
Beim FC Südtirol war in Palermo an der Seitenlinie einiges ungewohnt. © FCS/Bordoni
Der Unbekannte auf der FCS-Bank: „Das war heftig“
Nassgeschwitzt, mit zerzaustem Haar und rauchiger Stimme schritt er durch die Katakomben in Palermos Fußball-Arena. Wer seinen Weg kreuzte, dürfte nie und nimmer vermutet haben, dass dieser Mann den FC Südtirol gerade eben zum wichtigsten Saisonsieg geführt hatte. Wir stellen den heimlichen Helden vor.
02. Mai 2025
Aus Palermo

Von:
Alexander Foppa
Er heißt Riccardo Bocchini, ist 52 Jahre alt und arbeitet erst seit fünf Monaten für den FC Südtirol. Selbst eingefleischten Fans des Zweitligisten sagt diese Personalie noch wenig. Ganz anders ist das bei Trainer Fabrizio Castori, er brachte den Unbekannten im Schlepptau mit ins FCS-Center. Die beiden kennen sich seit 24 Jahren. Bocchini war einst in Lanciano und Cesena Spieler unter Castori, schon damals galt er als verlängerter Arm des Trainers. Seitdem verbindet die beiden Männer eine enge Freundschaft.
Castori holte Bocchini später in seinen Betreuerstab, bildete ihn aus und machte ihn schließlich zu seinem Assistenten, erst in Cesena, dann bei gleich weiteren sechs Vereinen. Bocchini führt sozusagen ein Leben als Castori-Vize. Allerdings hat er auch bewiesen, dass er an der Seitenlinie erfolgreich Kommandos geben kann, wie etwa im Frühjahr 2021. Damals sprang er bei Salernitana für den Covid-erkrankten Castori ein und führte das Team im Saisonfinish in Richtung Serie A. Am letzten Spieltag feierten die beiden Freunde dann Arm in Arm den Aufstieg.
Ein Leben als Vize
Auch an diesem Donnerstag in Palermo jubelten die beiden Freunde gemeinsam. Allerdings erst lange nach dem Spiel. Zuvor hatte Bocchini den um 18 Jahre älteren Castori neuerlich erfolgreich vertreten. Er fuhr unten auf dem Rasen einen fundamentalen 2:1-Sieg ein, während sein gesperrter Lehrmeister im „Renzo Barbera“ ganz oben unterm Stadiondach Platz fand. Dort verfolgte er die Partie in fast stoischer Ruhe – womöglich wissend, dass sein Kumpel das Ding an der Seitenlinie schon irgendwie schaukeln würde.„Ich habe große Verantwortung gespürt“ Riccardo Bocchini
„Ich weiß nicht, wie oft das schon der Fall war. Ich schätze, zwischen zehn und zwanzig Mal bin ich für ihn eingesprungen“, sagte Bocchini vor der Abreise in Palermo in einem kurzen Talk mit SportNews. Da war er frisch geduscht, wieder bei Kräften und gedanklich aufgeräumt.
Keine zwanzig Minuten vorher, bei der Pressekonferenz im Bauch des Stadions, war er noch sichtlich bemüht, seine Gedanken zu sammeln, musste sich die erste Frage aus der Journalistenrunde wiederholen lassen. Dann analysierte er aber präzise.
FCS-Vize-Trainer Riccardo Bocchini gab den Medien nach dem Spiel Auskunft. © FCS/Bordoni
„Ich habe große Verantwortung gespürt, gleichzeitig waren auch Emotionen im Spiel, die richtig heftig waren. Dieser Gegner, die Atmosphäre im Stadion, die Wichtigkeit dieses Duells und der Wille, den ich bei unseren Jungs gesehen habe – das alles weckt einfach Gefühle“, schilderte Bocchini.
Der Chef hält jetzt den Serie-B-Rekord
Allerdings machten nicht nur diese Eindrücke den Tag zu einem ganz speziellen, sondern auch eine geknackte Bestmarke seines Chefs. Fabrizio Castori ist seit diesem Donnerstag mit 572 Spielen der Rekordmann der Serie B. Keiner saß in der zweiten Liga häufiger auf der Bank. Als Tribünengast stellte er die Bestmarke von Guido Mazzetti ein. „Ein historischer Moment für ihn als Mensch, als Trainer“, sagte Bocchini mit viel Wertschätzung, „So wie ich ihn kenne, wird er aber bereits jetzt ans nächste Spiel denken, mit dem er dann alleiniger Rekordhalter ist.“Übrigens wird in diesem nächsten Spiel neuerlich der Ersatz als Chef fungieren, denn Castori ist auch noch am Sonntag zuhause gegen Cosenza gesperrt. „Wir müssen jetzt jede Partie wie ein Finale nehmen, dann können wir unser Ziel, den Ligaverbleib, rasch erreichen. Es ist wichtig, den Willen aus diesem Spiel gegen Palermo mitzunehmen.“ Es sind Sätze, die auch aus Castoris Mund hätten stammen können. Sätze, die zeigen, wie eng die Bindung zwischen Riccardo Bocchini und Fabrizio Castori ist.
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