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Zach Sill hat eine besondere Geschichte hinter sich. © HC Pustertal / Markus Ranalter

Pustertals NHL-Held: Das Märchen eines Underdogs

Der HC Pustertal begeistert – und einer, der ganz besonders strahlt, ist Routinier Zach Sill. Wer aber ist der 35-jährige Center, der einen ungewöhnlichen Weg gegangen ist und als Höhepunkt Seite an Seite mit Superstars wie Sidney Crosby gespielt hat?

Von:
Thomas Debelyak

Es gibt Spieler, die reißen die Fans mit akrobatischen Puckeinlagen, mit unwiderstehlichen Solos, mit zauberhaften Toren aus den Sitzen. Und dann gibt es Spieler wie Zachary „Zach“ Sill, die die Herzen der Fans ebenfalls im Sturm erobern – aber auf eine andere Art und Weise.


Zach Sills Eintrag in den Eishockey-Datenbanken liest sich – rein von den Zahlen her – relativ unspektakulär. Er hat als Stürmer noch nie mehr als elf Tore in einer Saison geschossen oder mehr als 30 Punkte gesammelt. Warum es der neue Center des HC Pustertal trotzdem in die NHL geschafft hat? Warum er trotzdem an der Seite von Stars wie Sidney Crosby oder Alexander Ovechkin gewirbelt hat? Und warum er trotzdem in Windeseile zu einem Pusterer Fanliebling aufgestiegen ist? Das lassen wir für ihn Shawn Evans, einen seiner ersten Trainer und Förderer, beantworten: „Intelligenz, Hartnäckigkeit und ein großes Herz – so spielt er. Bei ihm dreht sich alles um das Team.“

Zach Sill in der Intercable Arena.


Als wir Zach Sill in der Brunecker Intercable Arena zum Interview treffen, wird gleich klar, dass uns ein Vollprofi gegenübersitzt. Der 35-Jährige versprüht die Aura eines Spielers, der in seinem Leben schon viel erlebt und gesehen hat. Und doch sind seine Worte von einer bemerkenswerten Demut geprägt. Spricht er beispielsweise übers Eishockey, das Spiel an sich selbst, dann beginnen seine Augen förmlich zu leuchten. „Ich liebe es! Zwar ist es ein Mannschaftssport, doch überall auf dem Eis gibt es Eins-gegen-Eins-Duelle, es macht einfach Spaß, da reinzugehen. Und ich verliere nicht gerne solche Duelle.“ Das sagt einer, der diesen Sport schon seit mehr als 20 Jahren leidenschaftlich betreibt.
„Ich hätte nie gedacht, dass ich es in die NHL schaffen würde.“ Zach Sill

Es müssen wohl auch diese Passion, dieser Hunger sein, die dafür gesorgt haben, dass Zach Sill eine große Karriere hingelegt hat. 93 Spiele in der NHL, in den Farben der Pittsburgh Penguins, der Toronto Maple Leafs und der Washington Capitals, das ist beachtlich. Vor allem, weil der Kanadier selbst sagt: „Ich hätte nie gedacht, dass ich es in die beste Liga der Welt schaffen würde. Doch plötzlich war ich da.“

Sill (links) steckt nicht zurück: Hier liefert er sich mit MIchael Raffl einen Faustkampf. © GETTY IMAGES NORTH AMERICA / DREW HALLOWELL


Plötzlich, das ist das richtige Wort. Dass Sill ein talentierter Eishockeyspieler ist, das wurde zwar schon im Jugendalter klar, als er in seinem Heimatort Truro an den östlichsten Verzweigungen Kanadas immer in den Mannschaften seines um zwei Jahre älteren Bruders mitspielte. Doch der Verlauf seiner Karriere unterscheidet sich grundlegend von viele anderen Laufbahnen. Sill wurde nämlich an keinem hochdekorierten amerikanischen College ausgebildet und vor allem wurde er nie von einem NHL-Klub gedraftet. Auch nicht, als er im Teenager-Alter zwei Jahre lang starkes Eishockey in Kanadas Top-Juniorenligen spielte und Assistenzkapitän seiner Mannschaft war. „Ich wusste aber, dass meine Chance kommen wird“, so Sill.

Er hatte den Glauben schon fast verloren

Diese Chance sollte sich im Sommer 2009 ergeben und hieß Wilkes-Barre/Scranton Penguins. Der Klub aus Pennsylvania spielt nicht nur in der American Hockey League, also der zweithöchsten Liga in Nordamerika, sondern ist auch das Farmteam der Pittsburgh Penguins, der berüchtigten Eishockey-Hochburg in der NHL. Plötzlich war die beste Liga der Welt für Sill in greifbarer Nähe. Doch die Spiele, Monate, Jahre vergingen, der Anruf aus Pittsburgh wollte aber einfach nicht kommen. „Ich habe vier Saisonen lang für Wilkes-Barre in der AHL gespielt, da beginnst du zu denken, dass es mit der NHL nicht mehr klappen wird. Du verlierst langsam aber sicher den Glauben.“

Hier bejubelt Zach Sill sein erstes Tor in der NHL für die Pittsburgh Penguins. © GETTY IMAGES NORTH AMERICA / JUSTIN K. ALLER


Am 15. November 2013, ein Freitag wie viele andere, hätte Zach Sill eigentlich mit Wilkes-Barre ein AHL-Spiel bestreiten sollen. Doch kurz vor dem Match passierte das, worauf er sein ganzes Leben gewartet hatte. „Mein Trainer sagte mir, dass ich am nächsten Tag in der NHL spielen werde. Das war schon emotional.“ Für Sill hieß es ab ins Auto, Fahrt nach Pittsburgh, Flug mit der Mannschaft nach New Jersey – und dort gab er mit 25 Jahren sein langersehntes Debüt in der Eishockey-Königsklasse, vor den Augen seiner Eltern, die eigens eingeflogen wurden.

An der Seite von Sidney Crosby und Alexander Ovechkin

Das war der Auftakt einer abenteuerlichen Zeit, in der Sill für Pittsburgh, Toronto und Washington fast 100 NHL-Spiele bestritten hat. Vorwiegend in der vierten Linie eingesetzt, war der 92 Kilogramm schwere Stürmer zumeist mit „Aufräumarbeiten“ beschäftigt und ließ die Arenen auch immer wieder mit Boxkämpfen erbeben. Als er in seinem 52. NHL-Spiel das erste Tor erzielte, war Sill so euphorisiert, dass er seinen Stock durch die Luft schwang und beinahe einen Mitspieler traf. Vor allem an seine Zeit in Toronto erinnert er sich gerne zurück. „Das war das Lieblingsteam meiner Kindheit. Mein Vater hat zu der Zeit kein einziges Heimspiel verpasst.“
„Crosby und Ovechkin sind zwei Typen, mit denen du auch gerne ein Bierchen trinken gehst.“ Zach Sill

Sill wurde auch eine besondere Ehre zuteil. Er zog nämlich sowohl mit Sidney Crosby (Pittsburgh) als auch mit Alexander Ovechkin (Washington) in den Ring – das sind zwei der besten Spieler in der Geschichte des Eishockeys. „Von solchen Cracks kannst du jeden Tag nur lernen“, so Sill, der sowohl Crosby als auch Ovechkin wie folgt beschreibt: „Sie sind lockere Typen, mit denen du abends in einer Kneipe gerne ein Bierchen trinken gehst. Wirklich zwei Buddys.“

Als erfahrener Spieler weiß Sill (rechts), wie man mit den Referees spricht. © Iwan Foppa


Zach Sills Geschichte zeigt, was mit unermüdlichem Einsatz, großem Durchhaltevermögen und erstaunlicher Hartnäckigkeit alles möglich ist. Auch in Europa, wo er seit 2018 spielt, hat der zweifache Familienvater schon seine Spuren hinterlassen, zunächst in Prag, dann vier Jahre lang in Köln. Nun also Pustertal. „Der Wechsel von einer großen Stadt in diesen kleinen Ort ist wirklich schön. Bruneck ist schon jetzt einer der Lieblingsplätze in meiner Karriere“, so der NHL-Haudegen. Auch bei diesen Worten ist das Lächeln in Zach Sills Gesicht breit und das Funkeln in seinen Augen nicht zu übersehen.

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