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Jonathon Blum ist der neue Star-Verteidiger des HC Pustertal. © Thomas Debelyak

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Jonathon Blum ist der neue Star-Verteidiger des HC Pustertal. © Thomas Debelyak

Pustertals neuer Star: Ein Schicksal, das unter die Haut geht

Nach einer abenteuerlichen Reise durch die große weite Eishockeywelt kam Jonathon Blum im Sommer als Königstransfer zum HC Pustertal und gilt dort als der große Hoffnungsträger. Seine Lebensgeschichte ist berührend – auch, weil es das Schicksal nicht immer gut mit dem US-Amerikaner meinte.

Thomas Debelyak

Von:
Thomas Debelyak

Einen Zweifel gab es bei den Pusterer Eishockeyfans dann doch, als am 20. Juni die Transferbombe namens Jonathon Blum platzte. Ein Zweifel, der beim einen oder anderen für Stirnrunzeln sorgte. Ein Zweifel, der nicht wenige Synapsen zum Glühen brachte. Und ein Zweifel, den der Verteidiger selbst verschmitzt weglächelt, als er darauf angesprochen wird. „Blam“, sagt der Mann mit dem unverkennbaren amerikanischen Akzent. „Meinen Namen spricht man nicht Blum, sondern Blam aus. Ich weiß, das kann manchmal etwas tricky sein.“


Es sagt einiges über einen Spieler aus, wenn der einzige Zweifel darin besteht, wie der Name korrekt über die Lippen gehaucht wird. Ansonsten herrschte im Wolfsrudel vor allem eine Gefühlslage vor, als Jon Blum präsentiert wurde: Staunen. Staunen darüber, dass ein 122-facher NHL-Crack künftig in Schwarzgelb aufläuft. Staunen darüber, dass einer der besten Offensivverteidiger der DEL – und ein Meisterspieler des EHC München obendrein – den Weg nach Bruneck gefunden hat. Staunen darüber, dass sich der 36-Jährige mit seinen mehr als 1.000 Profispielen für das Grüne Tal entschieden hat.

Jonathon Blum (links) absolvierte 122 Partien in der NHL. © GETTY IMAGES NORTH AMERICA / FREDERICK BREEDON

Jonathon Blum (links) absolvierte 122 Partien in der NHL. © GETTY IMAGES NORTH AMERICA / FREDERICK BREEDON


Als wir Jon Blum in der Intercable Arena nach einem Training treffen, nimmt vor uns ein Mann Platz, der großes Charisma versprüht. Ein Mann, dem man gespannt zuhört, wenn er spricht. Und ein Mann, der gerne aus seinem Leben erzählt. Auch über Sachen, die nichts mit Eishockey zu tun haben. Etwa über seine Kindheit, die er im Surfparadies Long Beach in Kalifornien verbracht hat und dort tagein, tagaus auf den pazifischen Wellen ritt. Oder darüber, dass er heute – genauso wie sein Vater, sein Bruder, sein Schwager und sein Schwiegervater – Elektriker wäre, wenn er keine Profilaufbahn eingeschlagen hätte. Oder darüber, dass seine Kids derzeit den Berufstraum YouTuber hegen. „Ich weiß nicht recht, was ich davon halten soll“, sagt der dreifache Familienvater mit einem Lachen.

Schicksalsschläge in jungen Jahren

Wenn Blum über seine Kids, seine Kindheit und vor allem übers Eishockey spricht, dann sprudeln die Worte aus ihm heraus, dann ist da dieses Funkeln in seinem Blick. Doch es gibt im Gespräch auch einen Moment, in dem Blums Stimme zu stocken beginnt – und in dem seine Augen feucht werden. Zur Geschichte von Jonathon Blum gehört nämlich auch, dass er in jungen Jahren vom Schicksal gebeutelt wurde. „Ich war 15 Jahre alt, da habe ich meine Zwillingsschwester verloren“, erzählt der US-Amerikaner.
„Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an sie denke.“ Jonathon Blum

Blum erinnert sich noch genau an den 2. April 2004, an den Tag, der alles veränderte. Seine Schwester Ashley war damals von der Schule nach Hause gekommen und legte sich schlafen. Doch plötzlich brach in der Wohnung wegen eines Gaslecks Feuer aus. Die Teenagerin, die alleine zu Hause war, überlebte das Unglück nicht. „Das war extrem hart. Sie war meine beste Freundin, wir haben quasi alles zusammen gemacht und plötzlich war sie nicht mehr da. Bis heute vergeht kein Tag, an dem ich nicht an sie denke“, so Blum.

Spielt seit dieser Saison für Pustertal: Jonathon Blum. © HC Pustertal

Spielt seit dieser Saison für Pustertal: Jonathon Blum. © HC Pustertal


Der Eishockeycrack arbeitete in jener Zeit auf seine Karriere hin, musste wenig später aber mit dem nächsten Schicksalsschlag zurechtkommen. „Ein Jahr nach dem Tod meiner Schwester bekam meine Mama die Diagnose Krebs. Die Ärzte gaben ihr sechs Monate“, so der Nordamerikaner, der genau zu jener Zeit nach Vancouver hätte übersiedeln sollen, um den nächsten Schritt zu machen. „Ich wollte meine Mama nicht im Stich lassen, sie hat mich aber dazu ermutigt, zu gehen und meinen Traum zu verfolgen“, so Blum. Aus den sechs Monaten, die ihr die Ärzte gaben, wurden schließlich zehn Jahre. „Sie war eine echte Kämpferin. Ich denke mir immer: Wenn ich heute einen Schuss blocke, dann ist das nichts im Gegensatz dazu, was sie durchgemacht hat.“
„Lebe dein Leben, habe Spaß und sei kein Arschloch.“ Jonathon Blum

Was Blum aus dieser Zeit gelernt hat? „Lebe dein Leben, hab Spaß, genieß es, mache andere Leute happy und sei kein Arschloch“, so die Worte von Blum. Mit dieser positiven Einstellung schaffte es der Verteidiger, die schlimmen Monate einigermaßen zu verarbeiten und im Eishockey durchzustarten. 2007 wurde er als erster Spieler aus Kalifornien in der ersten Runde gedraftet, es folgte wenig später das NHL-Debüt mit den Nashville Predators. „Ich erinnere mich noch sehr gerne an mein Debüt, an das erste Tor, an die ersten Playoffs. Aber auch daran, wie mich Alex Ovechkin einmal ganz alt aussehen hat lassen und zwei Tore erzielte. Auch das gehört dazu.“

Eishockey-Abenteuer neben Nordkorea

Weil Blum in den folgenden Jahren ständig zwischen AHL und NHL hin- und hergeschoben wurde, verlor er immer mehr den Spaß am Spiel. Somit entschied sich der Offensivverteidiger nach 122 Partien mit Nashville und Minnesota für einen Wechsel nach Übersee – und zwar in die russische KHL.

Eine glückliche Familie: Jonathon Blum mit Ehefrau Emilie und den drei Kindern.

Eine glückliche Familie: Jonathon Blum mit Ehefrau Emilie und den drei Kindern.


Vier Jahre verbrachte Blum dort und sammelte viele gute, aber auch einige negative Erinnerungen. „In Vladivostok lebte ich nur rund 100 Kilometer Luftlinie von Nordkorea entfernt, ich stand teilweise 30 Minuten pro Match auf dem Eis, und die Auswärtsreisen waren immer ein Abenteuer, da wir oft über sieben Zeitzonen fliegen mussten. Allerdings warte ich heute noch immer auf einen Teil meines Gehaltes, der wegen des Ukraine-Konflikts eingefroren wurde.“

Über Färjestad (erste schwedische Liga) und München (DEL) führte Blums Weg schließlich in diesem Sommer nach Bruneck, wo er einer der großen Hoffnungsträger ist – und vom Titel träumt. „Viele sagen, dass wir kaum eine Chance haben. Ich sage aber: Mit dieser Truppe ist einiges möglich“, so der Verteidiger. Bei diesen Worten ist es wieder da. Dieses Funkeln in den Augen von Jon Blum.

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