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Kurt Kleinendorst hat keine einfache Zeit hinter sich. © Thomas Hahn

Der Bozen-Trainer: Ein Schicksalsschlag führt ihn hierher

Kurt Kleinendorst hat als Eishockey-Trainer schon mehrere Titel gewonnen, er hat in vielen Ligen und Ländern gearbeitet – und künftig soll er dies beim HC Bozen tun. Vor seinem Dienstantritt gestattete er uns ein Exklusiv-Interview, das plötzlich eine ungeahnte, emotionale Wende nahm.

Von:
Alexander Foppa

Als SportNews Kurt Kleinendorst vor wenigen Tagen am Telefon erreichte, saß dieser gerade im Auto auf einem Highway in seiner Heimat, im nördlichen US-Bundesstaat Michigan. „Wir haben hier große Distanzen, das ist nicht so wie in Europa. Wir haben also viel Zeit zum reden“, eröffnete er das Gespräch.


Kurt Kleinendorst nahm sich dann sogar so viel Zeit, dass neben Eishockey-Themen auch viel Persönliches zur Sprache kam. Der 64-Jährige erzählte von traurigen Verlusten, von Auszeiten, vom geplanten Neubeginn und von vertraulichen Vier-Augen-Gesprächen bei seinem jüngsten Südtirol-Besuch.


Herr Kleinendorst, Sie waren vor einem Monat zur Vertragsunterschrift in Bozen. Welchen Eindruck haben Sie gewonnen?

„Also Bozen und Südtirol kannte ich bereits, das ist kein Neuland. Im Zuge meiner Vertragsunterschrift hatte ich mehrere Gespräche, unter anderem mit meinem Assistenten Fabio Armani, dem ich eine wichtige Rolle einräume. Außerdem bin ich rund eine Stunde lang mit Daniel Frank zusammengesessen. Ich war sofort beeindruckt von ihm. Genau so eine Persönlichkeit wünscht sich jeder Trainer als Kapitän.“


Warum kannten Sie Südtirol bereits?

„Ich war mit Manchester Storm Ende der 90er-Jahre schon mal zu Gast in der Eiswelle, außerdem habe ich 2019 mit Nürnberg an einem Vorbereitungsturnier in Bozen teilgenommen. Mir gefielen die Stadt, das Umland damals so gut, dass ich einige Zeit später, während einer Länderspielpause, einen Urlaub mit meiner Frau hier verbracht habe.“

Kurt Kleinendorst hat mit HCB-Boss Dieter Knoll einen Vertrag bis Sommer 2026 unterschrieben.


Was zieht Sie nun beruflich nach Bozen?

„Auf diese Frage gibt es eine Antwort mit sportlichem Bezug: Ich will endlich wieder Titel gewinnen, und diese Chance sehe ich in Bozen. Dann gibt es da noch einen zweiten Aspekt, den ich auf einen persönlichen Schicksalsschlag zurückführe.“


Wollen Sie uns den erzählen?

„Am 17. Dezember 2019 geschah in unserer Familie etwas Einschneidendes: Mein Bruder Scot, früher selbst erfolgreicher Profi in der NHL, verließ frühmorgens in Arbeitsmontur gekleidet und mit einer Lunchbox in der Hand das Haus und kehrte nie mehr zurück. Er kam bei einem Arbeitsunfall ums Leben. Ich hatte eine sehr enge Bindung zu ihm und deshalb lange daran zu knabbern. Irgendwann habe ich zu mir selbst gesagt: 'Schau, wie schnell alles vorbei sein kann. Nimm dein Leben in die Hand und genieße es.' Nach diesem Motto handle ich seitdem. Ich will jeden Tag dazulernen, Neues sehen und erleben. Deshalb habe ich mich jetzt für Bozen, ein neues Land, eine neue Liga, ein neues Abenteuer entschieden.“
„Es gibt wichtigeres als Eishockey: die Familie“ Kurt Kleinendorst

Sie haben seit Ihrer Entlassung in Iserlohn im Oktober 2022 kein Team mehr betreut. Warum?

„Ich liebe Eishockey, dieser Sport ist mein Lebensinhalt. Es gibt da aber noch Wichtigeres: die Familie. Ein Elternteil meiner Frau, das mittlerweile leider verstorben ist, war in dieser Zeit schwer erkrankt. Da habe ich erstmal alles hinten angestellt, um für meine Familie da zu sein. Das war mir sehr wichtig.“


Gab es in Vergangenheit bereits Kontakt zum HC Bozen?

„Ja, regelmäßigen sogar. Die vergangenen Sommer war ich immer wieder im Austausch mit Personen aus dem HCB-Umfeld. Wir haben uns über eine mögliche Anstellung als Trainer unterhalten, in erster Linie habe ich aber bei der Spielervermittlung geholfen.“


Apropos Spielervermittlung: Wonach halten Sie gerade Ausschau?

„Im Tor sind wir mit Sam Harvey grandios besetzt, auf allen anderen Positionen sind wir auf der Suche. Ich bin in täglichem Austausch mit Dieter Knoll, mit anderen Verantwortlichen und mit Agenten. Da geht es nicht um Namen, Ligen oder Statistiken. Wir haben ein klares Spielerprofil ausgearbeitet und suchen parallel. Wichtig ist: Die Neuen müssen charakterlich passen. Um das rauszufinden, müssen viele Gespräche mit den potenziellen Neuverpflichtungen geführt werden.“
„Ich bin nicht Glen Hanlon, sondern Kurt Kleinendorst“ Kurt Kleinendorst

Hatten Sie Kontakt zu Ihrem Vorgänger Glen Hanlon?

„Nein, ich sehe auch keinen Grund darin, ihn zu kontaktieren. Glen kenne ich noch von früher aus der NHL, er war bei den New York Rangers Teamkollege von meinem Bruder Scot. Er ist eine großartige Person, ein Mann mit ungeheurem Erfahrungsschatz. Ich habe seine Arbeit in Bozen sehr genau beobachtet und kann sagen, dass er vieles richtig gemacht hat. Allerdings bin ich nicht Glen Hanlon, sondern Kurt Kleinendorst. Ich trete in große Fußstapfen, werde aber meinen eigenen Weg gehen.“


Wie würden Sie sich selbst als Trainer und als Mensch beschreiben?

„Der Trainer und der Mensch Kurt Kleinendorst ist ein und dieselbe Person. Ich bin jemand, bei dem sich alles um Fortschritt dreht. Ich will eine Entwicklung sehen, ich will Schritte nach vorne gehen. Das zählt fürs Leben abseits des Eises, aber auch für das Spiel selbst. Ich will, dass sich mein Team weiterentwickelt. Wir können nur erfolgreich sein und um Titel spielen, wenn wir während einer Saison besser werden. Darum geht’s.“

Eishockey-Trainer Kurt Kleinendorst hat Spaß an seinem Job. © Thomas Hahn / Eibner-Pressefoto


Sie haben in der NHL absolute Superstars trainiert, später sind Sie jahrelang durch die DEL getingelt. Was nehmen Sie aus dieser Zeit mit?

„In New Jersey durfte ich als Teil eines Trainerteams mit großen Eishockeyspielern zusammenarbeiten, doch später, im Jahr 2011, als Headcoach mit Binghamton die AHL zu gewinnen, war noch viel schöner. Nirgendwo sonst ist es schwieriger, Meister zu werden, als in der zweiten Liga Nordamerikas. Im Grunde will niemand in dieser Liga spielen, alle wollen in die NHL. Du musst Spieler bei Laune halten, sie formen und zugleich erfolgreich sein. Die Zeit in Deutschland hat mich später als Mensch enorm geprägt. Ich habe nicht nur eishockeytechnisch meinen Horizont erweitert, sondern buchstäblich eine neue Welt kennengelernt. Ich liebe Europa.“


Was werden Sie künftig an Bozen lieben?

„Ich liebe den Verein, die Stadt, das Land jetzt schon. Am meisten freue ich mich aber auf das Playoff-Eishockey, dieses prickelnde Gefühl der Alles-oder-Nichts-Spiele. Bis dahin liegt jedoch noch viel Arbeit vor uns. Also heißt es, Ärmel hochkrempeln und loslegen.“

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