
Enttäuschte Bozen-Cracks vor einer beeindruckenden Kulisse. © DLife
Manchmal haben Märchen eben kein Happy End
Kein Eishockeyspiel hat in den letzten Jahren die Massen so sehr elektrisiert wie jenes am Freitagabend in der Sparkasse Arena. Statt einer berauschenden Party gab es für den HC Bozen am Ende aber bittere Tränen. Warum die Foxes in gewisser Weise trotzdem gewonnen haben.
23. April 2023

Von:
Thomas Debelyak
Eishockey gilt gemeinhin als der härteste Mannschaftssport der Welt. Doch es sind eben auch nur Menschen, die da unten auf dem Eis stehen. Menschen mit vielen Emotionen, wie am Freitagabend nach Bozens dramatischer 1:2-Niederlage in der rappelvollen Sparkasse Arena einmal mehr klar wurde. Während Salzburg auf einer Seite des eisigen Ovals den Titel feierte, den an diesem Abend wohl auch einige Bullen-Fans nicht mehr für möglich gehalten haben, stand den Bozner Spielern der Schock, die Fassungslosigkeit, die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben.
Mike Halmo weinte hemmungslos. Mike Dalhuisen konnte sich die Siegerzeremonie nicht ansehen und starrte stattdessen mit leerem Blick in die entgegengesetzte Richtung. Und als Daniel Frank, der Kapitän, am Ende noch einmal eine Ehrenrunde drehte, wurde auch er von einem Tränen-Schwall erfasst. Was war das für eine Chance, was hätten wir heute schaffen können – so in etwa dürften die Gedanken unter seinem grünen Helm ausgesehen haben.
Ein Hype, weit über die Eishockey-Szene hinaus
Als die am Boden zerstörten Bozner Cracks die lange Siegerzeremonie der Salzburger über sich ergehen lassen mussten, wurden sie ununterbrochen von den eigenen Fans gefeiert – wie eine Mutter, die ihren geknickten Sohn mit allen Mitteln versucht, aufzumuntern. Denn die Foxes haben ihren leidenschaftlichen Anhängern in den letzten Monaten viele glückliche Momente geschenkt, so viele wie schon lange nicht mehr. Angefangen beim Sieg des Grunddurchgangs über die Qualifikation für die Champions Hockey League bishin zu den Derbysiegen gegen Asiago und HC Pustertal. Und dann wären da natürlich die Playoffs, in denen der Bozner Nervenkitzel Programm wurde – und so das Attraktionslevel von Spiel zu Spiel rasant wachsen ließ. Um den HCB entwickelte sich eine Begeisterung, ein Hype, der weit über die Stadtgrenzen (und auch über die eingefleischte Eishockey-Szene) hinausging.Alle wollten eine Karte für das Bozen-Spiel.
Höhepunkt war zweifelsohne der vergangene Mittwoch, an dessen Bilder man sich noch lange Zeit erinnern wird. Vor den Stadionkassen des Bozner Eishockeytempels erstreckten sich Warteschlangen, die mehrere hundert Meter lange waren. Alle wollten ein Ticket für den ultimativen Showdown gegen Salzburg, alle wollten dabei sein, sollte sich der HCB zum Meister küren. 6800 Fans durften rein, am Ende hätte der Kult-Klub das Vierfache an Karten verkaufen können. Doch im Spiel der Spiele war der Eishockey-Gott nicht auf Seiten der Foxes.
Wundenlecken in der Kabine
Als am Freitagabend auch der letzte Zuschauer die Sparkasse Arena verlassen hat, als das Licht auf dem Eis schon längst aus war, blieben die HCB-Cracks noch stundenlang in der Kabine. Ursachenforschung, Wundenlecken – irgendwie musste man ja versuchen, diesen tief sitzenden Stachel zumindest ein Stück weit aus der Wunde zu ziehen. Im Team geht das am besten. Und vielleicht realisierte der eine oder andere schon da, dass diese Saison doch ein kleines Märchen war, wenn auch ohne Happy End.Vor dem Final-Showdown sorgten junge Bozner Eishockeycracks für einen besonderen Moment. © DLife
Ein solches Happy End gab es am Freitag aber trotzdem. Thomas, ein Eishockey-Knirps des HC Bozen, befindet sich auf dem Weg der Besserung. Er wurde am vergangenen Wochenende bei einem Jugendturnier von einem Puck an der Brust getroffen und erlitt dabei einen Herzstillstand. Anschließend musste er ins Koma versetzt werden, nun konnte er nach bangen Tagen die Intensivstation verlassen. Im Vorfeld des Finals wurde dem jungen Eishockeyspieler von den Bozner Fans noch einmal viel Mut zugejubelt. Es sind Nachrichten wie diese, wie weit über sportliche Siege, Niederlagen und Meistertitel hinausgehen.
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