Die Weißroten feiern im schwarzgelben Fahnenmeer: Bozen gewann das vielleicht denkwürdigste Derby aller Zeiten. © 2024,Vanna Antonello

Bozens Derby-Wunder: „Nach dem 0:4 gab’s schon blöde Sprüche“

Sensation, Wahnsinn, Wunder: Wie man es auch bezeichnen will, der HC Bozen hat mit seiner unglaublichen Aufholjagd im Derby gegen Pustertal etwas geschafft, das es so schnell nicht mehr geben wird. Der HCB-Kapitän gab uns anschließend einen Einblick in seine Gefühlswelt.

14. Februar 2024

Daniel Frank streicht sich in der Mixed Zone der Intercable Arena durch sein lockiges Haar. Er schaut kurz zu Boden. Denkerpose. „Hmm“, sagt er schließlich. „Ich bin jetzt schon lange dabei. Aber nach einem 0:4-Rückstand noch zu gewinnen, daran kann ich mich nicht erinnern.“

Die Analyse des HCB-Kapitäns über das, was sich in den zweieinhalb Stunden zuvor abgespielt hat, wirkt erstaunlich nüchtern. Dabei hätte Frank mit seiner Bozner Entourage allen Grund gehabt, vor Freude an die Decke zu springen. Ausgerechnet im Derby gegen den HC Pustertal, ausgerechnet in jenem Spiel, das Eishockey-Südtirol so sehr in den Bann zieht wie kein anderes Match, ausgerechnet dort hat der HC Bozen einen Sieg gefeiert, über den wohl noch in vielen Jahren gesprochen wird.

Luca Frigo (rechts) traf für Bozen zum zwischenzeitlichen 2:4. © Iwan Foppa

Nach 22 Minuten lag der HCB gegen den Erzrivalen aus Bruneck in diesem für die Tabelle so wichtigen Match mit 0:4 hinten. Ein weißrotes Debakel zeichnete sich ab, während sich die 2900 Pusterer Fans auf eine schwarzgelbe Party einstimmten. Dass dieses Spiel noch eine irre Wendung nehmen würde, daran konnte und wollte im Wolfsrudel keiner glauben. Zu abgeklärt agierten die Pusterer, zu groß war der Vorsprung, zu wackelig präsentierten sich die Füchse. Doch dann legten die Talferstädter plötzlich den Schalter um, starteten das Comeback des Jahres und gewannen nach Verlängerung mit 5:4.

„Ich habe auch nach dem 0:4 noch an unsere Chance geglaubt.“ Daniel Frank

„Pustertal hat uns gleich unter Druck gesetzt und die Dinger vorne einfach eiskalt reingemacht. Wir hatten Lattenpech, zudem machte Andy (Bernard, Pustertals Goalie, Anm. d. Red.) einen starken Job. Dass es so schnell 0:4 steht, hätte ich mir nicht gedacht“, so Frank, der mit einem Grinser anfügt: „Von einigen meiner Kollegen aus der Pusterer Mannschaft bekam ich auf dem Eis schon blöde Sprüche zu hören. So etwas gehört dazu, und es puscht auch noch einmal extra. Ich muss sagen, ich habe auch nach dem hohen Rückstand an unsere Chance geglaubt, denn die Art, wie wir gespielt haben, war nicht 0:4-like.“

Spieler stürmen aufs Eis, Fans ziehen blank

Durch den 1:4-Treffer von Brad McClure am Ende des Mitteldrittels entsprang ein Funke, der im Schlussabschnitt zum lodernden Feuer ausartete. Bozen riss das Momentum an sich, war nicht mehr zu halten, spürte, dass der Gegner von Minute zu Minute an Selbstvertrauen verlor – und holte Tor um Tor auf. Als Josh Teves in der Verlängerung nach Pass des überragenden Brad McClure zum 5:4 einschob, stürmten alle Bozner Cracks aufs Eis – und manch ein mitgereister Fan zog auf der Tribüne blank.

Bozens Kapitän Daniel Frank (links) und Pustertals Matthias Mantinger vor dem Match-Start. © Iwan Foppa

Derby hin oder her – Daniel Frank weiß, was an diesem Abend das Wichtigste war. „Die Punkte! Und wir brauchen diese zwei Zähler sehr dringend, denn wir wollen unbedingt oben bleiben.“ Oben, das sind in dem Fall die Top 6, also die direkten Playoff-Plätze. Mit dem Overtime-Sieg über Pustertal haben die Foxes einen guten Schritt dorthin gemacht, wobei auch die Wölfe in den restlichen drei Partien immer noch Chancen haben, direkt in die Postseason einzuziehen. Das Feld ist nämlich extrem eng beieinander. Deshalb sagt Frank auch zum Abschluss: „Die Freude heute ist natürlich riesig, doch gefeiert wird erst, wenn wir die Top 6 unter Dach und Fach haben.“