
Damian Clara schlägt im SportNews-Gespräch im Sheraton durchaus ernste Töne an. © SN
Damian Clara: „Ich war nicht pronto“
Vier Mannschaften, drei Ligen, zwei Kontinente, eine Weltmeisterschaft. Es sind nicht die Eckdaten einer ganzen Spielerkarriere. Es ist eine Aufzählung von dem, was Damian Clara in nur drei Monaten erlebt. Es ist eine wilde, verrückte Zeit, die beim 20 Jahre jungen Pusterer Spuren hinterlässt.
24. April 2025

Von:
Alexander Foppa
Von Oulu in Finnland nach Reischach, von dort ein Mal um den Globus nach San Diego an die US-Westküste, auf direktem Weg ins polnische Sosnowiec, nach Bozen und schließlich an diesem Donnerstag in die rumänische Kleinstadt Sfântu Gheorghe. Damian Clara hat in vier Wochen so viele Flugmeilen gesammelt, wie andere in ihrem ganzen Leben nicht. „Die Reiserei steckt mir ein bisschen in den Knochen“, sagt er im SportNews-Gespräch. Dieses führten wir am Mittwoch, als der Nationaltorhüter im Hotel Sheraton bereits wieder auf gepackten Koffern saß.
Die Reisestrapazen lässt Italiens bester Eishockey-Torhüter nicht als Entschuldigung für seinen kapitalen Bock im letzten WM-Testspiel gelten. „Das sah scheiße aus. Solche Patzer analysiere ich gar nicht, vielmehr schaue ich, was ich sonst besser machen hätte können“, so Clara. Fehler wie diesen oder den noch folgenschwereren im März bei seinem damaligen Klub in Finnland hakt er schnell ab. Jedoch sagt der 20-Jährige auch: „Generell kommt es mir vor, als hätte ich vergangenes Jahr alles Glück der Welt aufgebraucht.“
„Mir hat irgendwann alles keinen Spaß mehr gemacht“ Damian Clara
Doch was meint Clara mit Sätzen wie diesen? Eine Erklärung: In der Saison 2023/24 hat er den schwedischen Zweitligisten Brynäs mit überragenden Leistungen zum Titel geführt, bereits zuvor war er als erster Südtiroler in der NHL gedraftet worden. Nach seinem Wechsel im Sommer zum Großklub Färjestad in die erste Liga Schwedens geriet plötzlich Sand ins Getriebe. Clara verlor den Kampf um den Stammplatz zwischen den Pfosten, wechselte später nach Finnland und beendete die Saison schließlich in Nordamerika.
Damian Clara lief Anfang April für San Diego erstmals in Nordamerika auf. © Tim Garland
Rückblickend sagt Clara ganz offen: „Ich war nicht pronto, so ehrlich muss ich sein.“ Erklärend fügt er hinzu: „Der Schritt in diese Top-Liga kam vermutlich zu früh. Der Start war noch gut, doch mit den ersten schwachen Leistungen habe ich gemerkt, dass das Vertrauen schwindet. Ich bin in ein Loch gefallen. Es hat sich plötzlich angefühlt, als müsste ich einen unheimlich steilen Berg besteigen, jeder Schritt ist mir schwergefallen. Mir hat irgendwann alles keinen Spaß mehr gemacht.“
Ein Sinneswandel trug Früchte
Clara ist jemand, der in Gesprächen und Interviews aufgeräumt wirkt, der kritisch analysiert und für sein Alter eine enorme Reife an den Tag legt. Doch wenn er über besagtes „Loch“ spricht, hält er immer wieder inne, er zögert. „Am Ende haben mir erfahrene Mitspieler da rausgeholfen. Und irgendwann habe ich zu mir selber gesagt: Stopp jetzt! Okay, du wirst vielleicht nie der beste Tormann dieser Liga sein, aber du kannst in dieser Liga jener Tormann sein, der sich am besten entwickelt.“ Nach diesem Credo habe er dann begonnen zu arbeiten.Der Sinneswandel zeigte Wirkung. Zum einen stabilisierte er seine Leistungen, zum anderen zeigte er später in Finnland wieder deutlich auf. Den Wechsel von Färjestad zum Oulu Kärpät hatte Sudarshan Maharaj eingefädelt. Er ist bei den Anaheim Ducks verantwortlich für alle Torhüter und somit auch für Clara, den der NHL-Klub seit 2023 vertraglich an sich gebunden hat. Maharaj ist für Clara eigens nach Europa gereist, stand ihm bei. „In Schweden habe ich gelernt, mit schwierigen Phasen umzugehen, in Finnland kam dann auch die Lockerheit auf dem Eis zurück.“ Zehn Mal lief Clara für Erstligist Kärpät auf.
„Ich habe keinen Karriereplan“ Damian Clara
Nach dem Verpassen der Playoffs in Finnland holten Maharaj und die Ducks den jungen Südtiroler erstmals über den großen Teich, dort folgten nochmal zwei Einsätze für die San Diego Gulls in der AHL, der Vorstufe zur NHL. Clara beschreibt diese Zeit als „unheimlich cool“, zugleich aber habe er auch gesehen, wie hart das Geschäft, wie kompliziert das System in Nordamerika ist.
Wie geht es im Sommer weiter?
Deshalb sagt der Youngster heute auch: „Wenn mich Anaheim in die USA holt, dann nehme ich die Herausforderung liebend gerne an. Doch ganz ehrlich: Aktuell bevorzuge ich einen Verbleib in Skandinavien. Ich muss noch viel lernen – und das geht am besten mit viel Eiszeit in einer Liga, in der junge Spieler gefördert werden. Überspitzt gesagt, ist Nordamerika ein Haifischbecken, in dem man nach schlechten Leistungen schnell aufgefressen wird. Wenn ich dorthin gehe, will ich bestmöglich vorbereitet sein.“Über die sportliche Zukunft des zwei Meter großen Hünen wird erst in einigen Wochen entschieden. „Ich habe ohnehin keinen Karriereplan. Ich werde es nehmen, wie es kommt, auch das musste ich erst verinnerlichen.“ Bis das Neue kommt, will er sich unter anderem seinem Fernstudium in Wirtschaftswissenschaften widmen, das er im Herbst begonnen hat. Clara spricht fünf Sprachen fließend, liest unheimlich gerne Bücher, will sich weiterbilden, dazulernen – auch außerhalb des Eises.
Damian Clara ist Italiens Nummer eins bei der WM in Rumänien. © Valentina Gallina
Die nächsten Tage will der Pusterer aber nochmal auf glattem Untergrund glänzen. Ab Sonntag steht er für Italien bei der B-WM im Einsatz. Dort wird im Vergleich zur AHL deutlich langsameres Eishockey gespielt werden. „Du hast also mehr Zeit dich zu bewegen und umso mehr du dich bewegst, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit Fehler zu begehen. Aber ich werde mich darauf einstellen, ganz sicher.“ Klappen soll es in Rumänien nicht nur für Clara, sondern auch fürs gesamte Blue Team. Der Aufstieg ist das Ziel.
Nach der WM geht es für Clara wieder in den Flieger, dann aber in den wohlverdienten Urlaub. „Ich werde eine Woche ans Meer reisen.“ Dort gelte es in erster Linie, abzuschalten und Batterien aufzuladen. „Ich habe in letzter Zeit unheimlich viel erlebt oder besser gesagt gelernt.“ Vor allem habe Clara eines gelernt, nämlich dass „ich nicht jeden Tag den Ansprüchen gerecht werden kann, weder meinen noch jenen der anderen.“
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