen. Dazu ist möglicherweise ein Volksentscheid notwendig. Es wird garantiert irgendetwas niedlich klingendes werden. So wie &bdquo;Bärli“ vielleicht, damit wir nicht ständig daran erinnert werden, dass wir es im Grunde eben doch mit einem Großwildtier zu haben, dessen Streicheleinheiten tödlich sein können. Und es würde sogar passen, denn nach Jogi (Löw) kam ja Hansi (Flick). Man bliebe im Verniedlichungsmodus und alles wäre lieb und nett und so schön kuschelig. Und ein wunderbarer Kontrast zur bösen Welt, in der Belgier, Ukrainer und Kolumbianer rücksichtslos die Flickschusterei aufdecken, die sich derzeit im deutschen Fußballteam ausbreitet.

Zum Autor. Sigi Heinrich Der vielfach ausgezeichnete Sportjournalist und Eurosport-Kommentator (u.a. Deutscher Fernsehpreis, Bayerischer Sportpreis, Biathlon-Award und World-Sports-Trophy) widmet sich in seiner Kolumne &bdquo;Sigi´s Spitzen“, der gesamten Vielfalt des Sports und wildert gerne auch mal in fremden Gefilden. Mal mit schmunzelndem Augenzwinkern, mal ernst oder bewusst provozierend. Es soll ja für alle etwas dabei sein.

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