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Andrei Makarov ist zurzeit nur Zuschauer beim HC Meran. © Sarah Mitterer

Von der NHL ins Kriegsgebiet: Merans Eishockey-Star erzählt

Von einem Auftritt im Eishockey-Olymp, über erfahrene Russland-Feindlichkeiten in den USA, die Flucht aus der bombardierten Ukraine bis hin zu einem kompletten Neubeginn in Südtirols Bergwelt. Andrei Makarov ist erst 30 Jahre alt, doch mit seinem Erlebten könnte er ganze Bücher füllen.

Von:
Alexander Foppa

Als der notorisch klamme HC Meran am 6. August 2023 Andrei Makarov als Neuzugang präsentiert hat, rieben sich viele Eishockeybeobachter ungläubig die Augen. Einen russischen Torhüter im besten Sportleralter mit einer Vergangenheit in den größten Eishockeyligen der Welt zieht es in die beschauliche Kurstadt – ein absoluter Transferhammer! Dies ist er auch jetzt noch, obwohl Makarov seit jenem 6. August nur ein einziges Ligaspiel bestritten hat.


Sein Beginn in Meran war nämlich ähnlich bewegt, wie die Jahre zuvor in seiner Karriere. Gleich am ersten Spieltag wurde der Torwart in Kitzbühel von einem Gegner mit einem Check brutal zu Boden gestreckt, dabei hat er sich beim Aufprall an der Schulter verletzt. „Mittlerweile haben die Schmerzen nachgelassen, ich kann auch wieder eislaufen“, sagt Makarov. Merans Teamleader Thomas Mitterer bremst aber: „Ein Einsatz kommt zu früh, wir dürfen nichts riskieren.“ Makarov wird wohl erst Mitte November wieder zwischen den Pfosten stehen.

Nichtsdestotrotz ist der Blondschopf aus der Millionenmetropole Kasan bester Laune, als ihn SportNews nach einer Physio-Einheit in der MeranArena zum Gespräch trifft. In fließendem Englisch sprudelt es aus ihm heraus: „Ich bin begeistert von Meran, von Südtirol, von dieser fantastischen Bergwelt. Der Klub und die Fans haben mich super aufgenommen!“ Vor seinem Wechsel zum HCM hatte sich Makarov lange Bedenkzeit genommen, wohl auch, weil ihm ein finanziell besseres Angebot aus Frankreich vorlag. „Wir haben dann auf eine Entscheidung gedrängt“, schildert Vereinspräsident Stefan Kobler, „und jetzt sind wir überglücklich, ihn hier bei uns zu haben. Der Spieler ist eine Attraktion für Meran, ja für die gesamte Liga.“

Andrei Makarov stand bislang nur beim Saisonauftakt in Kitzbühel im Einsatz. © BK Photo


Für Makarov war der Vereinswechsel nicht nur eine berufliche Wahl, sondern eine Lebensentscheidung. Er kann sich vorstellen, mit seiner Frau und seiner dreijährigen Tochter in Südtirol sesshaft zu werden. „Ich möchte, dass mein Mädchen hier Deutsch und Italienisch lernt“, so der Familienvater. Unmittelbar nach seiner Zusage an den HCM galt es für Makarov aber – wie so oft in seiner Vita – erstmal große Hürden zu bewältigen. Zum einen weil ihm Russland nicht sofort die Ausreise gewährte, zum anderen, weil es am Tag seines geplanten Abflugs in Moskau einen Drohnenangriff gab. „Das waren chaotische Stunden. Wir hatten regen Telefonkontakt mit Andrei und waren dann enorm erleichtert, als er endlich im Flieger saß“, erinnert sich Mitterer.
„Ich wurde in Donetsk stets gut behandelt.“ Makarov über den Ukraine-Krieg

Für Makarov waren die Erlebnisse am Moskauer Flughafen ein Déjà-vu. Erst anderthalb Jahre zuvor wurde eine Reise für ihn zum absoluten Abenteuer, nämlich als er fluchtartig die Ukraine verlassen musste. Als sein Heimatland Russland im Nachbarstaat einfiel, stand Makarov inmitten der Krisenregion beim HC Donbass Donetsk unter Vertrag. Der Verein ist mittlerweile nicht mehr aktiv, die Gegend, in der der Eishockeyprofi damals lebte, weitgehend zerstört. Angesprochen auf diese Erlebnisse, wird der sonst so redegewandte Makarov plötzlich wortkarg. Er betont aber: „Als ich dorthin gewechselt bin, wurde nicht zwischen Ukrainern und Russen unterschieden. Leider hat sich dann alles geändert. Ich wurde aber stets gut behandelt, man blieb mir keinen einzigen Cent schuldig.“

Für Makarov ging es zurück nach Russland und zwar nicht, wie angestrebt, in die Weltklasse-Liga KHL, sondern eine Stufe tiefer in die VHL. „Wir hatten in einer Saison vier verschiedene Trainer, da lief wenig zusammen“, schildert er und sagt mit entschlossenem Ton: „Deshalb habe ich diesen Sommer einen Tapetenwechsel gebraucht. Es war das schwierigste Jahr meiner Karriere.“

Schwere Vorwürfe in Buffalo

Schwierig war für Makarov nicht nur die Zeit bei VHL-Klub Buran Voronezh, sondern auch das Ende seines langen Nordamerika-Abenteuers im Frühjahr 2016. Von den Buffalo Sabres in der NHL ging es für ihn damals mit vielen Nebengeräuschen zum chinesischen KHL-Klub Kunlun Red Star. In russischen Medien soll Makarov dem damaligen General Manager der Sabres, Tim Murray, schwerwiegende Russland-Ressentiments vorgeworfen haben. Der Fall sorgte amerikaweit für Aufsehen. Fakt war, dass Buffalo zuvor mehrere Landsleute von Makarov abgegeben hatte und der Goalie zwischenzeitlich der einzig verbliebene Russe im Franchise-Aufgebot war. Er wurde, trotz guter Fangquoten, fast ausschließlich im Farmteam der Sabres in der AHL aufgeboten.

Andrei Makarov ist sich der großen Tradition des HCM bewusst. Er hat hier noch viel vor. © Sarah Mitterer


Jahre danach im Kabinentrakt des Meraner Eisstadions überspielt der smarte Osteuropäer diese wilde Zeit in den USA mit einem verschmitzten Lächeln. Er bleibt seinem Motto treu und versucht, auch dieser Situation Positives abzugewinnen. „Ich habe in Nordamerika unglaublich viel gelernt, es waren so viele schöne Momente dabei.“
„Es war das absolut Größte.“ Makarov über seinen NHL-Einsatz

Den schönsten dieser Momente erlebte der damals 21-Jährige am 4. April 2015 in New York, als er zum ersten und einzigen Mal in der NHL ran durfte. Es war eine 0:3-Niederlage der Buffalo gegen die Islanders. Das Ergebnis ist in Nachbetrachtung völlig nebensächlich. „Dieses eine Spiel, dieser eine Abend – es war das absolut Größte. Ein derartiges Gefühl hatte ich in meinem ganzen Leben noch nie.“ Während Makarov diese Worte spricht, leuchten seine blauen Augen hell auf. Das breite Grinsen, seine Mimik verraten: Dieser Mann hat etwas erlebt, wovon die jungen Eishockeyspieler auf dem benachbarten Eislaufplatz der MeranArena nicht einmal zu träumen wagen.

Makarov ist bemüht, die guten Einträge in seinem Curriculum hervor zu heben, die schwierigen Phasen hinter sich zu lassen. „Eishockey ist ein wunderschöner Sport“, sagt er abschließend, „und ein enorm schnelllebiger dazu. Warst du gestern noch ganz unten, kann die Welt morgen schon anders aussehen. Das gilt auch für den HC Meran und mich. Ich denke, wir können heuer noch Großes schaffen.“ Und da ist es wieder, dieses Funkeln in Makarovs Gesicht. Der Mann mit der besonderen Lebensgeschichte versprüht eine Begeisterung, die Merans Eishockeybewegung guttut. Und wohl auch der gesamten Alps Hockey League.





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